“Es ist nie ein Alleingang. Mir ist es wichtig, dass wir Akzente gemeinsam setzen.”

“Es ist nie ein Alleingang. Mir ist es wichtig, dass wir Akzente gemeinsam setzen.”

Die Entwicklung der Gerresheimer AG von einem traditionsreichen Unternehmen auf dem Weg zur globalen Spitze ist sowohl organisatorisch als auch kulturell eine Herausforderung. Katja Schnitzler, Global Senior Vice President People & Organization der Gerresheimer AG, spricht im Interview mit Kienbaum Partner Alexander Mischner-Kuck über die Transformation ihres Bereichs von traditioneller HR zu einer mit der Unternehmensstrategie verbundenen, ganzheitlichen "People & Organization"-Funktion. Lesen Sie, wie mutige Innovation und Diversität die Zukunft des Unternehmens prägen und welche Rolle starke Allianzen dabei spielen.

Frau Schnitzler, Sie sind seit Mitte 2023 globale Personalverantwortliche der Gerresheimer AG. Für Sie ist das gleichzeitig die erste wirklich dezidierte HR-Funktion nach Stationen im Internal Audit, Operational Excellence oder im Bereich Sustainability. Erlauben Sie mir die „ketzerische“ Frage zum Anfang: Warum ist die Wahl auf Sie gefallen?

Heutzutage ist es mehr denn je wichtig, dass HR beziehungsweise bei uns „People & Organisation“ ganz eng mit der Unternehmensstrategie verzahnt ist und auf diese auch einzahlt. Worum geht es in Essenz in dieser Funktion? Es geht darum, die richtigen menschlichen Kompetenzen in eine Organisation zu bringen, zu entwickeln und zu halten, aber auch die Organisationsfähigkeiten weiterzuentwickeln, die das Unternehmen heute und in der Zukunft benötigt. Dafür braucht es ein starkes Verständnis für das Unternehmen selbst, für das Geschäftsmodell, die Wertschöpfung, die beteiligten Akteure und Charaktere und eine sehr gute Vernetzung im Unternehmen. Ich glaube es spielt eine große Rolle, die richtigen Allianzen zu haben, gerade in einem sehr komplexen und bislang sehr dezentralen Unternehmensumfeld wie bei uns, um eben wirklich Dinge vorantreiben und umsetzen zu können. Diese Voraussetzung hatte ich.

Ich bin seit 15 Jahren bei Gerresheimer in ganz vielen verschiedenen Positionen unterwegs gewesen, zunächst in der internen Revision, später im Operational Excellence-Bereich. In diesen Funktionen habe ich das Unternehmen an allen Standorten, in allen Prozessen mit allen Akteuren, also vom Lagerarbeiter bis zum Vorstand viele Jahre kennen lernen können und war auch in vielen Gremien und Themen eingebunden. Dadurch habe ich ein starkes Netzwerk und einen starken Rückhalt im Unternehmen. Es war eine sehr bewusste Entscheidung, die Position intern zu besetzen und meine operative Erfahrung mit dieser Funktion zu verknüpfen.

Die Gerresheimer AG ist ein sehr traditionsreiches Unternehmen, Sie feiern im nächsten Jahr Ihr 160-jähriges Bestehen, manche Standorte haben sogar eine noch längere Historie. Gerresheimer hat lange Zeit Glasflaschen für die Getränkeindustrie produziert, heute verstehen Sie sich nach eigener Angabe als „Globaler go-to-Partner für Pharmazie, Gesundheit, Wellness und Biotech“. Das ist eine ziemliche Reise. Wie haben Sie diesen Wandel während ihrer 15-jährigen Unternehmenszugehörigkeit selbst im Zeitraffer erlebt?

Es war wirklich eine spannende Reise und sie geht weiter.  Wir waren vor der Jahrtausendwende einer der größten Bier- und Wasserflaschenhersteller in Europa. Später wurde das Portfolio ausgeweitet und Gerresheimer adressierte erstmals mit speziellen Flaschen, Behältern und Injektionsfläschchen aus Glas die Pharmabranche, später auch die Kosmetikbranche. Das Produktportfolio des Unternehmens ist in einer Phase von Investments und Divestments quasi umgebaut worden hin zu unserem heutigen Pharmafokus. Wir sind nach wie vor auch Lieferant von Primärverpackungen aus Glas und Kunststoff für die Kosmetik-, Lebensmittel- und Getränkeindustrie, aber über 80 % unserer Umsätze generieren wir heute mit Produkten, Systemen und Lösungen für die Pharma- und Biotechbranche.

