Im Gespräch mit Prof. Dr. Ulrich Lehner

Im Gespräch mit Prof. Dr. Ulrich Lehner

Die Kienbaum Board-Experten Dr. Dennis Kampschulte, Hans Ochmann und Dr. Sebastian Pacher treffen Prof. Lehner im Industrieclub Düsseldorf für eine Standortbestimmung zur Corporate Governance, der Veränderung von Aufsichtsratsarbeit und Erfolgsfaktoren zukünftiger Vorstandsarbeit im Kontext von Vorstandsvergütung, Nachhaltigkeit, gesellschaftlicher Verantwortung und Diversity.

Auch die Entwicklung einer zukunftsgerichteten Unternehmenskultur und die in diesem Zusammenhang entscheidende Bedeutung von Nachfolgeplanung und Vorstandsbesetzung als Kernaufgabe des Aufsichtsrats sind Thema des Gesprächs. Dabei eröffnen sich tiefe, aber zugleich pragmatische und mitunter kontroverse Einblicke aus jahrzehntelanger Verantwortung an der Spitze der deutschen Industrie.

Hier gelangen Sie direkt zu den einzelnen Themenschwerpunkten: Veränderung der Aufsichtsratsarbeit | Nachhaltigkeit und Stakeholder-Orientierung | Erfolgsfaktor Unternehmenskultur | Vorstandsbesetzung und Nachfolgeplanung

 

Veränderung der Aufsichtsratsarbeit: „Meine feste Überzeugung ist: Wenn Menschen wirklich das Wichtigste sind, das wir haben, dann sollten wir neben einem Finanzausschuss und einem Strategieausschuss auch einen Personalausschuss im Aufsichtsrat haben.“

 

Prof. Dr. Ulrich Lehner

Prof. Dr. Ulrich Lehner, einer der profiliertesten und erfahrensten Aufsichtsräte in Deutschland, ist seit 2008 Vorsitzender des Aufsichtsrats der Deutschen Telekom AG, zuvor war er von 2000 bis 2008 Vorstandsvorsitzender bei Henkel KGaA.

Uns fällt auf, dass die Kritik an Aufsichtsräten in Deutschland zunehmend lauter wird. Häufig lautet der Vorwurf, Aufsichtsräte seien zu weit vom operativen Geschäft entfernt, um die Arbeit der Vorstände konsequent zu überwachen und zu begleiten. Der Fall Wirecard war hier sicher Wasser auf die Mühlen der Kritiker, die ja mittlerweile auch grundsätzliche Kritik an der Überlebensfähigkeit des zweigliedrigen Corporate Governance Systems äußern. Wie sehen Sie das?

Die Frage ist doch, was „das System“ überhaupt ist. Wenn man einfach ins Aktiengesetz schaut, dann muss man sich erst einmal darüber bewusst werden, dass da die Aufgaben von Vorstand und Aufsichtsrat in Deutschland definiert sind und dass sich diese Definition von anderen Ländern unterscheidet. Im internationalen Vergleich ist unser dualistisches System also zunächst einmal eine Besonderheit. Es wird viel über eine „Konvergenz“ der Corporate Governance Systeme gesprochen. Das ist aber aus meiner Sicht gar nicht entscheidend. Ich glaube, wir brauchen vor allen Dingen Klarheit bezüglich der Regeln, die wir haben, und wir müssen von Zeit zu Zeit über diese Regeln sprechen. Aber ich glaube, wir sollten die Regeln – so wie sie sind – kennen und akzeptieren und leben. Und die sehen eben vor, dass die Geschäftsführungsverantwortung beim Vorstand liegt und die Überwachung oder Kontrolle beim Aufsichtsrat. Durch die Vorschrift aus dem Aktiengesetz, dass es einen Katalog von zustimmungspflichtigen Geschäften geben muss, wird dieser Grundsatz etwas aufgeweicht. Denn damit liegt doch ein Teil der Geschäftsführungskompetenz und der Gestaltungsverantwortung beim Aufsichtsrat, der aufgerufen ist, sich mit diesen für die Unternehmen wichtigsten Themen – denn das sind ja Katalog-Themen letztendlich – zu beschäftigen. Insofern wird die klare Dichotomie, wie sie im Gesetz eigentlich beschrieben ist, im Gesetz selbst wieder aufgehoben. Die Frage ist, wie man das lebt, aber der Grundgedanke ist eine klare Trennung zwischen Geschäftsführungsverantwortung und Kontrolle und diesen halte ich für richtig.

Das bedeutet, dass da, wo wir zuletzt ein Fehlverhalten von Vorständen oder ein Versagen der Kontrolle beobachten konnten, ein an sich funktionierendes System nicht ausreichend gelebt wurde?

Ja, es gibt immer wieder Fehlverhalten, das ist nicht auszuschließen, aber das sollte nicht dazu führen, dass regelmäßig neue Regeln eingeführt werden. Ich halte die bestehenden Regeln für absolut ausreichend. Man muss sie nur bewusst leben und sich natürlich fragen, welche Lehren man aus den eigenen Fehlern und aus den Fehlern anderer ziehen kann.

Fehlverhalten hat ja auch immer etwas mit Charakter zu tun. „In der Krise zeigt sich der Charakter des Menschen“ soll Altkanzler Helmut Schmidt gesagt haben. Würden Sie diesem Zitat – gerade auch vor dem Hintergrund der aktuellen Corona-Krise – zustimmen?

Ja, ich glaube, diesen Satz kann man in abgemilderter Form durchaus verallgemeinern. Ich glaube, es gibt kaum Manager für alle Jahreszeiten. Jeder hat spezifische Fähigkeiten und es gibt Menschen, die können mit Chancen besser umgehen als mit Krisen oder mit Risiken. Es gibt auch Leute, die sind in stabilen Phasen hervorragend geeignet, ein Unternehmen zu führen, und andere sind besonders gut geeignet in Situationen, in denen Ambiguität und Unklarheit herrschen. Deswegen ist es gerade in der Krise eine enorm wichtige Aufgabe, dass Aufsichtsräte die Situation in ihren Besonderheiten begreifen und dass sie dafür sorgen, dass es ein Management gibt, das für die jeweilige Situation besonders geeignet ist. Für Unternehmen gibt es nichts Schlimmeres, als wenn Chancen nicht wahrgenommen werden.

Wie haben Sie die letzten Monate – in denen sich ja auch die Ausübung eines Aufsichtsratsmandats durch die Pandemie sicher massiv verändert hat – erlebt? Gibt es da eine Anekdote, die Sie teilen können?

