„Jetzt zu gründen erfordert mehr Mut“

„Jetzt zu gründen erfordert mehr Mut“

Dr. Daniela Gerd tom Markotten hat im Juni dieses Jahres ihr eigenes Tech-Start-up gegründet. Bis März 2020 war sie Geschäftsführerin der moovel Group und damit Teil der YOUR NOW-Gruppe, den Mobilitäts-Joint-Ventures der BMW Group und der Daimler AG.

Davor war sie in verschiedenen Managementpositionen bei der Daimler AG tätig, u.a. im LKW-Vertrieb, der IT und auch als Geschäftsführerin der Fleetboard GmbH. Mit Kienbaum-Beraterin Dr. Anna-Maria Karl hat sie über die Herausforderungen und Chancen für UnternehmensgründerInnen in Zeiten von Corona gesprochen.

 

Dr. Daniela Gerd tom Markotten

Dr. Daniela Gerd tom Markotten

Möchtest Du Dich zu Beginn einmal kurz vorstellen?

Als Mischung aus Wirtschaftsingenieurin und Informatikerin liegt mir vor allen Dingen am Herzen, dass digitale Produkte einfach zu bedienen sind und den Menschen das Leben tatsächlich erleichtern. Ich habe mit diesem Anspruch viele Projekte und Initiativen in den Bereichen Digitalisierung, Innovation und Leadership vorangetrieben und verantwortet. Grundsätzlich ist es mir wichtig, Dinge anzupacken und selbst bewegen zu können. Auch gesellschaftlich geht es gerade mehr denn je darum, loszulegen und nicht einfach nur Zaungast zu sein.

 

Welche Erfahrungen hast du bei der Gründung Deines Start-ups gemacht?

Es war ehrlicherweise schon zu Schulzeiten mein Traum, ein eigenes Unternehmen zu gründen. Anfang des Jahres war es dann soweit und ich habe mich unter die Gründer gewagt. Das Wichtigste ist es aus meiner Sicht, tatsächlich die ersten konkreten Schritte zu unternehmen. Durch das Tun entstehen plötzlich ganz unerwartete Chancen und Möglichkeiten. So bin ich beispielsweise mit einer Beratungsgesellschaft für digitale Transformation gestartet. Ich habe mich dann schon nach kurzer Zeit entschlossen, parallel dazu ein eigenständiges Tech-Produkt zu entwickeln. Mit meinem Team konnten wir so in wenigen Monaten mit AIVITEX – Videoanrufe unterstützt durch Künstliche Intelligenz und Augmented Reality – unser erstes Produkt auf den Markt bringen.

 

Wie hat sich der Lockdown in Bezug auf die Gründung ausgewirkt – Verzögerung oder „Jetzt erst recht“?

Das Timing für eine Unternehmensgründung war durch den Corona-Lockdown wahrscheinlich nicht perfekt. Auf der anderen Seite entstand aus dieser unsicheren Gesamtsituation noch mehr das Bedürfnis, nicht mehr abzuwarten, sondern selbst aktiv zu werden.

Darüber hinaus wurde durch COVID-19 auch unserem neuen Produkt ein Stück weit der Weg geebnet: Videoanrufe wurden über Nacht völlig normal, um weiterhin mit Verwandten, FreundInnen und KollegInnen in Kontakt zu bleiben. Da unser AI/AR gestützter Videoanruf für den Kundendienst und die Remote-Unterstützung in vielen unterschiedlichen Branchen eingesetzt wird, kann ich in Zeiten von Corona nun per Video Hilfe erhalten und muss niemanden mehr in meine Wohnung lassen, denn ein Video sagt mehr als 1.000 Worte.

 

Was waren die ersten Maßnahmen, die Du ergriffen hast?

Da wir als Team komplett remote arbeiten und auch über Europa verteilt sind, mussten wir eigentlich wenig an unserer Zusammenarbeit und Arbeitsweise umstellen, das war ein großer Pluspunkt.

 

Worauf konntest Du zurückgreifen, was musstest Du ad hoc einführen und was hättest Du gegebenenfalls noch gebraucht?

Die NeukundInnenakquise läuft durch abgesagte Messen und Kongresse natürlich anders. Und die ersten Produktdemos haben wir dann auch einfach und effizient per Videokonferenz durchgeführt.

 

Wie hast Du in dieser Zeit kommuniziert?

Über Telefon, Video und Messengerdienste, wie zuvor auch schon.

 

Wie hast Du die Motivation deiner Peers in Bezug auf die Gründung im Kontext des Lockdowns erlebt?