Es gab eine Phase nach 2010, die sehr stark geprägt war von den Themen Effizienz, Operational Excellence und Optimierung und in der das Unternehmen wenn überhaupt nur moderat gewachsen ist. Der Fokus lag eher auf Optimierung und nicht auf Weiterentwicklung des Geschäftsmodells und neuen Produktinnovationen.

Katja Schnitzler, Global SVP People & Organization, Gerresheimer AG

Katja Schnitzler ist seit Mitte 2023 globale Personalverantwortliche der Gerresheimer AG.

In welcher Phase befinden Sie sich jetzt?

Und jetzt sind wir gerade mitten in einer Transformationsphase hin zu einem umfassenden System- und Lösungsanbieter für die Pharma- und Biotechbranche. Seit dem Vorstandswechsel in 2018 nutzen wir viel stärker die Synergien unseres umfassenden Portfolios und setzen auf Innovation. Wir haben heute High Value Solutions Produkte und Lösungen im Portfolio für höchste Anforderungen der Pharma- und Biotechbranche, wir entwickeln Lösungen gemeinsam mit unseren Kunden bis zur Marktreife. Damit sind wir viel früher Teil des Entwicklungs- und Wertschöpfungsprozesses unserer Pharmakunden und ganz anders mit ihnen verzahnt. Wir sind eben nicht nur der Zulieferer eines Packmittels, sondern ein System- und Lösungsanbieter für verschiedenste innovative Therapieformen und -applikationen. Wir beschäftigen uns heute mit digitalen Geschäftsmodellen für die Therapiebegleitung, mit intelligent vernetzten Drug Delivery Systemen und eigenen Plattformen. Das ist eine ganz andere Rolle, die hoch spannend ist und bei den Mitarbeitenden auch ganz viel positive Energie erzeugt.

Sie sprechen von Innovation. Nach meinem Eindruck ist das auch im Außenauftritt erkennbar. Auf mich wirkte das Unternehmen von außen betrachtet lange Jahre sehr angestaubt. Ihr gegenwärtiger Auftritt hingegen ist in positiver Hinsicht kaum wiederzuerkennen. Was ist passiert? Wie sind Sie dahin gekommen, wo Sie heute sind?

Wir kommen aus einem klassischen B2B-Produktionsumfeld: bodenständig, man ist sehr gut in dem, was man tut. Mit der Transformation, die sehr stark von dem aktuellen Vorstand und dem Führungsteam geprägt ist, kann man sehen, was passiert, wenn man Zukunft groß und visionär denkt. Mit Leadership auf der einen Seite, aber auch ganz viel Empowerment auf allen Unternehmensebenen. Dann entsteht große Energie für Veränderung und das spiegelt sich auch in unserem Außenauftritt.

Diesen von unserem neuen Vorstand begonnenen Strategieentwicklungs- und Umsetzungsprozess nennen wir „formula g“, also unsere Gerresheimer-Formel für die Zukunft. Die Unternehmensspitze hat den Prozess initiiert, aber er ist aus dem Unternehmen heraus entwickelt und konsequent auf alle Unternehmensbereiche übertragen worden. In diesem Prozess haben wir meiner Meinung nach gelernt, „groß und mutig “ Zukunft zu denken, also sich zu lösen von einer inkrementellen Planung. Visionär, aber mit ganz vielen konkreten Umsetzungsprojekten.  Da steckt sehr viel Arbeit drin, viel Energie, viel Veränderung. Es ist schön, dass Sie diesen Wandel auch von außen sehen. Dieser Mut zum Wandel stärkt das Selbstbewusstsein und befeuert den Transformationsprozess damit weiter.

Woran merken Sie, dass Sie hinsichtlich „formula g“ auf einem guten Weg sind?