Das spannendste Erlebnis war für mich die virtuelle Hauptversammlung und dabei insbesondere das fehlende Echo der Aktionäre. Natürlich hören und sehen Sie die Menschen nicht, zu denen sie sprechen. Und an Stellen, an denen im Saal gewöhnlich ein Applaus aufbrandet, passiert absolut nichts. Jürgen Hambrecht ist im Juni im Rahmen der Hauptversammlung – nach Jahrzehnten bei BASF – mit einer tollen Rede als Aufsichtsratsvorsitzender verabschiedet worden. Normalerweise wären die drei-, vier-, fünftausend anwesenden Aktionäre aufgestanden und hätten geklatscht. Aber so passierte nichts. Es ist schon spannend, eine Veranstaltung mit so vielen Teilnehmern zu erleben, bei der man die Sozial-Dynamik überhaupt nicht spürt. Auch für mich ist das Leben in der Krise zu einem Leben mit ständigen Videokonferenzen geworden und das ist schon eine besondere Art der Kommunikation. Ich glaube, insgesamt hat es dazu beigetragen, dass der Informations- und Meinungsaustausch rationaler, effizienter und effektiver geworden ist. Aber der Austausch ist eben auch reduzierter, weil bestimmte Nuancen nicht zum Ausdruck kommen, weil sie unterdrückt werden oder weil sie medienfremd sind. Auch die Möglichkeit, den Mitarbeitern einfach mal auf die Schulter zu klopfen – im Guten wie im schlechten Sinne –, die fehlt natürlich.

Auch unabhängig von Corona verändert sich momentan ja enorm viel. Wir scheinen in einer Zeit zu leben, in der alles immer schneller wird. Wie erleben Sie diese Beschleunigung und wie gehen Sie mit ihr um?

Dass wir eine zunehmende Beschleunigung haben ist klar. Dazu tragen schon allein die verbesserten Kommunikationsmöglichkeiten bei. Wie es früher immer so schön hieß: „postwendend“. Aber die Post brauchte immer mindestens noch zwei Tage und heute ist es ja anders. So hat sich der Begriff von Geschwindigkeit verändert. In der Physik haben wir die Ursachenkette zwischen Weg und Geschwindigkeit und Zeit und Beschleunigung. Beschleunigung liegt immer eine Kraft zugrunde. Die spannende Frage ist: Was ist die Kraft oder was sind die Kräfte, die nachhaltig dazu führen, dass die Beschleunigung zunimmt? Ich glaube, es ist wichtig, zu erkennen – und zwar im Allgemeinen und im Speziellen, also in diesem Fall geopolitisch und hinsichtlich des zugrundeliegenden Geschäftsmodells –, wie sich die relevanten Kräfte verändern. Diese Zusammenhänge muss man begreifen, damit man sein Geschäft auf Basis eines Verständnisses der Umwelt steuern kann.

Dr. Sebastian Pacher und Prof. Dr. Ulrich Lehner

Der Schlüssel liegt also für Sie darin, die Ursachen der Beschleunigungsprozesse zu analysieren und zu verstehen?

Mein Lieblingssatz heißt: „Jeder gute Henkelaner, wenn er morgens auf dem Weg zur Arbeit ist, fragt sich: Was stelle ich heute an? Was machen wir heute anders als gestern? Was ist in der Welt passiert, das mich zum Wandel zwingt?“ Insofern ist Wandel auch eine Frage der Umweltbeobachtung: Gibt es da wirklich große Brüche? Gibt es vorhersehbare Brüche? Denn Extrapolation ist einfach, Disruption vorherzusehen oder zu spüren ist dagegen ein ganz anderes Thema. Deswegen sind die Beschäftigung mit dem, was passieren kann, und die Vorbereitung darauf so wichtig. Gute Vorstandsarbeit zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass man kontinuierlich notwendige Restrukturierungen vornimmt, die Organisation laufend anpasst, so dass Veränderungen im ganz großen Stil dann idealerweise gar nicht mehr erforderlich sind.

Führt die Beschleunigung denn aus Ihrer Sicht auch zu einer Veränderung der Aufsichtsratstätigkeit?

Ich glaube ja. Die Zeiten, in denen man mit vier oder fünf im Voraus angesetzten Aufsichtsratssitzungen pro Jahr auskam, sind vorbei. Die Dynamiken sind so anders und deutlich, dass eine größere Flexibilität in der Arbeit her muss. Das heißt, es muss viel mehr Ad-hoc-Sitzungen und auch Ad-hoc-Ausschüsse geben. Das führt dazu, dass bestimme Themen eher in der Projektarbeit angegangen und die entsprechenden Projektgruppen bei Nicht-Bedarf wieder aufgelöst werden.

Wie stellen Sie fest, welche Themen ggf. auch kurzfristig stärker durch den Aufsichtsrat fokussiert werden müssen?

Ein guter Aufsichtsrat betrachtet sich laufend selbst und führt nach jeder Sitzung eine Manöver-Kritik durch. Ich lade immer alle Mitglieder ein, sich sofort bei mir zu melden, wenn sie ein Störgefühl haben. Der Aufsichtsrat muss sich kontinuierlich damit beschäftigen, ob er sich in der Lage fühlt, die anstehenden Themen zu behandeln. Ich glaube, diese Bewertung sollte man nicht für die jährliche oder regelmäßige Selbstevaluierung aufsparen. Deswegen ist es auch so wichtig, dass regelmäßig informeller Austausch und Offsites stattfinden, bei denen man sich auch außerhalb der Tagesordnung über die Arbeit austauschen kann. Gerade diese informellen Zusammentreffen prägen die Aufsichtsratskultur und verbessern die Arbeit im Gremium spürbar.

Hat sich denn die Aufsichtsratskultur, um diesen Begriff aufzunehmen, über die Zeit aus Ihrer Sicht verändert?

Das Miteinander hat sich über die Jahre deutlich verändert. Während es früher so war, dass vorwiegend der Aufsichtsratsvorsitzende gearbeitet hat, ist es heute so, dass die Gremien als Ganzes funktionieren müssen. Das ist schlicht auch die Erwartung der Mitglieder. Es wird zum Beispiel gar nicht mehr gerne gesehen, wenn der Aufsichtsratsvorsitzende sofort die Lösung eines Problems vorstellt und erwartet, dass diese als solche von allen akzeptiert wird. Nehmen Sie das Beispiel Vergütungssysteme: In früheren Zeiten hätte der Aufsichtsratsvorsitzende sich – mit oder ohne Unterstützung – ein System ausgedacht, präsentiert und hätte nach der Präsentation gefragt: „Ist das okay? Das ist doch wohl okay!“ Ich glaube, heute ist es üblicher, gerade bei schwierigen Themen jedem Aufsichtsratsmitglied noch einmal die Gelegenheit zu geben, darüber nachzudenken und seinen Beitrag und seine Meinung einzubringen. Erst danach kann entschieden werden.

Würden Sie sagen, dass in Aufsichtsräten kollaborative, dialogorientierte Ansätze – auch in Bezug auf den Führungsstil des Vorsitzenden – zunehmen?

Aus meiner Sicht ist das so. Früher war die Erwartungshaltung die, dass der Aufsichtsratsvorsitzende vordachte. Im Gesetz steht, dass der Aufsichtsratsvorsitzende die Arbeit koordiniert; nicht mehr, aber auch nicht weniger. Dazu gehört natürlich auch eine gewisse Koordinationsfähigkeit. Die Erwartung der einzelnen Mitglieder ist heutzutage allerdings dergestalt, dass sie sich einbringen können. Das ist deutlich anders als früher. Daher glaube ich, dass sich der Stil insgesamt stark hin zur Kollaboration entwickelt hat.