Definitiv Aufbruchstimmung: Es ist vieles im Umbruch – lasst uns das als Chance gemeinsam nutzen! Außerdem: Es muss sich etwas bewegen, was die weitere Digitalisierung in Deutschland angeht. Lasst uns selbst mit anpacken und gestalten!

 

Welches sind für Dich die wichtigsten „Lessons learned“?

Mit Blick auf den Lockdown: Ein Team, das sich schon lange kennt und zusammengearbeitet hat, kann ohne Probleme remote arbeiten. Kundenbeziehungen komplett neu aufzubauen und MitarbeiterInnen zu rekrutieren ist remote schwieriger.

Was die Gründung meines eigenen Unternehmens betrifft, sehe ich natürlich den Unterschied zwischen Großkonzern und Start-up: Wir bauen etwas von Grund neu auf. Das bedeutet vor allem, schnell zu sein und sehr nah am Markt für die Kunden ein Produkt zu entwickeln. Da wir noch ein relativ kleines Team sind, verantwortet jeder eine breite Themenlandschaft. Das macht unglaublich viel Spaß.

 

Wie schätzt Du die Auswirkungen von COVID-19 auf die Transformation der Arbeitswelt, insbesondere auf die Gründerszene, ein?

Die wirtschaftlich unsichere Zukunftsperspektive macht es einigen Start-ups bestimmt schwer, weitere Finanzierungen zu erhalten. In der jetzigen Zeit zu gründen erfordert deshalb umso mehr Mut – aber es lohnt sich! Auf der anderen Seite hat COVID-19 uns gezeigt, wie viel Veränderung kurzfristig möglich ist, und vor allen Dingen auch, wie viel Digitalisierung. Das ist eine echte Chance für Start-ups.

 

Wie ist Deine Meinung zu folgenden Leadership-Themen?

 

Wie gelingt die Zusammenarbeit im Team Deiner Meinung nach am besten, wenn man sich nicht persönlich sieht?

Gute Stimmung und anspruchsvolle Ziele – wir schaffen das gemeinsam!
Man sollte genügend Raum für virtuelle „Kaffeepausengespräche“ lassen. Außerdem ist es von großer Relevanz, wertschätzend zu kommunizieren – gerade auch bei schriftlichem Instant-Messaging. In den auf Effizienz getrimmten Kollaborationsmedien geht das schnell komplett unter. Wichtig ist auch der tägliche Kontakt: Bei uns ist das tatsächlich ein abendlicher Check-in, bedingt durch die Lebenssituationen des Teams. Ich war schon immer überzeugt davon, dass MitarbeiterInnen und KollegInnen ihr Bestes geben, wenn Sie Beruf und Familie optimal vereinbaren können.

 

Welche positiven Auswirkungen könnten die gewonnenen Erfahrungen zukünftig auf das Thema „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ haben?

Momentan sehe ich eigentlich eher, dass durch die Corona-Krise vor allen Dingen Frauen um Jahrzehnte zurückgeworfen werden. Dennoch ermöglicht das Remote-Arbeiten viel mehr Flexibilität bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Diese Erkenntnis ist aber für mich nicht neu. Ich habe immer schon durchweg gute Erfahrungen mit remote arbeitenden MitarbeiterInnen gemacht.

 

Wie kann die hybride und flexible Arbeitswelt längerfristig funktionieren, ohne zur individuellen Überforderung – gerade von Frauen – zu führen?

Gute Frage. Digitalisierung von Schulen ist bestimmt nicht das Allheilmittel, aber eine gut ausgebildete, mit digitalen Arbeitsmitteln ausgestattete Lehrerschaft kann an dieser Stelle sicher einen erheblichen Beitrag leisten. Aus diesem Grunde habe ich mich parallel zur Start-up-Gründung auch für die weitere Digitalisierung von Schulen engagiert und bin sehr froh, dass in den letzten Wochen doch einiges in Bewegung gekommen ist. Grundlegende Digitalisierung ist nicht nur etwas für den Krisenmodus, sondern sollte natürlicher Bestandteil des Schulalltags unserer Kinder sein.

 

Wie kann aus dieser Situation Innovation geschaffen werden?

Auch wenn das abgedroschen klingt: Jede Krise bietet auch Chancen. Und wir haben jetzt die einmalige Chance, das Thema Digitalisierung und mobiles Arbeiten neu zu denken, was uns auch im Rahmen der Globalisierung und des Fachkräftemangels ganz neue Möglichkeiten eröffnet.

 

Sie haben Fragen? Dann sprechen Sie uns gerne an:

Dr. Anna-Maria Karl | E-Mail: anna-maria.karl@kienbaum.de | Tel.: +49 711 72 72 17-57

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