Personaler mit Pioniergeist

Personaler mit Pioniergeist

Als Personalvorstand des weltweit führenden Unternehmens für Logistik und Briefkommunikation – mit rund 520.000 Beschäftigten und einem Umsatz von mehr als 57 Milliarden Euro – gibt sich Thomas Ogilvie ausgesprochen geerdet.

Sein Büro in der Spitze des filigran gestalteten Bonner Post Towers, mit einem weiten Blick auf den Rhein stimmt ihn versöhnlich, wenn er an Sommerabenden noch spät am Schreibtisch gebunden ist. Mit Fabian Kienbaum und Walter Jochmann teilte der Personaler unlängst diesen Ausblick – und gab zudem tiefe Einblicke in die laufende Transformation von Deutsche Post DHL Group und die Rolle seiner HR-Funktion.

Herr Ogilvie, Personalvorstände mit substantieller Arbeitserfahrung in Konzernfunktionen jenseits von HR haben derzeit Konjunktur. Sie selbst haben zuvor im Corporate Development die Strategie von Deutsche Post DHL Group mitgestaltet. Wie schimmert dieser Hintergrund in Ihrer aktuellen Tätigkeit noch durch?

Bei Corporate Development haben wir dazu beigetragen, die digitale Transformation unseres Unternehmens zu beschleunigen. Dabei habe ich erlebt, dass neue Technologien zwar Treiber von Veränderung sind, ihr ganzes Potential aber von der Nutzung durch die Mitarbeiter bei der Arbeit und damit von der Kultur des Unternehmens abhängt. Eine nachhaltige Unternehmensentwicklung im digitalen Zeitalter bedeutet für mich daher immer die Verbindung von Mensch und Technologie, wobei der Mensch den Großteil des Erfolgs ausmacht.

Welche sind aus Ihrer Sicht die größten Treiber im Geschäft Ihres Unternehmens?

Reflexartig fällt der Blick natürlich immer erst auf wirtschaftliche KPIs: Wie teuer ist z. B. ein Recruiting-Prozess? Und wie nachhaltig ist er, das heißt, wie oft müssen wir dieselbe Stelle nachbesetzen? Das ist notwendig, aber nicht hinreichend, denn als Unternehmer müssen wir immer auch nach vorne schauen und uns fragen: Wie können wir unser Unternehmen adaptiv einem sich immer schneller verändernden Marktumfeld anpassen? Und welche Kompetenzen benötigen unsere Beschäftigten, um den aktuellen und zukünftigen strategischen Herausforderungen kreativ und innovativ begegnen zu können? Kultur und Kompetenzen sind daher für mich die wirklichen Werttreiber eines Unternehmens.

Kultur, weil sie Identität stiftet; Kompetenzen, weil sie sicherstellen, dass sich die Menschen ihren Erfahrungen und Fähigkeiten entsprechend im Unternehmen voll entfalten können.

Für mich eine ganz logische Konsequenz: Engagierte Mitarbeiter erbringen eine gute Service-Qualität, eine gute Service-Qualität führt zu zufriedenen Kunden und zufriedene Kunden steigern unsere Profitabilität. Eine einfache, aber stets verlässliche Gleichung, die für uns als Dienstleistungsunternehmenden Mitarbeiter zum wesentlichen Erfolgsfaktor macht.

Kultur und Kompetenzen sind für mich die wirklichen Werttreiber eines Unternehmens.
Thomas Ogilvie, Personalvorstand Deutsche Post DHL Group

Wie bildet die Personalstrategie von Deutsche Post DHL Group diese Philosophie ab?

Wir haben eine HR-Roadmap, die in die Geschäftsstrategie unseres Unternehmenseingebettet ist. Wir haben als HR-Funktion eine sehr businessorientierteSicht auf unsere Arbeit und wollen die Transformation des Unternehmens aktiv mitgestalten.Damit verfolgen Sie eine Zielsetzung, die durchaus ungewöhnlich ist: Viele HR-Funktionen ringen auch mehr als 20 Jahre nach Dave Ulrichs Modell vom Business Partner immer noch mit der Frage, wie sie sich im Unternehmen positionieren können, um nicht länger am Katzentisch sitzen zu müssen. Selbstverständlich versuchen auch wir unsere HR-Organisation laufend zu optimieren – kurzfristig durch den Einsatz digitaler Technologien, z. B. im Bewerbermanagement; langfristig, indem wir durch eine homogene Aufstellung unserer HR-Systeme das sich wandelnde Operating System des Unternehmens abbilden. Darüber hinaus ist es die Rolle von HR aber auch die Kulturtransformation zu katalysieren. Unsere Konzernwerte sind Respekt und Resultate – übertragen auf HR bedeutet dies Engagement und Effizienz.

