Making the Difference – Top-Leader im Portrait #16

„Nur Menschen machen Unternehmen erfolgreich“

Alte Strukturen aufbrechen um die Zukunft zu gestalten: Alexander von Preen treibt die Transformation des Sportfachhandels mit Leidenschaft voran. Wie der CEO von Intersport Deutschland das Unternehmen transformiert hat, wie er Mitarbeitende weiterentwickelt, wer ihn in seinem Führungsstil geprägt hat und warum er sich auch im Ehrenamt als Präsident des Handelsverband Deutschland, HDE, letztlich ebenfalls im Fokus für die Menschen im Handel einsetzt, darüber spricht er im "Making The Difference" Interview mit Kienbaum Director Iris Tippkaemper (IT) und Andreas Venzke (AV).

IT: Wir wollen heute mit dir über mehrere Punkte sprechen, vor allem über Transformation und Unternehmenskultur. Und welche Implikationen diese Themen auf Führung haben. Doch zunächst einmal: Wie geht es der Intersport nach den Jahren der Coronapandemie?

Das Geschäftsjahr 2021/2022 war mit einem Wachstum von über 25 Prozent das bisherige Rekordjahr der Unternehmensgeschichte. Das ist angesichts der nach wie vor herausfordernden Rahmenbedingungen umso mehr herausragend. Viele Menschen haben während der Corona-Pandemie neu entdeckt, wie gesundheitsfördernd Sport ist. Daher haben wir uns positioniert und gesagt: Sport ist systemrelevant. Aber auch unabhängig von Corona haben wir uns vor mehr als vier Jahren sehr intensiv mit den Veränderungen des Sport- und Fachhandels und der Industrie beschäftigt. Der Aufsichtsrat hatte mich beauftragt, eine neue Strategie für Intersport zu erarbeiten.

Zu welchen Ergebnissen bist du gekommen?

Wir müssen uns in dieser sehr stark fragmentierten Handelslandschaft mit einer Handelsstrategie differenzieren, die ein Uptrading möglich macht. Hinzu kommt: Vor allem jüngere Menschen erwarten vom Sportfachhandel mehr als nur den Vertrieb. Sie wollen ein Einkaufserlebnis mit sehr guter Beratung, den besten Produkten und eine ganzheitliche Betreuung. Das war der Ausgangspunkt, um die „BEST IN SPORTS“-Strategie zu entwerfen und sie innerhalb der Organisation zu verankern. Mittlerweile sind wir hier mit der Fortsetzung der Strategie „BEST IN SPORTS: UP FOR FUTURE“ auf einem starken und klaren Wachstumskurs. Wir wollen jeweils stärker wachsen als der Markt und bis 2030 die Nummer 1, der größte und nachhaltigste Omnichannel-Sportfachhändler in Deutschland sein.

Wie habt ihr die bisherige Transformation geschafft?

Durch eine ganzheitliche Corporate Identity. Im Oktober 2021 haben wir die vertraglichen Rahmenbedingungen geschaffen und einen CI-Vertrag ausgerollt, der das Recht auf Führung der Marke beinhaltet. Zum 30.09.2022 haben im Verbund 800 HändlerInnen mit 1.700 Standorten, davon allein an 463 Standorten mit unserem CI-Brand Markenbildung betrieben. Es bedurfte sehr viel Überzeugungsarbeit und wir sind sehr froh, dass nun hohe zweistellige Millionen-Investitionen in den Markt gebracht werden, um die Marke Intersport weiter aufzuladen.

Kienbaum Interview mit Alexander von Preen

Wie lautet dein Zwischenfazit?

Wir sind überzeugend mit der besten Sportmarke gestartet. Das Uptrading und unser Fokus auf die Qualität der Dienstleistungen und Services haben sich bestens ausgezahlt. Aber wir sind noch auf dem Weg, da man eine Organisation wie Intersport nicht von einem auf den anderen Tag verändert. Denn wir sind eine Genossenschaft mit über 800 Eigentümern. Jeder einzelne Unternehmer muss auf diesem Weg mitgenommen werden. Mein Kredo ist: Menschen machen Unternehmen erfolgreich. Alle Prozesse und die Aufbau-Organisation, die dahinter liegt, dienen dazu, den Raum für Menschen zu geben, damit sie ihre Kompetenzen richtig ausspielen können.

IT: Wie stellt ihr sicher, dass das, was ihr in der Zentrale entwickelt, in der Fläche akzeptiert und am Ende des Tages entsprechend umgesetzt wird?

