Chefs unterschätzen ihre Versorgungslücke

Chefs unterschätzen ihre Versorgungslücke

Altersvorsorge: Geschäftsleiter öffentlicher Unternehmen halten einen kompletten Übergang zur Eigenvorsorge meist für unzumutbar. Umfragen zeigen regelmäßig: Die be­triebliche Altersversorgung (bAV) der Geschäftsleiter in öffentlichen Unternehmen ist für sie die wichtigste Zusatzleistung.

Kienbaum hat dazu Betrof­fene, Aufsichtsräte und Beteiligungsma­nager befragt und stellt die Ergebnisse hier erstmals außerhalb des Teilnehmerkreises vor.

Demnach sind Versorgungszusagen neben der monetären Vergütung ein be­deutsamer Faktor für die Gewinnung und Bindung von Geschäftsleitern. Dieser Aus­sage stimmten 89 Prozent der befragten Chefs sowie 72 Prozent der Aufsichtsräte und Beteiligungsmanager zu.

Dies verwundert nicht weiter: Sofern die Geschäftsleiter überhaupt renten­versicherungspflichtig sind, reicht die spätere gesetzliche Rente angesichts von Geschäftsleiterbezügen, die in aller Regel deutlich oberhalb der Beitragsbemes­sungsgrenze liegen, kaum aus, um im Ru­hestand den Lebensstandard aufrechtzu­erhalten.

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Hände weg von meiner Pension! Das Versorgungsniveau von Chefs öffentlicher Unternehmen im Ruhestand gleicht tendenziell niedrigere Aktivbezüge aus. Die arbeitgeberfinanzierte Zusage eines bestimmten Anteils am letzten Aktivgehalt ist als Gestaltungsform unter Druck geraten, zugunsten von beitragsfinanzierten Modellen. Den Systemwechsel begrüßen auch die meisten von Kienbaum befragten Geschäftsleiter. Allerdings stehen ihre Wünsche zum Lebensstandard nach dem Arbeitsleben im Widerspruch dazu, dass die meisten eine Eigenbeteiligung für unzumutbar halten.

“Noch haben zwischen 70 und 90 Prozent der Befragten eine Versorgungszusage”

Klassische Zusage unter Druck

Zwi­schen 70 und 90 Prozent der befragten Geschäftsleiter verfügen über arbeitge­berfinanzierte betriebliche Altersversor­gungszusagen. Trotzdem geraten diese Zusagen in den letzten Jahren in vielen öffentlichen Unternehmen unter Druck.

Ein maßgeblicher Grund besteht in ih­rer Gestaltung: Zum einen liegt häufig die Aktivvergütung meist deutlich niedriger als in vergleichbar großen Privatunter­nehmen. Zumindest gemessen daran, sind dagegen die Versorgungsbezüge spürbar höher.

Zum anderen dominiert damit immer noch mehr als in der Privatwirtschaft die »endgehaltsbezogene Leistungszusage«. Die Höhe der Versorgungsbezüge bemisst sich darin als konkret definierter, zumeist prozentualer Anteil des letzten aktiven Grundgehalts.

Problematisch daran ist, dass das Un­ternehmen zur Finanzierung dieser Di­rektzusage regelmäßig Rückstellungen bilden muss. Diese bilanziellen Posten belasten das Unternehmensergebnis. Und sie unterliegen den Risiken aus den gesun­kenen Zinsen und der versicherungsma­thematisch abgebildeten Lebenserwar­tung, die sich teilweise erst lange nach dem Ausscheiden des Geschäftsleiters ver­wirklichen. Die Rückstellungen sind dann beträchtlich – und letztlich schwer kalku­lierbar – nachzudotieren.

Konsens für neues System

Das Prob­lem verschärft sich bei öffentlichen Un­ternehmen, bei denen die Öffentlichkeit die Gesamtvergütung der Geschäftsleiter besonders kritisch beobachtet. Rund drei Viertel der befragten Aufsichtsräte und immerhin zwei Drittel der Geschäftsleiter halten eine grundlegende Systemumstel­lung aufgrund der gestiegenen Risiken für unvermeidlich. Auch diese Einschätzung unterscheidet sich kaum zwischen den Branchen oder den Trägern der Unterneh­men (Bund, Länder oder Kommunen).

Umstellung auf Beitrag

Die bAV-Sys­teme werden längst umgestellt: In der Privatwirtschaft wurden vor längerer Zeit teure Versorgungswerke für die Mitar­beiter geschlossen. Es folgten die Versor­gungszusagen für Vorstände: Seit einigen Jahren werden Neuzusagen überwiegend beitragsorientiert erteilt.

Die öffentlichen Unternehmen folgen diesem Trend ebenfalls, allerdings ver­zögert. Neu bestellte Geschäftsleiter be­kommen zunehmend beitragsorientierte Zusagen, die nicht mehr ein bestimmtes zu erreichendes Versorgungsniveau ent­halten, sondern lediglich eine bestimmte Dotierung (»Beitrag«). Zumeist wird die Abwicklung dieser Zusagen auf einen ex­ternen Versorgungsträger ausgelagert, etwa eine durch eine Versicherung rückge­deckte Unterstützungskasse. Das spätere Versorgungsniveau hängt hierbei von der Beitragshöhe ab, aber auch maßgeblich von der darauf zugesagten beziehungs­weise von dem externen Träger inklusive Überschussbeteiligung erzielten Verzins­ung.