Gleichzeitig erleben wir aber auch, dass in manchen Aufsichtsräten große Unterschiede zwischen den einzelnen Mitgliedern bestehen, zum Beispiel bei der Einbindung in Entscheidungen oder im Hinblick auf die Versorgung mit Informationen.

Das ist ein ganz spannendes Thema. Wir haben natürlich gewaltige Informationsasymmetrien. Zum einen gibt es den Aufsichtsratsvorsitzenden, der regelmäßig Zugang zu den meisten Informationen – auch außerhalb der Sitzungen – hat, zum Beispiel im Jour-Fixe mit dem Vorstandsvorsitzenden oder durch den direkten Austausch mit den unterschiedlichen Vorstandsmitgliedern. Dann gibt es die Ausschussvorsitzenden, die über ihr jeweiliges Ausschussthema bestens informiert sind. Dann kommen die Ausschussmitglieder und erst dann die übrigen Aufsichtsratsmitglieder, die in keinem Ausschuss sind und keinen Vorsitz innehaben. Dass da ein Informationsgefälle vorhanden ist, ist ganz klar. Das wirft natürlich auch die spannende Frage auf, wie die Ausschussarbeit in die Gesamtarbeit eingebracht wird. Ich halte es zum Beispiel für vernünftig, wenn der Aufsichtsratsvorsitzende nicht Ausschussvorsitzender ist, sondern – um die Vielfältigkeit der Meinungen und Kenntnisse einzusammeln – dass die Ausschussvorsitze auf möglichst viele Köpfe verteilt werden. Meine Meinung ist: Jeder Ausschuss sollte einen anderen Vorsitzenden haben und das sollte – außer wenn es explizit geboten ist – nicht der Aufsichtsratsvorsitzende sein. Auch die Frage, wie aus den Ausschüssen heraus an das Gremium berichtet wird, ist wichtig. Mal angenommen ein Ausschuss behandelt ein Sonderthema und spricht dann eine Empfehlung für den Aufsichtsrat aus. Dann ist meine Erwartung, dass der Aufsichtsrat eine Zusammenfassung des Themas, der Kriterien, nach denen es behandelt wurde, und auch der Ableitung der Konklusion, die zur Empfehlung geführt hat, erhält.

Veränderungen betreffen ja immer auch die Mitarbeiter in den Unternehmen. Befassen sich Aufsichtsräte aus Ihrer Sicht ausreichend mit Personalthemen, wie zum Beispiel mit der Wandlungsfähigkeit von Mitarbeitern oder mit der Nachfolgeplanung des Vorstands?

Wir bei der Deutschen Telekom, um ein Beispiel zu nennen, sind wahrscheinlich eines der wenigen Unternehmen, die einen Personalausschuss haben. Meine feste Überzeugung ist: Wenn Menschen wirklich das Wichtigste sind, das wir haben, dann sollten wir neben einem Finanzausschuss und einem Strategieausschuss auch einen Personalausschuss im Aufsichtsrat haben. Das Thema Wandel und die nötigen Reaktionen auf neue Anforderungen, die die Fähigkeiten von Mitarbeitern betreffen, werden in diesem Personalausschuss wirklich intensiv behandelt. Damit ist der Aufsichtsrat automatisch immer voll in diese Themen involviert. Die langfristige Nachfolgeplanung des Vorstands ist für mich eines der Kernthemen für den Aufsichtsrat. Das Spannende hierbei ist ja, dass viele glauben, die Suche nach einem Nachfolger fange erst dann an, wenn der aktuelle Amtsinhaber geht. Sie beginnt jedoch schon deutlich früher, denn der Vorstandsvorsitzende sollte idealerweise bereits 20 Jahre vorher im Haus sein und keinesfalls erst gesucht werden, wenn der aktuelle Amtsinhaber sich dem Ruhestand nähert.

 

 

Der Trend zur Nachhaltigkeit und zur Stakeholder-Orientierung: „Nachhaltiges Bemühen fängt für mich da an, wo Gewinnverzicht stattfindet.“

 

Unternehmen werden heute von allen Seiten mit Forderungen nach zum Teil gravierenden Veränderungen konfrontiert: Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Diversität, um nur einige der großen Themen zu nennen. Es vergeht kein Tag, an dem nicht einem Unternehmen vorgeworfen wird, mit den eigenen Veränderungen zu langsam zu sein. Wie geht man mit solchen Situationen um?

Mit den Vorwürfen geht man so um, wie man mit Vorwürfen umgeht. Man nimmt sie ernst oder nicht ernst. Man muss zunächst einmal fragen: Von welcher Seite kommen sie? Insofern sind das offene Ohr und die Bereitschaft zum Gespräch mit relevanten Dialogpartnern zwingend. Ich glaube, im Kern geht es darum, dass gute Unternehmensführung – und deswegen ist sie ja so schwierig – darin besteht, dass sich das Unternehmen mit allen relevanten Segmenten seines Umfelds in einem ausbalancierten Zustand befindet. Und davon gibt es eine ganze Reihe: Beschaffungsmarkt, Kundenmarkt, Finanzmarkt, der allgemeine Meinungsmarkt usw. Das Dilemma ist, dass die Erwartungen, die an ein Unternehmen gestellt werden, regelmäßig höher sind als die, die das Unternehmen erfüllen kann oder will. Mit Erwartungslücken kann man schlecht leben und deshalb müssen diese gemanagt werden, damit sie sich im Idealfall am Ende auflösen. Man kann entweder die Erwartungen verändern oder man kann sein Handeln verändern. Aber man muss immer Sorge dafür tragen, dass die Erwartungslücke am Ende bei null liegt.

Was ist aus Ihrer Sicht der Grund dafür, dass das Thema Corporate Social Responsibility im Aufwind ist? Gibt es eine veränderte Erwartungshaltung der Gesellschaft gegenüber Unternehmen?

Das Shareholder-Value-Denken gibt es ja nun schon lange. Das begann in den USA schon in den 1960ern und ist dann spätestens Mitte der 80er auch in Deutschland angekommen. Auch bei uns gab es dann auf einmal den „Mr. Shareholder Value“ und manche waren richtig stolz darauf, sich mit diesem Titel zu schmücken. Aber die Frage ist natürlich: Was definiert man denn als Shareholder-Value? Viele haben das nicht verstanden und haben den Bogen überspannt. Und das hat dann auch dazu geführt, dass das Pendel in die andere Richtung ausgeschlagen hat, was in einer starken Debatte über CSR gemündet hat. Aber was heißt denn eigentlich CSR? Sehen Sie sich die einzelnen Buchstaben einmal an. Ich habe immer aus Spaß gesagt: Was ist denn eigentlich Deine SR als Bürger? Denn alle zeigen ja immer mit dem Finger auf die Unternehmen und sagen „Das ist „Eure“ Social Responsibility“. Jeder muss seiner Verantwortung in der Gesellschaft gerecht werden. Aber das „S“ ist in vielen Fällen falsch verstanden worden, nämlich als karitativ und nicht als gesellschaftlich. Ich verstehe das „S“ immer so: Definiere Deine Rolle in der Gesellschaft und werde dieser Rolle gerecht. Und dann lautet die alles entscheidende Frage: Was ist die Rolle eines Unternehmens in der Gesellschaft?

