Unsere Alumni im Interview

Was macht eigentlich… Philip von Haehling?

Philip von Haehling war von 1998 bis 2001 bei Kienbaum im Bereich Management Consulting als Senior Consultant in Düsseldorf beschäftigt. Sein Berufsweg führte ihn danach zu Accenture nach Berlin, London und Düsseldorf, wo er zuletzt als Managing Director tätig war.

2016 wechselte er in der Funktion des Geschäftsführers zur BwConsulting GmbH, der Inhouse-Beratung der Bundeswehr. Philip lebt mit seiner Familie in Krefeld.

In Ihrer beruflichen Karriere haben Sie unterschiedliche Beratungshäuser kennengelernt. Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede haben Sie festgestellt?

 

Kienbaum (560 Mitarbeiter), Accenture (470.000 Mitarbeiter) und aktuell BwConsulting (200 Mitarbeiter) sind schon aufgrund ihrer Größe und Ausrichtung grundverschieden. Dennoch gibt es eine deutliche Gemeinsamkeit: Die von einem starken Kundenfokus geprägte Kultur.

Kienbaum fördert den Entrepreneur, bei dem selbständiges Arbeiten verlangt wird. Gemeinsam mit dem Kunden muss man bei Kienbaum Lösungen erarbeiten und entwickelt so eine besonders starke Sensibilität für ihn und seine Bedürfnisse. Besonders ausgefallenes Fachwissen, dessen es für manche Beratungsprojekte bedarf, kam früher in einigen Fällen jedoch über Netzwerke von außen.

Bei Accenture ist es genau umgekehrt: Prinzipiell gibt es alles verfügbare Wissen in der Organisation. Das ist ein großer Vorteil, weil es zu jedem Thema einen Experten gibt und damit sofort auf jede Frage eine Antwort. Dieser Vorteil kann jedoch zum Nachteil werden: Es besteht die Gefahr, aufgrund des schieren Wissensvorsprungs die Details der Kundenbedürfnisse aus den Augen zu verlieren.

Wir bei BwConsulting sind mit unseren 200 Mitarbeitern viel kleiner als Kienbaum oder Accenture. Wir versuchen einen Mittelweg zu finden und das Beste aus beiden Welten zusammenzubringen: Für uns ist die maximale Ausrichtung auf Kundenbedürfnisse oberste Prämisse. Darum versuchen wir, dem Kunden sehr gut zuzuhören, nutzen das Wissen der Kernorganisation Bundeswehr selbst als Hebelwirkung und erschließen uns Wissen systematisch aus externen Quellen.

Kienbaum war der erste Schritt Ihrer Beratungskarriere und liegt damit inzwischen schon relativ lange zurück. Welche Erfahrungen aus dieser Zeit haben Ihr Denken und Verhalten geprägt?

 

Die ersten Berufsjahre im Beraterdasein im öffentlichen Sektor haben mich sehr deutlich geprägt, wenn nicht sogar am stärksten.

In den ersten Jahren habe ich in rasender Geschwindigkeit den ganzen Strauß der Instrumente im Consulting kennengelernt – so schnell, wie niemals wieder in meiner Karriere.

Vor allem aber habe ich das Streben, mit viel Empathie dem Kunden zuzuhören und maßgeschneiderte Lösungen anzufertigen, bei Kienbaum mit auf den Weg bekommen. Diese Eigenschaft habe ich in den ersten drei Jahren verinnerlicht: Sie entspricht mir sehr und hat mich deswegen nie wieder losgelassen.

Wie befähigen und stärken Sie Ihre Mitarbeiter?

 

Das ist eine schwierige Frage – und umso wichtiger.

Wir haben das Unternehmen umgebaut und alle Prozesse auf die Projektarbeit hin ausgerichtet. Dafür haben wir ein Poolsystem geschaffen. Das einzige Führungsverhältnis, das es gibt, ist die Geschäftsführung. Das heißt, es gibt prinzipiell keine festen Linienvorgesetzten und Unterstellungsverhältnisse mehr. Auch die Projektleiter wechseln je nach Laufzeit der Projekte. Einziges Kontinuum in der Weiterentwicklung sind die Mentoren, die für ihre Mentees eher eine Coaching-Rolle einnehmen. Sie sind über Jahre Ansprechpartner für den Mentee, sowohl, was die persönliche Weiterentwicklung als auch die professionelle Weiterbildung angeht, die bei uns entlang bestimmter Pfade stattfindet.

