Kommunale Wirtschaft: Arbeitszeit wird immer flexibler

Kommunale Wirtschaft: Arbeitszeit wird immer flexibler

Eine aktuelle Kienbaum-Umfrage in Kooperation mit der DGFP unter 451 Unternehmen – darunter auch zahlreiche Unternehmen der Versorgungwirtschaft – zeigt: Angebote zur flexiblen Arbeitszeitgestaltung haben einen hohen Stellenwert in der HR-Politik der Unternehmen, um sich als attraktiver Arbeitgeber im Markt positionieren zu können. Auch mit der Vier-Tage-Woche beschäftigen sich einige Firmen.

Um es vorweg zu nehmen: Flexible Arbeitszeitmodelle sind in den befragten Unternehmen grundsätzlich weitestgehend Standard. Die Umfrage wurde von Kienbaum in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Personalführung (DGFP) unter 451 Unternehmen durchgeführt – darunter waren auch zahlreiche Unternehmen der Versorgungwirtschaft. Unterschiede bestehen in der spezifischen Form und in Abhängigkeit von der Arbeitnehmendengruppe.

So wird beispielsweise in insgesamt über 90 Prozent der Unternehmen die sogenannte Vertrauensarbeitszeit praktiziert, allerdings gilt diese primär auf den Leveln des Top- und des mittleren Managements. Im Fachkräftebereich dominieren dagegen die unterschiedlichen Formen der Gleitzeitarbeit. Auch Kurzzeit- beziehungsweise Jahresarbeitszeitkonten finden sich in erster Linie im Fachkräftebereich.

Verbreitung flexible Arbeitszeitformen, Quelle: Kienbaum Benefits Survey 2023

Verbreitung flexible Arbeitszeitformen, Quelle: Kienbaum Benefits Survey 2023

Bis zu 47 Tage unbezahlter Urlaub

Das zunehmende Bedürfnis nach einer verbesserten Work-Life-Balance haben viele Unternehmen erkannt und darauf reagiert: Bereits rund die Hälfte bietet ihren Mitarbeitenden – unabhängig vom Level – die Möglichkeit von längeren Sonderurlauben, Sabbaticals oder das Zeitansparen auf Langzeitkonten an. Weit verbreitet ist mittlerweile auch die Möglichkeit, unbezahlten Urlaub nehmen zu können.

Ob im Wege von echten Sabbatical-Modellen, Sonderurlauben beziehungsweise der Möglichkeit, unbezahlten Urlaub nehmen Arbeitszeit wird immer flexibler: Zeitung für kommunale Wirtschaft zu können: In Unternehmen, die entsprechende Angebote in ihrem Portfolio haben, können auf diese oder jene Weise zusätzlich zum bezahlten Urlaubsanspruch von in der Regel 30 Tagen – im Durchschnitt noch bis zu 47 Tage im Jahr (unbezahlter) Urlaub genommen werden.

Beschäftigung mit der Vier-Tage-Woche

Die aktuell vielfach diskutierte Vier-Tage-Woche unter Vollzeitbeschäftigung wird erst in wenigen Unternehmen praktiziert. 41 Prozent der befragten Unternehmen beschäftigen sich aber zumindest – mehr oder minder intensiv – mit den Möglichkeiten dieses Modells. Für die überwiegende Mehrheit (59 Prozent) ist deren Einführung jedoch definitiv kein Thema – insbesondere da die Sorge vor einer eingeschränkten Erreichbarkeit beziehungsweise vor einem Produktivitätsabfall besteht.

Von den Unternehmen, die die Vier-Tage-Woche zumindest in Erwägung ziehen, würde die weit überwiegende Mehrheit (60 Prozent) den Arbeitnehmenden die individuelle Entscheidung zwischen einer Vier- oder Fünf-Tage Woche überlassen. Bei der Frage nach der konkreten Art und Weise der Umsetzung wird der Ausgleich durch eine höhere tägliche Arbeitszeit an den verbleibenden vier Tagen (bei unverändertem Gehalt) eindeutig favorisiert.