Wir sind im fünften Jahr dieses Strategieentwicklungs- und -kaskadierungsprozesses. Es ist ganz interessant, den Verlauf zu sehen. Am Anfang stand die Entwicklung der großen Ziele. Das klang für viele, die Gerresheimer schon lange kennen, fast so wie Wunschträumerei. Heute passiert das alles bereits und allen ist klar: wir müssen und dürfen ganz viele Dinge neu denken und fassen. Das sieht man einerseits in unserem Wachstum, an unseren Zahlen, an unseren Portfolio, unseren Innovationen und an unserem Auftritt und unserer Wahrnehmung. Aber andererseits auch daran, mit welchen Themen und Projekten Kunden heute auf uns zukommen, mit welchen Kontakten wir dort sprechen. Es ist hochspannend, jetzt zu definieren, wie diese Reise weitergehen kann und wie die nächsten Schritte aussehen werden.

Welche wesentlichen Herausforderungen ergeben sich aus dem Transformationsprozess für People & Organization? Wie schaffen Sie es, die freigesetzten Energien, von denen Sie gerade sprachen, richtig und produktiv zu kanalisieren?

Auf der einen Seite geht es darum, unsere Traditionen und historischen Stärken zu wertschätzen und weiter mitzunehmen. Auch wenn wir in viele neue Themenfelder einsteigen, ist die klassische Glas- und Kunststoffherstellung immer noch unsere Basis, auf der wir aufbauen. Es ist wichtig für die interne Kommunikation, das zu berücksichtigen.

Auf der anderen Seite brauchen wir auch heute schon ganz andere Mitarbeitendenprofile an den Produktionsstandorten. Heute geht es dort auch um Themen wie Digitalisierung oder Industrie 4.0, und ganz neue Produkte werden hergestellt. Gerade im P & O-Bereich müssen wir uns damit beschäftigen, welche Fähigkeiten und welche Ausbildungen wir brauchen. Zudem stehen wir angesichts unserer ambitionierten Wachstumspläne vor der Frage, wie sich die Organisation in ihrem „Backbone“, in ihrer bisherigen dezentralen Grundstruktur verändern muss, so dass wir die Synergien wirklich heben können? Und ein weiterer, ganz wichtiger Aspekt: Wie kann man die freigesetzten Energien in wirklich jede Ecke des Unternehmens tragen? Da ist schon eine große Herausforderung. Wie erreiche ich alle Mitarbeitenden und übersetze die Inhalte auch für die Kolleginnen und Kollegen in der Produktion? Das erfordert viel Arbeit und auch die passenden Kanäle.

Das ist aus meiner Sicht ein ganz wesentlicher Punkt. Es ist das eine, ein begeistertes Team aus Führungskräften um sich zu scharen, die alle das gleiche Ziel haben und mit sehr viel Energie und Ambition darauf hinarbeiten. Und es ist etwas ganz anderes, das in die Breite und in die Verästelung einer Organisation zu tragen. In eine Organisation, die es gewohnt ist, lange Jahre Dinge ganz anders zu machen, und die sich auf einmal fragt „ok, warum jetzt genau das, und was bedeutet das für mich, was bringt es mir?“

Ja genau. Und das ist nicht leicht, das ist eine große Herausforderung. Diese Übersetzungsarbeit ist enorm wichtig. Dazu gibt es gute Ansätze, zum Beispiel Workshops mit den Mitarbeitenden in den Teams, in denen herausgearbeitet wird, was das für das Werk konkret bedeutet, und der Gesamtzusammenhang verdeutlicht wird. Das muss dann weiter runtergebrochen werden in die einzelnen Abteilungen. Da sind wir auf dem Weg

Was ist Ihr persönlicher Akzent dabei, was ist der „Katja Schnitzler way of doing things“?

Also grundsätzlich ist der „Katja Schnitzler way of doing things“, Themen mit Herz, Kopf und Hand anzugehen – also leidenschaftlich, strukturiert und pragmatisch. Dabei bin ich klar ein „Beziehungsmensch“. An meiner Vita kann man sehen, dass ich mich immer wieder in neue Themen eingearbeitet habe. Diese Themen dann erst einmal zu verstehen, strategisch aufzugliedern und Prioritäten zu setzen, dafür eine Community zu finden und Allianzen zu schmieden – das ist mein Weg.