Wir haben sogenannte Expertenboards aufgesetzt, in denen wir die EigentümerInnen nach Kompetenzschwerpunkten eingebunden haben: Intersport Running, Trading, Teamsport etc. Darüber holen wir das Feedback zu bestimmten fachlichen und handelsspezifischen Fragestellungen ein. Zusätzlich haben wir einen Regionalbeirat ins Leben gerufen, der mit Händlern besetzt ist. Diese Händler beraten uns als Vorstand und Management und geben Feedback und Ideen. Mir ist der persönliche Kontakt sehr wichtig. Bis heute habe ich fast 300 HändlerInnen persönlich besucht und fast jede Woche kommen neue hinzu. Ein großer Aufwand, aber ich bin überzeugt, dass man nur durch die Nähe zu den EigentümerInnen auch die Herausforderungen auf der Fläche erkennt.

AV: Du sagtest, dass Menschen Unternehmen erfolgreich machen. Gibt es dann auch eine Transformation der Unternehmenskultur bei Intersport?

Ja, wir sind mittendrin. Unsere genossenschaftliche Organisation ist über Jahrzehnte gewachsen. Da mussten wir zunächst wieder die Neugier bei den Menschen wecken, Veränderungen nicht als Gefahr, sondern als Chance zu verstehen. Dafür haben wir ein „Playbook“ erarbeitet, in dem wir die Mitarbeitenden vermitteln, welches Mindset und Werte uns angesichts von Veränderungen aufgrund der großen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Megatrends voranbringen. Wir haben dabei sehr praktisch gleichzeitig die passenden Instrumente an die Hand gegeben, diese Veränderungen erfolgreich durchlaufen zu können. Dialog, Austausch und Transparenz sind bei uns sehr wichtig. Nur so wird Vertrauen geschaffen und auch erhalten. Wir lernen jeden Tag voneinander. Alle Mitarbeitenden können in gemeinsamer Zusammenarbeit mit der Personalentwicklung und den Führungskräften ihre Potenziale weiter entfalten.

Wie würdest du die neue Kultur bei Intersport zusammenfassen?

Alle sind eingeladen, ihre Beiträge zu leisten unter Berücksichtigung der individuellen Interessenschwerpunkte und Kompetenzen. Die eigenen Fähigkeiten sollen auch weiterentwickelt werden. Lebenslanges Lernen ist für uns zentral.

AV: Die VUCA-Welt, in der wir uns bewegen, beeinflusst uns alle und verändert den persönlichen Führungsstil. Welchen Führungsstil zeigst du bei Intersport?

Als ich zum Unternehmen stieß, war Intersport eine Organisation, die eher durch Top-Down-Führung und patriarchisches Verhalten geprägt war. Es gab zum Beispiel einen abgetrennten Vorstandsbereich und Vorstandsparkplätze, wie man es aus Konzernen kennt. Diese habe ich sofort entfernen lassen. Auch Wertschätzung untereinander und Respekt, z.B. der verschiedenen Rollen, war nicht so ausgeprägt, wie ich mir das erhofft hatte. Jeder hat ein Stück weit für sich gearbeitet. Das hemmt eine Organisation, die man auf Dienstleistungen fokussieren möchte. Die Tür zum Vorstandsbereich war ab sofort geöffnet und ich habe eine Duz-Kultur eingeführt, aber nicht mit Zwang. Damit haben wir einige Hürden überbrückt. Wir achten außerdem beim Recruiting sehr darauf, dass wir vielfältige Teams aufbauen und entwickeln. Vielfalt ist eine Chance! Dabei geht es uns nicht nur darum, dass wir mehr Frauen in Führungspositionen bekommen, sondern auch um verschiedene Perspektiven für die Lösung unserer Aufgaben. Das war ein echter Wandel im Umgang miteinander, in der gegenseitigen Wertschätzung und der Diskussionskultur.

AV: Gibt es eine Vision, wie du die Themen „Diversity“ und „Inclusion“ in der Organisation weiter entwickeln möchtest?

Ich bin ein sehr starker Verfechter davon, dass man kompetenzbasiert agiert. Bei den Führungspersönlichkeiten bei Intersport gibt es viele junge, weibliche Führungskräfte, für die häufig die Frage im Raum steht, wann für den nächste Karriere-Schritt der richtige Zeitpunkt ist. Wir wollen ihnen die Zeit geben, den nächsten Schritt zu gehen, wenn sie dazu bereit sind – nicht nur was Kompetenzen betrifft, sondern auch der Wille zur Verantwortungsübernahme auf der nächsten Karriere-Stufe. Ich höre genau zu, wenn jemand sagt, ich brauche noch ein Jahr. Dann halte ich die Position auch über einen Zeitraum frei und orchestriere die Arbeit anders. Das kostet im gesamten Team viel Kraft, aber da sind wir sehr erfolgreich unterwegs.