Gehen wir weiter zum „R“, also zur Responsibility. Das „R“ hat in den letzten Jahren einen unheimlichen Bedeutungswandel erfahren. Es war – auch nach der Definition der EU-Kommission – nie eine gesetzliche Verpflichtung, sondern basierte auf Freiwilligkeit. Aber wir erleben zurzeit, dass gerade in Bezug auf das „R“ aus weichem nunmehr hartes Recht wird und dass die Verpflichtungen der Unternehmen immer größer werden. Das findet auch seinen Niederschlag in den Environmental und Social Governance-Themen, also in der ESG-Berichterstattung und in der Notwendigkeit, ESG-Ziele in die Vorstandsvergütungssysteme aufzunehmen. Sie merken, dass wir da wieder zu der für mich zentralen Frage kommen: Nämlich der nach der Zielfunktion eines Unternehmens. Nach welchen Kriterien oder mit der Verfolgung welcher Ziele führe ich ein Unternehmen? Ich bedauere, dass im neuen Corporate Governance Kodex diese Diskussion nicht aufgegriffen worden ist.

Wie hätten Sie sich die Diskussion im Kodex denn gewünscht?

Der Kodex ist ursprünglich aus schlecht verstandenen Shareholder-Value-Überlegungen geboren worden. Er hatte primär eine Kommunikationsfunktion für den Finanzplatz Deutschland und richtete sich klar an Aktionäre und Investoren. Dann kam der Rückschlag des Pendels zur Stakeholder-Idee. Hier nimmt man meiner Meinung nach eine falsche Sortierung vor, wenn man die Aktionäre auf die gleiche Ebene stellt wie die Arbeitnehmer, die Kunden, die Lieferanten und die sonstigen am Unternehmen Interessierten. Ich glaube, dass Shareholder-Value in Wirklichkeit nur dann erreicht werden kann, wenn alle am Unternehmen Beteiligten ihren fairen Anteil bekommen haben. Erst dann bleibt übrig, was wir Shareholder-Value nennen. Die Shareholder-Interessen stehen nicht auf der gleichen Stufe wie die anderen Interessen. Das widerspricht vollständig unserem gesellschaftsrechtlichen Verständnis und unserem Rechtsverständnis. Nehmen wir als Beispiel einmal die Idee, dass die variable Vergütung von Vorständen voll in Aktien anzulegen wäre, die ja anfangs auch einmal im neuen Corporate Governance Kodex stand. Das ist eine lupenreine Verfolgung des Shareholder-Value-Prinzips, die in mitbestimmen Aufsichtsräten zu Spannungen führen muss.

Das Thema ESG wird ja momentan auch stark von der Investorenseite getrieben. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?

Auch ESG hat ja wieder verschiedene Komponenten. Am Anfang der Debatte gab es Untersuchungen, die trivialerweise zu dem Ergebnis kamen, dass besser geführte Unternehmen – Stichwort Governance – profitabler seien. Das ist so, als wenn Sie sagen würden, „wenn es kälter wird, ziehe ich mich wärmer an.“ Hier muss man nicht lange überlegen und ich habe insofern hohes Verständnis dafür, dass man mit den Investoren über das „G“ spricht.

Beim „E“ bin ich mir nicht ganz sicher. Durch die Presse geistert die Aussage, dass man mit grünen Anlagen mehr verdiene als mit weniger grünen. Aber für mich muss Nachhaltigkeit immer einen Preis haben. Nachhaltiges Bemühen fängt für mich da an, wo Gewinnverzicht stattfindet. Alles andere, also zum Beispiel die Reduzierung von Abfall oder die Reduzierung von Wasserverbrauch, das sind Win-Win Situationen, die jeder betreibt. Das ist für mich aber kein Beitrag zur Nachhaltigkeit, weil es aus höchst einfachen Gewinnmaximierungs- oder Gewinnerhöhungs-Absichten erfolgt. Ich bin auch kein großer Freund von „Green Financing“, weil da aus meiner Sicht die eigentliche Kernaufgabe des Finanzsektors durch eine andere überlagert wird. Beim „E“ kommen aber auch die gesellschaftlichen Erwartungen bezüglich der unternehmerischen Tätigkeit zum Ausdruck. Und die haben sich ganz sicher geändert. Bei alldem muss man natürlich immer schauen, wie die anderen Aspekte des Wirtschaftens berücksichtigt werden, denn am Ende müssen wir natürlich wettbewerbsfähig sein.

Das „S“ – wie Social – ist für mich auch selbstverständlich, wenn „S“ hier „der Mitarbeiter“ bedeutet. Somit sind alle drei ESG-Bestandteile für mich klar gegeben. Neu sind die Berichterstattung und die Rechenschaftsabgabe in den Dimensionen, wie sie heute gefordert sind. Früher gab es – wenn überhaupt – nur Finanzberichterstattungen. Der Einzelkaufmann zeigte niemandem seine Bücher, es sei denn, er brauchte einen Kredit von der Bank. Darin zeigt sich das gestiegene Interesse daran, wie Unternehmen wirtschaften, und das ist zu beachten und zu bewerten.

Glauben Sie, dass sich die Art, wie ein Unternehmen geführt wird, durch die Berücksichtigung von ESG-Zielen in der Vorstandsvergütung verändern lässt?

Ich glaube, hier liegt ein ganz großes Missverständnis oder ein falsches Menschenbild vor. Ich habe bisweilen den Eindruck, als gelte die Vermutung, dass das Vergütungssystem das einzige System ist, welches das Vorstandsverhalten steuert. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich mich morgens beim Rasieren gefragt hätte, wie mein Incentive System aussieht und dass ich meinen Tagesplan danach ausgerichtet hätte. Es gibt wichtigere Systeme im Unternehmen, die es steuern: Strategische Planung, mittelfristige Budgetplanung und weitere Vorgaben sonstiger Art. Und das brutalste Incentive Tool ist die Kündigung. Wenn ich im Vorstand sage: „Das Unternehmen wird unter folgenden Bedingungen geführt, andernfalls musst Du gehen“, dann brauche ich das nicht ins Vergütungssystem zu schreiben. Die Erwartungen an das Vergütungssystem sind überladen mit der Vermutung, dass jeder Vorstand bloß der Karotte – also dem Geld – hinterherläuft und keine sonstigen Steuerungsinstrumente im Unternehmen greifen. Außerdem bewegen wir uns hier im ganz großen Spannungsfeld zwischen „Mach´s einfacher“ und „es muss alles reglementiert sein.“ Ich wäre ein großer Freund einer fixen Vorstandsvergütung mit Ermessungszuschlag und Spielraum für Sondervergütung.

