„Entscheidend ist doch, was im Büro passiert“

„Entscheidend ist doch, was im Büro passiert“

Weltweit diskutieren wir über die Art, wie wir in Zukunft arbeiten. Vor allem in Deutschland, wo diese Woche die gesetzliche Pflicht für Home-Office geendet ist. Viele Unternehmen präsentieren ihre Ideen rund um Quoten und Regelungen. Dabei ist etwas ganz anderes entscheidend.

„Arbeitet angemessen!“ Nein, das fordert nicht eine Betriebsrätin und entstammt auch keinem Gewerkschafts-Propagandaheft. Das gab GM-Chefin Mary Barra als Mantra aus vor den 155.000 Mitarbeiter:innen des Autobauers. Wie gerade so viele Unternehmen hatte GM seine Strategie verkündet, wie es nun mit Homeoffice und Co. weitergehen soll. Mit „Work Appropriately“, zu Deutsch „arbeitet angemessen“, ist ein Konzept gemeint, das auf Flexibilität und Individualität ausgelegt ist: Es gibt keine starren Regeln, sondern Mitarbeiter können je nach Projektstatus und damit verbundenen Aufgaben ihre hybride Arbeitssituation anpassen. Was so einfach klingt, erfordert viel von den Führungskräften und ist nicht über Nacht entstanden: In 52 Workshops mit 110 Leitenden hat GM die Befragungen der Mitarbeiter:innen ausgewertet und Rückschlüsse gezogen. Der US-Autobauer ist nur ein Konzern von vielen, die derzeit ihre Pläne der Öffentlichkeit präsentieren. Gerade in Deutschland kocht die Diskussion hoch, weil die gesetzliche Pflicht auf Homeoffice zum 1. Juli ausgelaufen ist. Die Arbeitgeberverbände betonten stets, dass es keine gesetzliche Regelung brauche, weil die allermeisten Firmen ohnehin flexibles Arbeiten eingeführt haben, wo es eben möglich ist. Vermutlich gab es noch nie ein Thema, über das in Unternehmen weltweit jemals gleichzeitig so hitzig diskutiert wurde. Bei Apple rebellieren die Mitarbeitenden, dass CEO Tim Cook sie an drei Tagen pro Woche im Office sehen will. Bei anderen brodelt es, weil Besuche beim Kunden nicht als Bürotag in die Quote eingehen. Wer also drei Tage beim Kunden verbringt, muss an den zwei übrigen ins Büro. Und was gilt für die, die in Teilzeit arbeiten? Die einen zitieren aus Studien, dass die Produktivität im Home-Office nicht sinkt. Die anderen solche, die zum Ergebnis kommen, dass es ohne gemeinsame Bürozeit nicht richtig effektiv zugehen könne. Ein Widerspruch? Keineswegs. Beide Seiten haben ihre Berechtigung. Es gibt nicht den einen Königsweg und für jedes Unternehmen, ja jede Abteilung sollte kontextabhängig entscheiden dürfen. Aber drei Grundsätze halte ich für allgemeingültig. Erstens: Der Erfolg jeder Maßnahme steht und fällt mit der Kultur. Hier geht es auch um ein Menschenbild – bekannte Stichworte sind Motivation, Kontrolle, Vertrauen. Wir bei Kienbaum stehen, nicht zuletzt den Eigenschaften unseres Dienstleistungsgeschäfts geschuldet, zum Beispiel für eine liberale Auffassung, also, dass die konkrete Ausgestaltung der ortsunabhängigen Arbeit innerhalb der Teams in Eigenregie erfolgt. Zweitens sollte die Diskussion zwischen Unternehmen und Mitarbeiter:innen intelligent geführt werden: Es geht um die entscheidende Frage, warum wir uns regelmäßig im Büro treffen sollten und was wir dann dort tun. Kurzum: welche Form von Arbeit widmen wir uns, wenn wir zusammenkommen – und welche Wochentage bieten sich für welche Formate an. Ich halte deshalb nichts von der Vorstellung, dass alle Wochentage gleich zu betrachten sind. New Work ist auch Smart Work. Bei allem Ansinnen den individuellen Bedürfnissen der Mitarbeitenden gerecht zu werden, muss eine Organisation auch ihre originären Interessen sicherstellen, denn ein starkes Gemeinschafts- und Zusammengehörigkeitsgefühl darf der von Virtualität geprägten Flexibilität nicht zum Opfer fallen. Schließlich wissen wir: Ohne persönlichen Kontakt mag nicht nur die Motivation leiden, sondern gar unsere Produktivität auf lange Sicht sinken. Insofern erachte ich es als legitim, dass Organisation eine gewisse Anzahl von Office Days definieren, um die gemeinsamen Interessen adäquat auszutarieren. Und genau das führt zum dritten Punkt: Ein Büro ist kein Ort für geschlossene Käfighaltung. Wenn Stepstone an seine Mitarbeiter schreibt „We will repurpose open space areas for focus and collaboration work”, dann trifft das genau den Kern: Die neue Kultur und der neue Zweck von Büros sollten sich auch räumlich und programmatisch wiederfinden.

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