AV: Mit welchen Herausforderungen musst du aktuell in deinem Bereich umgehen?

Der Ukraine-Krieg ist eine Katastrophe. Wir haben eine Schwestergesellschaft in der Ukraine, und natürlich gab es Produktionsausfälle, aber ohne nachhaltige Auswirkungen auf den Handel in Deutschland. Wir bieten Flüchtlingen über jobsforukraine.net Möglichkeiten an, Arbeitsplätze bei Intersport zu finden. Unsere Strategie „Best in Sports“ aus 2018 mit einer Entwicklung vom rein stationären Vertrieb hin zu einer kundenorientierten Omnichannel-Organisation wird uns in der Fortsetzung „BEST IN SPORTS: UP FOR FUTURE“ bis 2030 weiterhin beschäftigen. Der Weg ist noch nicht abgeschlossen, aber auf einem sehr, sehr guten Weg und wir haben sehr wichtige Meilensteine erreicht.

Ein ungebrochener Trend im Handel ist weiterhin der E-Commerce. Was unternehmt ihr in dieser Richtung?

2030 werden wir 50 Prozent unserer Produkte im Großhandel  unserer Waren über Online-Kanäle in unserer Genossenschaft vertreiben. Jedes bestellte Produkt wird von den UnternehmerInnen der Genossenschaft zugestellt, die davon direkt profitieren. Wir steuern das Ganze nur aus.

Also wird der Online-Handel ein wichtiger Schwerpunkt der kommenden Jahre sein?

Unsere DNA ist stationär. Wenn die GenossInnen bei Intersport eins richtig gut können, dann ist das der stationäre Handel. Meine tiefste Überzeugung ist es aber, dass wir allen HändlerInnen die Chance bieten müssen, zwischen verschiedenen Vertriebskanälen zu wählen und diese zu kombinieren. Wir als Dienstleistungszentrale haben die Verpflichtung, unseren Eigentümern alle Vertriebswege zu ermöglichen! Das ist unser Job.

Der Wechsel zwischen online und offline ist nicht ganz einfach, oder?

Die Herausforderung für die HändlerInnen ist, auch im Online-Geschäft ein Gefühl für den Einkauf zu bekommen und dafür, was sie im Internet abverkaufen und abschließen können. Uns als Intersport geht es darum, dass die GenossInnen als Omnichannel-Händler unsere Dienstleistung auch online an den Kunden bringen können – beispielsweise Beratung über mobile Endgeräte oder virtuelle Rundgänge durch die Shops. Das wird extrem gut angenommen und bringt auch durch Click & Collect wieder Frequenz auf die Fläche.

IT: Welche Händler werden deiner Meinung nach auf lange Sicht von der Digitalisierung profitieren und welche werden es nicht schaffen?

Ich bin überzeugt, dass das Thema Brand eine große Rolle spielt. Alle Organisationen und HändlerInnen, die ihre Unternehmen unter einem Brand vereinen können, werden auch darüber hinaus erfolgreich sein. In den kommenden drei Jahren wird sich sehr viel verändern. Die kleinen HändlerInnen werden einfach keinen Zugang mehr zu begehrter Ware haben.

Viele Einzelhändler finden keine Nachfolger für ihre Geschäfte. Welche Erfahrungen macht ihr bei Intersport?

Das Thema Nachfolge ist bei uns präsent. Wir haben in unseren Reihen starke und erfolgreiche Persönlichkeiten. Diese Unternehmertypen neigen manchmal dazu, nicht genügend Platz zu lassen, für die, die nachkommen. Deshalb haben wir das Thema „Young Generation“ aufgesetzt: Wir laden die Söhne und Töchter unserer HändlerInnen ein, führen sie in einem Netzwerk zusammen und bringen ihnen Themen wie Produktentwicklung, Nachhaltigkeit und Unternehmensführung nahe. Wir verstehen uns als Scharnier zwischen EigentümerInnen, HändlerInnen und jungen Menschen, die sich in diese Rollen hineinentwickeln können.

AV: Es gibt demnach noch mehr als genug zu tun bei Intersport. Warum hast Du Dich außerdem noch dazu bereit erklärt, für das Ehrenamt des Präsidenten des HDE zu kandidieren?