 

 

Erfolgsfaktor Unternehmenskultur: „Unternehmenskultur darf man nicht dem Personalvorstand überlassen.“

 

Der vielzitierte Satz „Culture eats strategy for breakfast“ von Peter Drucker stellt die Bedeutung von Unternehmenskultur für den Unternehmenserfolg in den Vordergrund. Ist Kulturarbeit ein zentrales Thema der Vorstandsarbeit oder spielt es eher in der medialen Aufarbeitung im Sinne von Imagebildung eine Rolle?

Ich finde, das ist eines der fundamentalsten Themen, die eine Unternehmensführung angehen muss. Man muss ganz deutlich die Frage diskutieren: Welche Kultur wollen wir in einem Unternehmen haben? Ich möchte das einmal bipolar formulieren: Wollen wir eine nette Lebensgemeinschaft sein, bei der es Freude macht, dazuzugehören, oder sind wir – um den anderen Pol zu nennen – eine reine Leistungsgesellschaft? Jedes Unternehmen muss sich fragen: Wo genau positionieren wir uns auf diesem Spektrum, welche Konsequenzen hat die konkrete Positionierung und wie wird sie durch konkrete Gestaltungsinstrumente umgesetzt? Wo kommen wir her, was wollen wir sein, wie wandelt sich das Menschenbild der Leute, die wir attrahieren möchten? Das alles sind zentrale Fragen, die nicht unbeachtet bleiben dürfen. Man kann eine Unternehmenskultur an vielen Dingen festmachen; an einheitlichen Krawatten oder Dienstmarken, daran, was gefeiert wird, oder wie die Incentive-Systeme aufgebaut sind, aber man muss dafür sorgen, dass all diese kleinen Bausteine, die eine Unternehmenskultur ausmachen, genau auf die beschlossene Positionierung ausgerichtet sind. Ich glaube, Unternehmenskultur darf man nicht dem Zufall überlassen und man darf sie auch nicht dem Personalvorstand überlassen. Unternehmenskultur ist Chefsache. Die spannende Frage ist nur: Wie bekommt man die Unternehmenskultur mit…

…und wie verändert man sie?

Der Aufsichtsrat trifft ja regelmäßig den Vorstand; das ist seine Schnittstelle zum Unternehmen, doch der berichtet maximal auf Basis von Mitarbeiterbefragungen, wie es um die Stimmung im Unternehmen steht. Deswegen lautet die Problemstellung: Wie kriegt der Aufsichtsrat mit, wie die Unternehmenskultur, die Gegenstand eines Beschlusses war und die gelebt werden soll, tatsächlich aussieht? Das ist extrem schwierig, besonders dann, wenn die Realität ganz anders aussieht als vom Personalvorstand dargestellt.

Das ist eine spannende Perspektive! Der Vorstand ist eigentlich das Gate für den Aufsichtsrat, um sich ein Bild des Unternehmens zu machen. Gibt es aus Ihrer Sicht eine Entwicklung dahin, dass Aufsichtsräte durchaus am Vorstand vorbei in die Unternehmen gehen und sich selbst ein Bild machen, oder sollte das eher nicht so sein?

Das ist ein vielschichtiges Thema. Schon im Rahmen der Nachfolgeplanung sollte sich der Aufsichtsrat ein Bild von der nächsten Ebene machen und sollte dafür beispielsweise auch von Zeit zu Zeit an Firmenveranstaltungen teilnehmen. Dabei sollte er aber im Hintergrund bleiben, denn schlussendlich ist es ja so, dass der Vorstand die Gesellschaft führt und der Aufsichtsrat in der Geschäftsführung eigentlich nichts zu suchen hat. Außerdem bietet sich der informelle Teil von Veranstaltungen für dieses Vorhaben deutlich besser an als der formelle.

Ich nutze zum Beispiel immer die Gelegenheit, wenn ich einen Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat verabschiede. Dann sage ich immer „Du bist den ganzen Tag im Betrieb unterwegs, zu Dir kommen die Leute, wenn es Probleme gibt. Wenn es etwas zu berichten gibt, dann komm bitte zu mir und erzähl es mir, damit ich weiß, wie sich der Vorstand aus der Perspektive des Factory-Floors verhält.“ Das ist sozusagen mein Versuch, mitzubekommen, wie die Stimmung im Unternehmen aussieht. Als ich noch Vorsitzender in der Geschäftsführung von Henkel war, bin ich regelmäßig zum Werkarzt gegangen und habe ihn gefragt, wie die Krankheitszahlen aussehen, ob daran neue Stressfaktoren erkennbar sind und wie die Leistungsdichte aussieht. Ich habe darüber auch sehr oft mit den Betriebsräten gesprochen und war selbst oft im Betrieb und habe auch mal Nachtschichten mitgemacht, damit man ein Gefühl dafür bekommt, wie die Realität eigentlich aussieht. Es ist zum Beispiel faszinierend zu sehen, wie groß in manchen Unternehmen die Anzahl der Leiharbeitskräfte ist. Sind die Teil der Unternehmenskultur oder nicht? Die Tatsache, dass man in erheblichem Umfang Leiharbeiter beschäftigt, ist ja selbst auch schon ein Teil der Unternehmenskultur und kann schnell ein Gefühl von „Wir gehören dazu und Du gehörst nicht dazu“ prägen. Da muss man zum Beispiel darauf achten, ob die Leiharbeiter an Belegschaftsversammlungen teilnehmen und in welcher Weise sie in Firmenfeiern involviert sind. Ich glaube, es ist extrem wichtig, dass man die Hand direkt am Puls hat. Kultur ist einfach wahnsinnig entscheidend.

 

 

Über die Kunst der Vorstandsbesetzung und Nachfolgeplanung: „Es muss ein guter Kopf da sein, eine gute Hand und ein guter Bauch und die Füße müssen auf der Erde bleiben.“

 

Sie sagten, idealerweise werden Vorstandskandidaten mit möglichst langem Vorlauf identifiziert. Bei Top-Besetzungen kommen häufig „Eigengewächse“ zum Zug, aber ein ums andere Mal sind es auch Externe. Man kann hier sicherlich abwägen: Das Eine ist sicherlich die distanzierte Betrachtung und die Erfahrung aus anderen Kontexten. Das Andere ist das intime Wissen über die Besonderheiten der Organisation. Wie ist Ihr Blick auf diese Fragestellung?