Noch keine flächendeckende Arbeitszeiterfassung

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat im September 2022 entschieden, dass eine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung besteht. Wir haben die Unternehmen daher auch befragt, ob sie eine Zeiterfassung bereits praktizieren. In insgesamt 56 Prozent der befragten Unternehmen ist dies der Fall, 20 Prozent der Unternehmen befinden sich aktuell in der Planung zur Umsetzung der Folgen aus dem BAG-Urteil. Immerhin rund ein Viertel der Unternehmen hat bislang aber weder eine Zeiterfassung umgesetzt, noch ist diese – jedenfalls aktuell – in Planung.

Vor dem Hintergrund des jüngst bekannt gewordenen Referentenentwurfs zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales dürfte das Thema Zeiterfassung noch an Brisanz gewinnen.

Rechtliche Aspekte

Die rechtlichen Grundlagen für flexible Arbeitsmodelle können zunächst tarifvertraglicher, betriebsverfassungsrechtlicher oder arbeitsvertraglicher Natur sein. Im letzteren Fall liegen in der Regel allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) vor, die an den §§ 307 ff. BGB zu messen sind und somit insbesondere den Arbeitnehmer nicht unangemessen benachteiligen dürfen.

Zu beachten ist, dass bei fehlender gesetzlicher oder tariflicher Regelung die Einführung jeglicher Form flexibler Arbeitszeitmodelle, die die Lage und Verteilung der Arbeitszeit betreffen, nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG mitbestimmungspflichtig ist. Sofern tarifliche oder betriebliche Regelungen zur Arbeitszeit bestehen, sind diese durch den Arbeitgeber zwingend einzuhalten und Abweichungen sind allenfalls zu Gunsten der Arbeitnehmer zulässig.

Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes einhalten

Besonderer Beachtung bedarf zudem die Einhaltung der Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes, denn auch bei flexiblen Arbeitszeitmodellen ist der Arbeitgeber verpflichtet, insbesondere für die Einhaltung der täglichen Höchstarbeitszeit, der Ruhepausen und der Ruhezeiten zu sorgen.

Bei einer Zuwiderhandlung muss der Arbeitgeber mit einer Geldbuße oder sogar einer strafrechtlichen Verfolgung rechnen. Die Flexibilisierungsbedürfnisse in der Praxis können mit der Rechtslage durchaus kollidieren, z.B. kann es zum Konflikt mit der elfstündigen Ruhezeit kommen, wenn Arbeitnehmer ihre Arbeitszeit rund um Betreuungspflichten legen möchten.

Modelle für Arbeitszeitkonten

Bei den Modellen der Arbeitszeitkonten ist zwischen kurzfristigen Arbeitszeitkonten und langfristigen Ansparkonten zu unterscheiden. Während bei ersterem bei flexibler Verteilung ein vertragliches Arbeitsvolumen in der Regel jahresbezogen vereinbart wird, wird bei letzterem vereinbart, dass der Arbeitnehmer die über die Regelarbeitszeit hinausgehende Arbeitsstunden sowie gegebenenfalls auch bestimmte Geldwerte (z.B. Sonderzahlungen) anspart, um bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis und gleichbleibendem Einkommen zeitweilig aus dem Beruf auszusteigen (Sabbatical/Langzeiturlaub / Weiterbildung), vorzeitig in den Ruhestand einzutreten oder eine Verringerung der regelmäßigen Arbeitszeit zu finanzieren.

Bei den langfristigen Ansparkonten ist insbesondere eine wirksame Wertguthabenvereinbarungen i.S.d. § 7b ff. SGB IV erforderlich. Bei Einführung kurzfristiger Arbeitszeitkonten sind insbesondere die Vorgaben des § 2 MiLoG hinsichtlich Schriftform und Höchstgrenzen für den Ausgleichzeitraum und der einbringbaren Arbeitszeit zu beachten, soweit nicht sichergestellt ist, dass in jedem Monat der gesetzliche Mindestlohn für die tatsächlich erbrachten Arbeitsstunden entsprechend der gesetzlichen Fälligkeitsregeln ausgezahlt wird.


Dieser Artikel erschien ursprünglich als Gastbeitrag für die ZfK (Zeitung für kommunale Wirtschaft).