CTA Executive Search Making The Difference Interview SerieZunächst einmal: ich wurde von der Findungskommission des HDE angesprochen, ob ich mir das vorstellen kann, dieses Ehrenamt zu übernehmen und zu kandidieren. Ich habe zu dieser Frage dann sehr genau überlegt, mich mit Vertrauten ausgetauscht und auch unseren Aufsichtsrat um sein OK ersucht sowie mit meinen Vorstandskollegen dazu gesprochen. Mein Herz schlägt für den Handel und ich hatte mich bereits seit Jahren auch übergeordnet ehrenamtlich für den Handel eingebracht – sei es im Wirtschaftsrat oder Bundesfachkommission Nonfood-Retail oder im Präsidium des ZGV. Meine Erfahrungen in der Corona-Pandemie haben mir umso mehr gezeigt, dass es sich lohnt, mit einer starken Stimme Interessen zu bündeln und sich einzusetzen. Dabei geht es um Dialog, um Vermittlung. Hier kann ich wertvolle Erfahrung aus der erfolgreichen Transformation von Intersport einbringen.

Für mich steht fest: Handel insgesamt ist etwas Wertvolles, Handel hat eine zentrale, wirtschaftliche und soziale-gesellschaftliche Bedeutung in Deutschland. Ich bin sehr stolz, dass mich die Delegiertenversammlung des HDE am 16. November 2022 zu ihrem neuen Präsidenten gewählt hat. Und ich möchte mich in den nächsten Jahren dafür einsetzen, dass der Handel – ganz unabhängig von Größe und Branche und Vertriebsform – adäquate Rahmenbedingungen erhält, die seiner Bedeutung entsprechen. Wesentliche Themen sind dabei für mich die Förderung des Unternehmertums im Handel, Nachhaltigkeit und Digitale Transformation sowie attraktive Innenstädte. Es geht dabei um alle Menschen, letztlich um die gesamte Gesellschaft in Deutschland, für die sich über 3 Millionen Mitarbeitende im Handel Tag für Tag einsetzen und ihr Bestes geben. Der Handel ist einer der größten Arbeitgeber in Deutschland. Der Handel ist ein zentraler Ort der Begegnung, den es in die Zukunft zu entwickeln gilt!

AV: Spannen wir nochmals den Bogen zum Beginn des Gespräches. Wie bist du der Leader geworden, der du heute bist? Was oder wer hat dich beeinflusst?

Als Unternehmer und Persönlichkeit hat mich sicherlich Jochen Kienbaum geprägt. Ich war ja 23 Jahre in der Beratung tätig und durfte bei Kienbaum vom Junior-Berater bis zum Gesellschafter Geschäftsführer die komplette Entwicklung durchlaufen. Ich habe Auslandsgesellschaften gründen und erfolgreich aufbauen dürfen. Das war der Grundstein für alles, was danach kam.

Welche Menschen haben dich noch geprägt?

Was Unternehmensführung und Kulturentwicklung betrifft, hat mich Andreas Krebs (Die Illusion der Unbesiegbarkeit) beeinflusst. Er hat eine sehr erfolgreiche Karriere im deutsch-amerikanischen Pharmaumfeld gemacht und ist ein Business-Angel für viele Start-ups. Von ihm habe ich gelernt, was es heißt, Kulturen aufzunehmen und auch zu verändern. Aber natürlich hat mich auch meine Frau geprägt, die mir immer den Rücken freigehalten hat, damit ich diese Entwicklung überhaupt nehmen konnte. Sie ist derjenige Mensch, bei dem ich mich auch abseits der ganzen unternehmerischen Tätigkeiten öffnen kann. Sie verleiht mir Bodenhaftung. Und schließlich auch die Menschen, die ich im Laufe meiner Karriere kennen und schätzen gelernt habe. Es sind die Menschen, die unser Leben erfolgreich machen.

AV: Alexander, vielen Dank für das Gespräch.

 

Zur Person:

Dr. Alexander v. Preen (57) ist seit November 2018 CEO der INTERSPORT Deutschland eG, einem Teil der größten mittelständischen Verbundgruppe im globalen Sportfachhandel. Außerdem gehört der 57-Jährige dem Verwaltungsrat als stellvertretender Vorsitzender der übergeordneten Intersport International Corporation IIC an. Im Interview mit [IT] und [AV] spricht v. Preen über den langen Prozess, eine Genossenschaft mit über 800 Mitgliedern und mehr als 1.700 Fachgeschäften fit für die Zukunft zu machen, und darüber, welche Herausforderungen auf diesem Weg zu meistern sind und warum er zusätzlich bereit war, das Ehrenamt als Präsident des Handelsverband Deutschland, HDE, zu übernehmen.

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