Es gibt also schlicht keine „Linie“ mehr, die das Rundum-sorglos-Paket zur Verfügung stellt. Dies in Kombination mit einer konsequenten Abschichtung von Entscheidungen auf die Projektebene führt zu einem hohen Maß an Eigenverantwortlichkeit – auch schon bei Kollegen mit geringer Berufserfahrung. Für die Mitarbeiter selbst – und das ist das Entscheidende bei Empowerment – bedeutet das, dass sie sich aktiv fragen müssen, wo sie sich weiterentwickeln möchten.

Der öffentliche Bereich klagt des Öfteren über ein Rekrutierungs- und Bindungsproblem. Was sind Ihre Antworten auf diese Herausforderungen?

 

Meines Erachtens sind drei wesentliche Bereiche zu beachten: Erstens muss die Arbeitgebermarke geschärft werden. Ich glaube, das trifft auf alle Bundesbehörden zu – auf die einen mehr, auf die anderen weniger. Es geht im Prinzip um die ganzheitliche Darstellung der Arbeitgeberangebote und Benefits je nach Zielgruppe. Zum Teil fehlt es sogar an einer Employer Value Proposition, in der die Benefits gezeigt werden. Viel zu wenig werden die großen Vorteile, die die Arbeit für eine Bundesbehörde mit sich bringt, hervorgehoben. Die Pensionsansprüche, die große Sicherheit und vieles mehr sind unschlagbare Argumente. Aber auch ideelle Vorteile bietet die Arbeit für den Staat: Die Mitarbeiter können etwas Relevantes bewirken und aktiv am Staat mitarbeiten.

Zweitens brauchen wir proaktive Arbeit in Sozialen Medien. Wir brauchen einen Kulturwechsel innerhalb der Rekrutierungs-Organisationen hin zum aktiven, kundenorientierten Rekrutierungsverständnis. Zum Teil gibt es sehr lange Recruiting-Prozesse: Zum Beispiel kann man sich nur mit einem abgeschlossenen Master bewerben. Das ist ein Dilemma, denn viele gute Kandidaten werden bereits von Unternehmen an der Uni abgeworben.

Und schließlich müssen die Bewerbungsverfahren verbessert werden. Ein Beispiel: Zum Teil müssen Bewerber drei Mal innerhalb eines Bewerbungsprozesses ein beglaubigtes Führungszeugnis vorzeigen. Wir sind aktuell dabei, das zu ändern. Dazu kommt die vollständige End-to-End-Digitalisierung nach dem Prinzip der Einfachheit, da die Frage nach Usability im Fokus steht. Und der Einsatz von geeigneter KI zum Beispiel mit Screening- und Matching-Fähigkeiten.

Um diese Punkte zu erfüllen, müssen die Behörden intern an ihrer Entwicklung der eigenen Digitalkompetenz arbeiten – basierend auf einer strategischen Digitalisierungsplanung mit notwendigen Ressourcen und Flexibilität im Gesamtsystem.

Welche Rolle spielen die derzeit intensiv geführten Diskussionen zu New Work in Ihrem Aufgabenfeld?

Eine entscheidende Rolle. Der Anspruch der Mitarbeiter hat sich zu Recht gewandelt. Selbständigkeit, Freiheit und Teilhabe, um nur drei von zahlreichen Schlagworten in diesem Kontext zu nennen, sind aus meiner Sicht ganz entscheidende Zufriedenheits- und damit Bindungsfaktoren. Ohne diese Themen wird es schwer, gute Mitarbeiter langfristig zu halten. Innerhalb der BwConsulting arbeiten wir sehr konsequent daran, den Mitarbeitern immer mehr eigene Gestaltungsmöglichkeiten einzuräumen. Mitarbeiter müssen wissen, dass sie Projektwünsche nicht nur äußern können, sondern dass diese auch größtenteils erfüllt werden.

Auch bei den Themen Weiterbildung, Engagement in internen Projekten und Initiativen sowie Wahlmöglichkeiten bezüglich des Vergütungsmodells (Fixgehaltsmodell vs. höhere variable Vergütungsanteile) geben wir unseren Mitarbeitern Gestaltungsspielräume. So können sie ihr Arbeitsumfeld selbst gestalten und erleben, dass ihr Engagement geschätzt wird.

Wir haben in den letzten Jahren große Fortschritte in Richtung New Work gemacht; der Umstellungsprozess wird aber selbstverständlich niemals abgeschlossen sein. Daher müssen wir uns laufend selbst hinterfragen und offen bleiben für Kritik und Verbesserungsvorschläge.