“20 Jahre 30 Prozent abgeführt ergeben realistischerweise nur 20 Prozent des letzten Gehalts”

Unterschätzte Versorgungslücke

Die Höhe der Beiträge ist damit der entschei­dende Modellparameter. Nach einschlä­gigen Modellrechnungen ist bei einem Beitrag von beispielsweise 30 Prozent der Festbezüge – ein nicht untypischer Wert – nach einer typischen 20-jährigen Dienst­zeit als Geschäftsleiter derzeit ein späteres Versorgungsniveau von ungefähr 20 Pro­zent der letzten aktiven Grundbezüge rea­listisch. Der Rest der Versorgungslücke ist dann durch andere Versorgungsformen zu schließen: zuvor erworbene Ansprüche, gegebenenfalls gesetzliche Rente und vor allem Eigenvorsorge.

Vielen Chefs dürfte dies nicht ganz be­wusst sein. Denn trotz dem fast allseiti­gen Ja zu einem neuen System wünschen 75 Prozent der befragten Betroffenen, nach 15 bis 20 Jahren in der Chefposition mehr als 40 Prozent der letzten Grundbe­züge als Ruhegehalt.

Oder nur Zuschuss

Manche Unter­nehmen gehen weiter: Sie zahlen neu bestellten Geschäftsleitern nur noch ei­nen »Zuschuss« zum Aufbau einer pri­vaten Vorsorge. So geben einige Sparkas­senverbände bereits als Regelfall einen Bruttozuschuss für neue Vorstände vor, die klassische bAV dagegen nur noch aus­nahmsweise. Die Folge: Der Geschäftslei­ter muss seine Versorgung grundsätzlich aus versteuertem Einkommen aufbauen. Dies mindert ihren Wert trotz der güns­tigeren nachlaufenden Pensionsbesteue­rung beträchtlich.

“Der Wettbewerb um Topmanager wird härter.”

Eigenvorsorge zumutbar?

Ist nun kommunalen Chefs private Eigenvorsorge zuzumuten und eine Versorgungszusage damit entbehrlich? Bei dieser Frage en­det – wenig überraschend – der Konsens zwischen der Manager- und der Kontrol­leur-Ebene, zeigt die Kienbaum-Befra­gung: Rund 80 Prozent der befragten Auf­sichtsräte bejahen diese Frage angesichts der Chefgehälter. Dagegen sagen drei Vier­tel der Geschäftsleiter nein.

Das Gesamtpaket muss stimmen

So verständlich die Auffassung der Aufsichts­räte auf den ersten Blick ist, so birgt sie doch durchaus Gefahren: Die Anforderun­gen an Topmanager wachsen, weil sich Geschäftsmodelle wandeln – Stichworte Digitalisierung, Energiewende, neue Ver­kehrskonzepte. Daher wird der Wettbe­werb gerade um Spitzenkräfte, die diesen Wandel proaktiv gestalten, weiter zuneh­men. Da muss auch die Gesamtvergütung attraktiv bleiben, auch gegenüber der Pri­vatwirtschaft.

Das Ergebnis heißt sicher: »Vollver­sorgung ade!« Zu begrüßen sind aber Ge­samtpakete mit einer transparenten, das Unternehmen nicht überlastenden und zugleich für den Betroffenen annehmba­ren Versorgungskomponente, die um Ei­genvorsorge ergänzt wird.

Martin von Hören gehört der Geschäfts­leitung von Kienbaum Consultants Interna­tional an und ist dort Director sowie Partner. Rechtsanwalt Tom Feldkamp ist dort Mana­ger im Geschäftsfeld Compensation & Per­formance Management.

Über die Befragung:

Kienbaum Consultants International hat zwischen Mai und Juli 2019 rund 100 Ge­schäftsleiter, Aufsichtsräte und Beteili­gungsmanager öffentlicher Unternehmen zu ihrer Organtätigkeit befragt. Bis jetzt waren die Ergebnisse ausschließlich den Befragten zugänglich. Der nebenstehende ZfK-Gastbeitrag fasst die Resultate erst­mals und exklusiv für eine breitere Fachöf­fentlichkeit zusammen. Die Unternehmen stammen vor allem aus den Branchen Energie- und Wasserversorgung, Verkehr und Logistik, Banken/Sparkassen, Woh­nungswirtschaft/Immobilien, Messege­sellschaften sowie Wirtschaftsförderung. Zwischen den einzelnen Branchen und/ oder Trägern (Bund, Länder, Kommunen) gebe es keine signifikanten Unterschiede, was die Verbreitung und Ausgestaltung der betrieblichen Altersversorgung (bAV) von Geschäftsleitern angeht, meint die Unter­nehmensberatung.

Dieser Artikel ist ursprünglich in Ausgabe 02/20 der Zeitung für kommunale Wirtschaft (ZfK) erschienen: Zur Zeitung für kommunale Wirtschaft.

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