Hier hilft nur ein ganz entschiedenes „sowohl als auch“. Es ist klar, dass die Vertrautheit mit dem Unternehmen einen Vorteil hat, bisweilen kann aber auch ein frischer Blick von außen hilfreich sein. Da greift wieder mein Lieblingshinweis auf Kontext- und Situationsabhängigkeit. Heute ist es gängige Praxis, dass man zunächst die Frage stellt: Was ist das überhaupt für eine Stelle, die es zu besetzen gilt? Hat sich  in der Unternehmensstruktur oder an den Aufgaben, die mit dieser Stelle im Zusammenhang stehen, etwas verändert? Vielleicht ist die Stelle gar nicht mehr notwendigerweise zu besetzen oder die Umstände dieser Vakanz bieten einen Anlass, um eine neue Organisationsstruktur einzuführen. Es beginnt bereits mit dem Anforderungsprofil, das man sich anschaut. Dabei ist es hilfreich, mit Blick auf mögliche Kandidaten nach innen zu schauen aber auch nach außen zu benchmarken. Wie viel Distanz und wie viel Nähe jeweils von Vorteil sind, ist immer im Einzelfall zu entscheiden. Auf jeden Fall muss sichergestellt werden, dass die Qualität der Besetzung dem Anforderungsprofil gerecht wird. Es gibt allerdings Organisationen, die zur Selbstgefälligkeit neigen und gerade solche Unternehmen können dann bisweilen einen „Fremdstachel“ ganz gut gebrauchen. Natürlich gibt es darunter aber auch solche, die eher wie weiße Blutkörperchen agieren: Wenn ein „Eindringling“ von außen kommt, wird dieser umzingelt und so schnell wie möglich wieder ausgespült. Deswegen handelt es sich hier um eine sehr delikate Situation, in der man genau abwägen muss: Erfrischende Distanz gegen Vertrautheit mit der Situation, Vertrautheit mit den Herausforderungen und Vertrautheit mit den handelnden Menschen.

Wenn man sich aktuelle Mandatsträger in Vorständen vergegenwärtigt, gibt es bei aller Unterschiedlichkeit der Unternehmen und der jeweiligen Besonderheiten und Anforderungen aus Ihrer Sicht so etwas wie ein idealtypisches Vorstandsprofil?

Ja. Für mich beginnt alles mit der Fähigkeit zur strategischen Analyse, mit der Selbstverpflichtung, genau hinzuschauen und dann rational Schlüsse aus seinen Beobachtungen zu ziehen. Man muss sein Bauchgefühl beachten, darf es aber nicht dominieren lassen. Die zweite wichtige Fähigkeit ist dann die, das auch umzusetzen, der Wille zur Tat. Ich formuliere das immer so: Es muss ein guter Kopf da sein, eine gute Hand und ein guter Bauch und die Füße müssen auf der Erde bleiben. Neben der Fähigkeit zur analytischen Durchdringung und dem Wille zur Tat muss also auch die emotionale Intelligenz vorhanden sein, die soziale Kompetenz, Menschen zu führen und auf dem eingeschlagenen Weg mitzunehmen. Viele, die schon einmal einfach vorweg gelaufen sind, mussten dann plötzlich feststellen, dass niemand mehr bei ihnen ist. Andere wiederum neigen dazu zu schieben und werden dann mit Wiederständen konfrontiert. Am Ende geht es um die Fähigkeit, etwas zu bewegen.

Hat sich das Bild des „guten Vorstands“, wenn Sie die letzten Dekaden in der Rückschau betrachten, aus Ihrer Sicht gewandelt? Gab es Trends bei der Beantwortung der Frage, was einen guten Vorstand ausmacht?

Ich glaube, es gibt ohnehin unterschiedliche Beteiligte, die verschiedenartige Ansichten darüber haben, was „gut“ ist. Da gibt es auf der einen Seite zum Beispiel die aktivistischen Investoren, die kurzfristige Shareholder-Value-Interessen in den Vordergrund stellen und es gut finden, wenn ein Vorstand in der Lage ist, diese Interessen möglichst schnell zu bedienen. Und es gibt den anderen Pol, bei dem das Unternehmenswohl im weitesten Sinne als Zielfunktion definiert ist. Ich glaube – und damit möchte ich zum Aufsichtsrat zurückkommen –, es ist eine ganz wesentliche Aufgabe, die Zielfunktion des Unternehmens zu bestimmen. Das heißt: Was sind die Ziele, die wir verfolgen? Diese zu definieren und dafür zu sorgen, dass es einen Vorstand gibt, der diese Ziele mitträgt und bereit ist, sie umzusetzen, ist elementar. Insofern gibt es gewissermaßen ein Wellenmuster: Wir haben eine Zeit lang viele Vorstände gesehen, die die Kapitalmarkt-Interessen in den Vordergrund gestellt haben. Es gab viele, die die gesellschaftliche Verantwortung des Unternehmens aus dem Blick verloren haben. Jetzt gerade schlägt das Pendel wieder zurück und Unternehmensführer begreifen, dass insbesondere große Unternehmen ein wichtiger Bestandteil dieser Gesellschaft sind und dass aus dieser Tatsache auch Pflichten resultieren, die über die Verfolgung des engsten Unternehmensinteresses hinausgehen.

Wenn wir noch einmal auf die Rolle des Vorstandsvorsitzenden zurückkommen: In der Vergangenheit wurden Unternehmensepochen immer wieder stark mit der Person des Vorstandsvorsitzenden assoziiert. Also eigentlich als Platzhalter für die Frage: Wie hat sich das Unternehmen mit der Zeit verändert? Sie haben gerade mit Blick auf den Aufsichtsrat die Bedeutung des Miteinanders betont und dass dem Gesamtgremium eine stärkere Bedeutung zukommt als in der Vergangenheit. Glauben Sie, dass das auch für den Vorstand gilt und die Person des Vorstandsvorsitzenden stärker im Gesamtvorstand aufgeht und als Person nicht mehr so eine prominente Rolle spielen wird?

Das waren nun quasi zwei Fragen: Die eine war die Frage nach der Epochenprägung, was durchaus ein spannendes Thema ist. Die andere ist die Frage: Wie arbeiten Vorstände zusammen?

Zunächst zum zweiten Teil: Bei der Einführung des von mir so geschätzten Corporate-Governance-Kodex wurden ja damals drei wichtige Themen bewusst als unantastbar vorangestellt: Das waren das dualistische System aus Aufsichtsrat und Vorstand, die Arbeitnehmervertretung und der Vorstandsvorsitzende. Als wir damals begannen, uns Visitenkarten zu drucken, waren wir alle CEOs. Die Smarteren waren dann schnell Chairman of the Management Board; wir haben eben Vorstandsvorsitzende und keine CEOs. In CEO-Ländern ist der CEO der Chef seiner Kollegen. In Deutschland ist der Vorstandsvorsitzende maximal primus inter pares in einem Kollektivorgan. Der kann beliebig überstimmt werden, wenngleich das nicht so oft passieren sollte, da der Vorstandsvorsitzende in der Regel keine Ressourcen zur Verfügung hat. Die Geschäftseinheiten geben Geld aus, stellen Mitarbeiter ein – der Vorstandsvorsitzende ist dagegen ein ziemlich einsamer Mensch. Die Frage ist: Was bildet seine Machtbasis, wenn es nicht das Vertrauen des Aufsichtsratsvorsitzenden ist oder seine herausragende Intelligenz? Der Vorstandsvorsitzende – weil er rechtlich eben so gestellt ist, wie er ist – muss ein hohes Maß an Kompetenz besitzen und das umfasst auch die soziale Kompetenz, um das Vorstandsgremium zu koordinieren. In Wirklichkeit ist es ja häufig so, dass manche Vorstandsmitglieder – nicht in den Fällen, die ich kenne, wohlgemerkt – nur wach werden, wenn Fragen aufgegriffen werden, die ihr spezifisches Ressort betreffen, die also die Gesamtverantwortung, die dieser Vorstand hat, nicht hundertprozentig leben. Und gerade diese Mitglieder muss der Vorstandsvorsitzende einfangen und zur Kollektivarbeit bewegen. Ich glaube, um die größtmögliche Leistung aus dem Vorstand herauszuholen, benötigt der Vorstandsvorsitzende auch ein hohes Maß an Begeisterungsfähigkeit für kollektive Arbeit.