Die Kulturtransformation ist sicher eine der Königsdisziplinen im Personalmanagement…

Und eine Herkulesaufgabe, weil wir Gefahr laufen, dass durch die Entstehung innovativer Geschäftsmodelle das Bestandsgeschäft leicht aus dem Blick gerät – mit der Folge, dass sich die Beschäftigten im Bestandsgeschäft durch den Hype ums Innovationsgeschäft zweitklassig und abgehängt vorkommen. Dabei sind es die Beschäftigten im Bestandsgeschäft, die durch ihre Arbeit die Finanzierung des Innovationsgeschäfts erst möglich machen. Gleichzeitig wird das Innovationsgeschäft längerfristig aber zu einer weiteren tragenden Säule des Unternehmens. Diese Dualität hat wesentliche Implikationen für das People Management, das die organisationalen Bedarfe und individuellen Anforderungen beider Welten abbilden muss: Steigerung operativer Exzellenz einerseits; Förderung von Neugier, Fehlertoleranz und Fluidität andererseits.

Und wie lautet Ihre persönliche Prognose für die Zukunft dieser ambidextren Arbeitswelt?

Mehr als 90 Prozent unserer Mitarbeiter sind Mitarbeiter im Bestandsgeschäft,das ein Wachstumsgeschäft ist: In Saisonspitzen planen wir mit bis zu 80.000 zusätzlichen Mitarbeitern, weltweit. Und dennoch wird sich für die Beschäftigten die Arbeit über Zeit durch Technologie verändern. Für mich stellt sich dabei vor allem die Frage, wie sich Arbeitsprofile konkret verändern und wie wir als Organisation die bevorstehenden Veränderungen antizipierenund die Menschen zur Weiterentwicklung befähigen können – es geht umlangfristige Beschäftigungsfähigkeit.

Und haben Sie schon eine erste Antwort auf diese Frage gefunden?

Ich finde, es würde uns Personalern gut tun, die Prinzipien von Marketing und Vertrieb auf unsere eigene Arbeit zu übertragen, um so unsere Produkte und Services für die Beschäftigten anfassbarer und erlebbarer zu machen. Deutsche Post DHL Group zählt über 1.000 unterschiedliche Arten von Jobs. Wenn es uns gelingt, all diesen Zielgruppen auf spezifische Weise zu vermitteln, wie sich ihre Arbeitswelt verändern wird und dass HR ihr Partner bei der Gestaltung dieser zukünftigen Arbeitswelt ist, dann haben wir wirklich Wert geschaffen.

Die Gestaltung agiler Organisationsstrukturen gelingt nicht ohne ein modernes Führungsverständnis. Was für ein Modell bildet den konzeptuellen Rahmen für Leadership bei Deutsche Post DHL Group?

Wir verfolgen einen Dreiklang aus Head, Heart und Guts: Zum einen erwarten wir von unseren Führungskräften selbst-verständlich, dass ihre Aktivitäten zu Resultaten führen und dass sie die Stärken und Potentiale ihrer Teams und Bereiche systematisch ausschöpfen. Zum anderen sind wir fest davon überzeugt, dass sich Wachstum und Innovation nur dann einstellen, wenn Führungskräfte Vertrauen in ihre Mitarbeiter haben, Verantwortung übertragen und den Kontext erklären, in dem wir tätig sind. Schließlich braucht es noch den Mut, mitunter auch unliebsame Themen zu vertreten und klare Entscheidungen zu treffen sowie offen für Veränderungen und Ambiguität zu sein.

Ein solches Leadership-Modell konsistent vom Shopfloor bis zum Regional CEO zu implementieren, erfordert eine HR-Funktion, die über konzeptionelle Expertise ebenso verfügt wie über ein partnerschaftliches Verhältnis zum Geschäft und Management.

In unserem Unternehmen arbeiten rund 2.000 Menschen allein auf Vice-President-Level oder darüber, insgesamt haben wir über 20.000 People Manager – eine genauso heterogene wie fordernde Anspruchsgruppe für uns Personaler, der wir kundenzentrierte Lösungen anbieten müssen. Glücklicherweise hat meine Vorgängerin hier eine exzellente Grundlagenarbeit geleistet: Die globale Employee ID, das Leuchtturmprojekt „Certified“, ein eingespieltes Team für beamtenrechtliche Fragestellungen, gut bestellte Service Operations. All diese Akzente haben die Position der HR Community im Unternehmen gestärkt, sodass die Mitglieder des HR Boards ebenso wie die Projektleiter aus den Divisionen wissen: ihre Stimme hat Gewicht bei der Identifikation und Beschleunigung strategischer und vor allem people-relevanter Themen. Mit den Geschichten, die wir von unserer eigenen Veränderung erzählen können und mit den Leuchtturmprojekten, die wir weltweit aufsetzen haben wir schon einige erreicht – aber es bleibt auch noch viel zu tun.

Kienbaum HR Futureline | Ausgabe 4, 2018

Lesen Sie in dieser Ausgabe unter anderem was aus Sicht von Thomas Ogilvie, Personalvorstand DPDHL Group die wirklichen Werttreiber im Unternehmen sind, warum die Berliner Künstlerin Jorinde Voigt Transformation als Notwendigkeit ansieht und gewinnen Sie exklusive Vorab-Einblicke in unsere Leadership Survey 2018.

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