Für meine aktuelle Rolle in People & Organization ist es essenziell, dass man sich permanent mit allen Stakeholdern synchronisiert und die Themen mit dem Geschäft verknüpft. Dieses ständige Synchronisieren und Abstimmen ist zeitaufwendig und anstrengend, aber bringt richtig Power in den Prozess. Wenn man gemeinsam sagt „that´s the way we go together”, dann ist es der auch. Es ist nie ein Alleingang. Mir ist es wichtig, dass wir die Akzente gemeinsam setzen. Ich bin jetzt mit meinem Team in den P&O-Strategieprozess eingestiegen. Was mir von Anfang an sehr wichtig war, ist tatsächlich eine Neupositionierung unserer Funktion hinzubekommen – aus einer dezentralen zu einer wirklich globalen Funktion. Der Auftakt mit Signalwirkung war das „Rebranding“ von HR zu People & Organization. Ich glaube fest daran, dass Worte wirkungsmächtig sind: Weg vom alten „Human Resources“, was eigentlich auch nicht besonders wertschätzend ist gegenüber Mitarbeitenden, hin zu einem Mitarbeitenden zentrierten Verständnis. Damit einher geht aber auch unser Anspruch, mit am Tisch sitzen zu wollen, wenn es darum geht, die Organisation und die Organisationsstruktur zu formen und Impulse zu geben. Ich merke, wie das im Team ein ganz anderes Selbstbewusstsein und Lust am Gestalten erzeugt.

Auf dem beschriebenen Weg hat Gerresheimer auch seit vielen Jahren das eigene Wertegerüst, einen Wertekanon mit den folgenden Begriffen definiert: Teamwork, Verantwortung, Integrität, mutige Innovation und Exzellenz. Auf den ersten Blick wirken sie offen gestanden nicht besonders spezifisch und sind in vergleichbarer Form bei vielen Unternehmen zu finden. Wie kamen diese Werte bei Ihnen zustande? Und was macht diese Werte in Bezug auf die Gerresheimer AG so besonders und relevant?

Tatsächlich sind diese Werte schon vor dem aktuellen Strategieentwicklungsprozess entstanden. Und zwar nicht nur auf dem Papier in einem kurzen Prozess, sondern sie wurden mit vielen Stakeholdern gemeinsam aus dem Unternehmen heraus entwickelt. Im Anschluss gab es einen großen unternehmensweiten Roll-out. Im Rahmen des Strategieprozesses haben wir und schon nochmal  – Hand aufs Herz – die Frage gestellt: sind das die richtigen Werte? Reflektieren sie auch das, was wir in Zukunft sein wollen und wie wir diesen Weg gehen? Die Antwort war ein ganz klares „ja“.

Nehmen Sie zum Beispiel Teamwork. Wir kommen aus einer Dezentralität. Teamwork spielte eher im Kleinen, in den Abteilungen untereinander eine Rolle. In einer globalen Organisationsstruktur spielt das Thema eine riesengroße Rolle. Wir wollen Teams haben, die geschäftsbereichsübergreifend und funktionsübergreifend an Themen arbeiten. Oder nehmen Sie „mutige Innovation. Das ist ein Wert, der jetzt ganz zentral im Mittelpunkt steht. Wir beschäftigen uns damit, wie man Innovationskraft verstärken und wie man Innovationsprozesse ins Unternehmen bringen kann. Die Frage ist, wie wir jeden einzelnen dazu anregen können, den Status quo in Frage zu stellen und Dinge neu zu denken.

Mutige Innovation hat tatsächlich auch bei mir am stärksten verfangen. Das als Wert zu formulieren, ist außergewöhnlich und zeigt das Commitment des Unternehmens für den eingeschlagenen Weg. Sie haben es ganz am Anfang gesagt: es fehlte lange Zeit der Mut, aus dem bestehenden Portfolio mehr zu machen. Und die letzten 15 Jahre, die Sie auch begleitet haben, haben das komplett geändert.