Was die Epochenfrage angeht, gilt es verschiedene Aspekte zu berücksichtigen. Rückblickend neigt man gerne dazu, die Zeiten zu clustern und zu sagen: „Das war Epoche X, Y, Z“. Faktisch ist es so, dass sich Zeiträume durch bestimmte Merkmale charakterisieren lassen. Das geschieht aber selten von selbst. Ich glaube, ein Vorstandsvorsitzender fragt sich schlicht: „Was liegt an?“ Auch der Aufsichtsrat fragt sich: „Was liegt an?“ Und wenn er glaubt, dass das, was anliegt, unter dem jetzigen Amtsinhaber nicht realisierbar ist, nimmt der Aufsichtsrat häufig auch einen Wechsel beim Vorstandsvorsitz vor. Wenn das geschieht und dieser Wechsel die Periode kennzeichnet, führt das dazu, dass Epochen und Personen zeitgleich zusammenfallen. Ich glaube, es ist die rückwärtsblickende Deutung, die dann zu so einer Klassifikation führt. Vorranging stellt sich immer die Frage: Ist die Person an der Spitze die richtige Person für das, was geschehen soll? Diese Frage muss umso nachdrücklicher beantwortet werden, wenn das Entscheidungsgremium zu dem Ergebnis kommt, dass sich etwas epochal verändern muss.

Ist die Gestaltung des Vorstandsvorsitzes in Form einer Doppelspitze, wie wir sie beispielsweise bei SAP kurzzeitig gesehen haben, für Sie ein denkbares und sinnvolles Modell?

Ganz klar: Nein. Ich sehe keinen Grund dafür, dass zwei Leute an der Spitze stehen. Einer muss schlussendlich entscheiden und koordinieren, einer muss alles in der Hand haben. Bei thyssenkrupp hat die Doppelspitze die wirkliche Fusion beispielsweise extrem blockiert, da gab es Parallelstrukturen im Unternehmen. Die Frage ist: Warum? Ich glaube, eine Organisation will wissen, auf wen sie schauen muss. Vielleicht ist der Punkt tatsächlich die mediale Übertreibung, das Gesicht des Vorsitzenden als Gesicht des Unternehmens zu nutzen. In Zeiten der Vereinfachung passiert es zunehmend, dass man diese Dinge verbinden möchte. Dann stellt ein Kopf aber eine deutlich klarere, eindeutigere Sache dar als es zwei Gesichter tun.

Was wir in diesem Zusammenhang gegenwärtig verstärkt erleben, ist, dass insbesondere Vorstände und Vorstandsvorsitzende immer stärker ihr Bild und das Bild ihres Unternehmens – auch eigeninitiativ – aktiv nach außen kommunizieren, zum Beispiel über die sozialen Medien. Sie teilen Botschaften, die sich einerseits auf das eigene Unternehmen beziehen, aber auch persönliche Stellungnahmen zu gesellschaftspolitischen Fragestellungen und ähnlichem. Wie beurteilen Sie diese Art der medialen Präsenz?

Es kommt immer darauf an, mit welchem Ziel dies stattfindet. Ich hatte kürzlich zum Beispiel ein Gespräch mit einer Kommunikationsagentur, die mir erklärte, ein Großteil der Arbeit jeglicher Unternehmenskommunikation sei darauf ausgerichtet, den CEO zu positionieren. Dann muss man sich fragen: Mit welchem Ziel wird er positioniert? Im Eigeninteresse oder im Unternehmensinteresse? Es gibt viele Fälle, in denen man denkt: Hoppla, da findet aber viel im Eigeninteresse statt! Ich glaube, wenn, dann sollte eine solche Positionierung grundsätzlich im Unternehmensinteresse vorgenommen werden.

Die Stellungnahme wozu ist auch eine sehr spannende Frage. Das Minimum sind natürlich klare Aussagen zu dem, was das Unternehmsinteresse verlangt. Man kann aber auch weiter gehen und sagen: Wir verlangen bestimmte Positionen von Unternehmen, weil Unternehmen große und wichtige Bestandteile der Gesellschaft sind. Zuerst einmal erwarten wir, dass Vorstände in wirtschaftlichen Fragen eine hohe Kompetenz besitzen, deren Anwendung sie dem Staat als Bürger schulden. Zweitens erwarten wir, dass sie zu gesellschaftlichen Themen wie beispielsweise der Frauenquote Stellung nehmen. Ich sehe es als sehr kritisch an, wenn die Eigenliebe zu sehr gefördert wird und die Vermarktung des eigenen Egos im Vordergrund steht. Aber Unternehmensinteressen und gesellschaftliche Verantwortung sollten durchaus wahrnehmbar sein. Wenn sie Konsumentenartikel verkaufen und eine scharfe politische Formulierung äußern, dann verlieren sie an der einen oder anderen Stelle natürlich immer Kunden. Daher waren viele Unternehmen früher sehr zurückhaltend, was klare Positionierungen anging und haben nur Aussagen zum Unternehmen selbst getätigt. Ich glaube allerdings, Unternehmen haben aus ihrer Kompetenz und ihrer Bedeutung heraus eine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft und dieser müssen sie gerecht werden.

Ohne Frage befinden wir uns gegenwärtig in einem Ausnahmejahr. Was man bereits in den letzten 24 Monaten verstärkt beobachten konnte, ist, dass die globalen Leit-Indizes zum Teil neu sortiert werden. Etablierte Unternehmen werden aus den Indizes heraus- und neue Spieler aufgenommen. Um nur ein Beispiel zu nennen: Ein Unternehmen wie Delivery Hero hätten sicherlich nicht viele im Jahr 2020 im DAX erwartet. Glauben Sie, dass die Kultur dieser neuen Unternehmen die diskutierte Frage „Was macht erfolgreiche Vorstandsarbeit aus und was sind idealtypische Profile von Vorständen?“ nachhaltig verändern wird?

Es ist schon spannend, wenn man auf die Unternehmen zurückschaut, die damals dabei waren, als sich der DAX formierte. Ich glaube, mehr als die Hälfte davon gibt es nicht mehr. Einige sind in größere Verbünde eingegangen, aber andere sind schlicht verschwunden. Das zeigt, dass erfolgreiches Wirtschaften eine Kunst ist, und eine noch größere Kunst ist es, sich mit Würde zu verabschieden, wenn man feststellt, dass dies nicht mehr gelingt. Ich weiß gar nicht, wie ich das höflich formulieren soll. Ich habe mit großem Unbehagen beobachtet, wie Wirecard Mitglied im DAX wurde. Nun betrachte ich mit großem Unbehagen, dass Delivery Hero jetzt dabei ist. Wenn der DAX-Zugehörigkeit bestimmte formale Regeln zugrunde gelegt werden, müssen diese auch befolgt werden und wenn die einfach nur Marktkapitalisierung oder Umsatz heißen, dann passiert, was passieren muss, wie in diesen Fällen. Ich würde mir wünschen, dass Unternehmen Teil des DAX sind, die ein gewisses Standing haben, oder…

…Stabilität vielleicht?