Ja, das stimmt. Das spiegelt sich in ganz verschiedenen Bereichen wider. Wir erschließen uns beispielsweise neue Geschäftsfelder mit digitalen Lösungen, zum Beispiel für die Therapiebegleitung. Ein großer Bereich für mutige Innovation ist für mich das Thema Nachhaltigkeit. Wir wollen das Thema nicht nur irgendwie besetzen, weil die Anforderungen und der Druck von Investoren und Kunden steigen. Wir wollen Nachhaltigkeit neu denken – in der Produktentwicklung, indem wir unsere Prozesse hinterfragen und wie wir mit unseren Kunden zusammenarbeiten. Wenn Nachhaltigkeit wirklich integriert gedacht und angewendet wird, dann ist das ein ganz großer Treiber von Innovation und ein wertvoller Pfeiler in der partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit unseren Kunden.

Im Zusammenhang mit Werten ist auch häufig von Diversität die Rede. Was verstehen Sie unter Diversität und welche Rolle spielt selbige bei der Gerresheimer AG? In einem Unternehmen, das zum Beispiel einen dreiköpfigen, rein männlichen Vorstand hat.

Für mich hat Diversität viele Aspekte. Die zwei wichtigsten sind für mich persönlich eine Vielfalt an Persönlichkeiten, Meinungen und Charakteren, um mit möglichst vielen Blickwinkeln und möglichst wenig Voreingenommenheit auf Themen zu schauen und ganz viel Vielfalt in Entscheidungs- und Denkprozesse bringen zu können. Und die andere Seite ist für mich dieses „come as you are“, also zu sagen „everyone matters“ und wird gewertschätzt, so wie er/sie/es einfach ist.

Was bedeutet das konkret für Ihr Unternehmen?

CTA Executive Search Making The Difference Interview SerieZum einen stellen wir uns die Frage, wie wir kulturelle Offenheit fördern können, denn Diversität ist ein großer Blumenstrauß an Themen. Wir kommen insgesamt aus einem klassischen Produktionsumfeld, aus einem deutschen börsennotierten Unternehmen. Das heißt von der Historie her ist unsere Unternehmenskultur sehr männlich, sehr hierarchisch geprägt. Wie kann man so etwas öffnen, zumal wir auch international gewachsen sind und damit ganz viele Nationalitäten dazukommen sind?

Zum anderen ist die Frage, was wir wirklich aktiv steuern wollen. Hier gibt es für mich im Prinzip drei Aspekte, die man gut aktiv mit konkreten Maßnahmen und Initiativen steuern kann. Das ist Gender, das ist Alter und das ist Internationalität. Wir haben uns zum Beispiel das Thema „Woman Empowerment“ sehr stark auf die Fahnen geschrieben, weil das für uns gerade die größte Hebelwirkung hat. Wie können wir Frauen besser auf dem engen Arbeitsmarkt ansprechen und integrieren? Wie können wir Jobs so gestalten, dass sie machbar und vereinbar sind? Wie können wir ein familienfreundliches Unternehmen werden, auch im weiteren Sinne? Dafür haben wir, und das finde ich echt stark, unseren Strategieprozess auch auf das Thema Woman Empowerment angewandt. Der Vorstand steht komplett dahinter und betrachtet das als einen wichtigen Strategieprozess. Und wir gehen da jetzt sehr stark rein; nicht nur mit Networking und „wir bringen ein paar Frauen zusammen“, sondern wir schauen uns wirklich alle Hebel an.

Sie haben gerade einen aus meiner Sicht ganz wichtigen Punkt genannt, der häufig außer Acht gelassen wird. Es ist ja nicht damit getan, dass man beispielsweise sagt, wenn man 50% aller Führungspositionen mit Frauen besetzt hat, ist die Reise zu Ende. Es ist viel mehr wichtig, auch ein angstfreies Klima zu schaffen. Ein Klima, das Diversität zulässt und in dem Diversität auch seine volle Wirkung entfalten kann. Wie schaffen Sie es, bei der Gerresheimer AG ein solches Klima herzustellen?

Das ist definitiv kein einfacher Wandel, wenn man aus diesem klassischen Produktionsumfeld kommt, in dem häufig die Ausrede kommt: „Das ist halt Produktion, harte körperliche Arbeit, das ist nix für Frauen“. Man kann es trotzdem schaffen. Das hat für mich sehr viel damit zu tun, dass man auch neue Leute an Bord holt, die mit einer ganz anderen Selbstverständlichkeit auf dieses Thema schauen und gleichzeitig Fakten schaffen und zeigen: „Schau mal an, das geht!“ Und da sehe ich wiederum People & Organization als einen ganz wichtigen Treiber, das zu hinterfragen und in viele Prozesse zu integrieren. Zum Beispiel bei einem ordentlichen Talentmanagement und Nachfolgeplanung, bei der eben nicht nur Männer auf der Liste stehen.