…ja, irgendetwas, das jenseits der bloßen Umsatzzahlen und der Marktkapitalisierung liegt. Zumal sich ja, wenn Sie vom Leitindex sprechen, die Frage stellt: Was wird da geleitet? Vielleicht muss man auch einfach zur Kenntnis nehmen, dass auch der Name bloß einen Teil der Wirklichkeit darstellt. Wenn wir von DAX-Unternehmen sprechen, dann tun wir das auch mit einem anderen Blick oder mit einer anderen Gedankenverbindung als der bloßen Kapitalmarktpräsenz.

Das Thema Diversity gewinnt gegenwärtig immer weiter an Bedeutung und in diesem Zusammenhang auch die Diskussion rund um die Geschlechter-Quote. Im Hinblick darauf haben wir in vielen Aufsichtsräten bereits Veränderungen erlebt. Da stellt sich natürlich die Frage: Was passiert eigentlich mit dem Vorstand? Was halten Sie von den Überlegungen, eine verpflichtende Quote auch auf diesen auszuweiten?

Gar nichts. Wenn Politiker sagen: „Unternehmen haben noch nicht begriffen, wie gut Diversity für sie ist, deswegen müssen wir sie mit einem Gesetz dazu zwingen, sich divers zu machen“, dann ist das meiner Meinung nach eine maßgebliche Fehleinschätzung. Meine Basisthese lautet: Unternehmensführungen denken darüber nach, was gut für sie ist, und setzen das dann auch um. Dafür braucht es keine Gesetzesregelung. Diversity ist ein weites Feld und wenn man das auf Männer und Frauen oder sonstige Geschlechtsidentitäten reduziert, dann ist das ziemlich eindimensional. Wir haben bei der Telekom wunderbare Beispiele: Wir haben eine Frau aus Belgien in den Vorstand geholt und der Deutschland-Chef ist Inder. Die Telekom war ja eines der ersten Unternehmen, die sich selbstverpflichtend eine Quote gesetzt haben. Ich bin also ein großer Quoten-Freund, nicht aber der gesetzlichen Quote und erst recht bin ich der Meinung, dass die Quote im Kodex nichts zu suchen hat. Da geht es immer nur um formale Strukturen. Die spannende Frage ist im Grunde: Warum will die Politik eine Quote? Will sie die, damit es den Unternehmen besser geht? Das glaube ich nicht. Ich glaube, sie will die gesellschaftliche Teilhabe verändern. Daher wird mit der Aufsichtsrats-Quote ein gesellschaftspolitisches Ziel verfolgt, was ich aber für unangemessen halte. Die allgemeinen gesellschaftspolitischen Grundlagen müssen nicht für alle Subsysteme der Gesellschaft gelten, wie hier für das Subsystem Wirtschaften. Insofern finde ich die Idee, Quoten für den Vorstand einzuführen, unangebracht.

Wir diskutieren gegenwärtig auch mit weiblichen Aufsichtsräten, die teilweise ebenfalls aktiv gegen eine Quotenregelung sind, aber gleichzeitig die Befürchtung hegen, dass sich andernfalls nichts verändert. Sehen Sie nicht die Gefahr, dass die Dinge einfach beim Alten bleiben?

Nein, ich sehe es vor allen Dingen so: Wenn es stimmt, dass am besten erfolgreiche, pensionierte CEOs Aufsichtsratsmitglieder werden, dann brauchen wir erst einmal mehr weibliche CEOs. Wir müssen die Pipeline füllen und dann können wir auch davon ausgehen, dass wir in angemessener Zeit genügend qualifizierte und erfahrene Kandidatinnen haben. Wenn ein Aufsichtsrat einem Vorstand gegenübersitzt, dann macht sich der Vorstand ein Bild von ihm, indem er sich fragt: Was hat die Person mir zu sagen und aus welcher Kompetenz und Erfahrung heraus beurteilt sie mein Tun? Wenn da jemand sitzt, der keine Erfahrung mitbringt und keinen Erfolg nachweisen kann, sondern bloß intelligent ist, dann ist das kein richtiger Kontrolleur. Ich sehe das Thema Quote eher unter dem Aspekt der gesellschaftlichen Teilhabe.

Sie sagten, dass es aus Ihrer Sicht wichtig ist, dass der Aufsichtsrat  die Top-Potentialträger des Unternehmens kennt, die sich  für die Übernahme einer exponierten Position anbieten. Findet die Beschäftigung des Aufsichtsrates mit solchen Persönlichkeiten Ihrer Wahrnehmung nach auch tatsächlich statt?

Ja.

In einer von uns durchgeführten Studie zu Aufsichtsräten zeigt sich diesbezüglich ein sehr differenzierteres Bild. Es gibt eine ganze Reihe von Aufsichtsräten, die sich damit nicht vertieft auseinandersetzen und dies im wesentlichen HR und dem Vorstand überlassen.

Ich hatte vor vielen Jahren mal ein Gespräch mit einem Personalberater über Nachfolgebesetzungen und es drehte sich nur um die Frage: „Wie finden wir heute einen Nachfolger?“ Daraufhin erklärte ich ihm, dass man da aus meiner Sicht ganz anders herangehen sollte. Diese Suche beginnt eigentlich schon bei jeder Einstellung, indem man sich fragt: „Ist das jemand, der in 20 Jahren im Vorstand sitzt?“

Wir bekommen oftmals das Mandat, Vorstände im Hinblick auf ihre Kompetenzen zu evaluieren. Das ist ein Teil unseres Geschäftsmodells. Selten bekommen wir dagegen das Mandat, einen Aufsichtsrat mit Blick auf seine Kompetenzen zu evaluieren. Da geht man offensichtlich davon aus, dass der Auswahlprozess keine Perspektive eines Dritten erfordert. Es ist interessant, dass die Fragen danach, wie gut sich eine Persönlichkeit eigentlich für diese Rolle eignet und wie gut bestimmte Kompetenzen ausgeprägt sind, an dieser Stelle fast nie gestellt werden.

Ja, das stimmt. Ich wurde erst neulich von einem Personalberater angerufen und um die Referenz für einen Aufsichtsratskandidaten gebeten. Da sagte ich auch: „Interessant! Das passiert mir zwar nicht zum ersten Mal, aber es passiert nicht oft“. Er erklärte mir dann, das werde zunehmend als gute Praxis betrachtet und dass bei Hauptversammlungen auch gefragt werde, ob externe Unterstützung bei er Auswahl in Anspruch genommen worden sei. Insofern vermute ich, dass der Trend dahin geht, dass externe Unterstützung für eine ordnungsgemäße Aufsichtsratsbesetzung in Zukunft als normal angesehen werden wird.

 

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