Als Resümee und mit Blick in die Zukunft: wo wollen Sie in, sagen wir mal, fünf Jahren, mit People & Organization auf diesem Transformationsweg „formula g“ stehen?

Die „formula g“-Prozesse sind erst mal ausgerichtet bis 2028. Aber wir befassen uns jetzt schon mit der Zeit danach. Für People & Organization hat unser Zukunftsbild drei tragende Säulen. In der Säule „One Purpose“ geht es um unsere Unternehmenskultur, Führung, aber auch die Weiterentwicklung unserer Organisationsstruktur. Wir wollen am Ende eine Unternehmenskultur sehen, die Mitarbeitende befähigt, sie inspiriert und motiviert – eine Organisation, die den Wandel gestalten kann. Das ist kein statischer Zielzustand, sondern man muss immer den nächsten Schritt mitdenken.

Die Säule „One T.R.I.B.E“ ist das Akronym unserer fünf Werte, bei denen es um eine wirklich exzellente „Employee Experience“ geht – darunter  klassische Themen wie Mitarbeitendengewinnung, -bindung und -entwicklung.  Ganz wichtig dabei ist eine starke Talent-Pipeline mit entwicklungsfähigen Mitarbeitenden. Das hat was mit Qualifikation und Ausbildung und Weiterbildung zu tun und auch damit, als attraktiver Arbeitgeber sichtbar zu sein. Das ist für uns ein Thema, an dem wir uns im Rahmen der Initiative „Better Life for our Employees and Communities“ bereits arbeiten. Wie können wir ein Arbeitsumfeld schaffen, in dem der einzelne gesehen und wertgeschätzt, in seinen Fähigkeiten gefördert wird und diese auch aktiv einbringt?

Was wir brauchen, um all dies als starker strategischer Partner voranzutreiben und zu unterstützen ist die Säule „One P&O“, also die Transformation von P&O hin zu einer digital vernetzten und agilen Einheit. Das sind die Stoßrichtungen, an denen wir arbeiten, um unser Zukunftsbild zu erreichen.

Vielen Dank. Ich möchte gegen Ende des Gespräches nochmal ganz auf den Anfangspunkt zurückkommen. Gibt es eine herausragende HR-Persönlichkeit, an der Sie sich in Ihrem Tun in People & Organization orientieren und die Ihnen ein Vorbild ist?

Da gibt es ganz viele. Als relativer Neuling in diesem Thema beschäftige ich mich natürlich damit und lasse mich inspirieren. Es gibt viele spannende Persönlichkeiten, die genau für dieses neue People & Organization-Verständnis stehen. Fast noch wichtiger: es gibt ganz viele Persönlichkeiten, die die Wichtigkeit unseres Themas auf zentraler Ebene im Unternehmen proklamieren. Und zwar nicht aus der Funktion selbst, sondern aus dem Business heraus sagen, wir müssen da viel mehr tun. Es gibt wiederum viele, die sehr präsent sind in den sozialen Medien, aber für mich gibt es nichtsdestotrotz ein ganz klares, sehr persönliches Vorbild. Das ist Silke Otto, eine ehemalige Kollegin und mittlerweile langjährige Freundin, die bei uns P&O Development verantwortet hat. Sie ist heute als Managing Director der Wertefabrik beratend unterwegs und Expertin für Transformation und „Value-based Leadership“.

Warum sie?

Wir kennen uns schon sehr lange, und sie hat von Anfang an meine P&O Seele beflügelt und geprägt, meinen Weg begleitet und mich ermutigt, diesen Weg konsequent zu gehen. Sie hilft mir heute noch, mich zum einen als Gestalterin in der P&O-Welt zu hinterfragen, aber auch immer wieder, auf mich als Mensch zu fokussieren. So mache ich mir immer wieder aufs Neue bewusst, wofür ich stehe und was meine Schwerpunkte sind. Sie ist ein ganz toller Mensch, dem ich dankbar bin, der mich an dieses Thema herangeführt hat und immer wieder inspiriert.

Vielen Dank!

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