Was macht eigentlich… Sora Kim?
Sora Kim war von 2008-2012 bei Kienbaum im Bereich Compensation & Performance Management in Düsseldorf beschäftigt.
Ihr Berufsweg führte Sie 2012 als Global HR Manager zum Bremsbelaghersteller TMC Friction. 2013 wechselte Sie als Leiterin Personal zum bekannten Leuchtenhersteller Trilux. Ihr jüngster beruflicher Wechsel führte sie 2018 in der Funktion als Vice President Talent Management & Akquisition zu Deutschlands viertgrößten Arbeitgeber und Branchenprimus Deutsche Post DHL Group (DP DHL).
Was fällt Dir als erstes ein, wenn Du an Kienbaum denkst?
Als erstes fallen mir die folgenden Schlagwörter ein: Familienunternehmen & Kunstsammlung. Zudem habe ich in meiner Zeit bei Kienbaum sehr viel gelernt: Zum einen das klassische Methoden-Know-how, zum anderen habe ich verstanden, wie wichtig eine hohe Anschlussfähigkeit ist, das heißt, ich habe gelernt, mich schnell auf neue Kollegen oder Kunden einzulassen und Vertrauensbeziehungen aufzubauen. Ich habe zu der Zeit begriffen, dass Berater sein Verkäufer sein bedeutet und ich versuchen muss, mein Produkt, also mein Wissen und meinen Service, an den Mann zu bringen.
Wer oder was hat Dich besonders beeindruckt oder geprägt bei Kienbaum?
Geprägt haben mich besonders bestimmte Persönlichkeiten und deren Arbeitsstile. Mein ehemaliger Chef Dr. Martin von Hören, dessen Arbeitsstil als präzise bis fast pedantisch beschrieben werden kann, hat mich als junge Beraterin durch eine harte Schule gehen lassen, für die ich heute sehr dankbar bin. Die hohen Ansprüche an die Qualität meiner Arbeit und die meiner Mitarbeiter habe ich übernommen, um unsere internen Kunden zufriedenzustellen. Die Kundensicht stets im Blick zu behalten ist dabei entscheidend.
Eine weitere Persönlichkeit, von der ich viel lernen durfte, war Prof. Dr. Walter Jochmann, der einen diametral anderen Führungsstil pflegte, aber einen ebenso großen Hang zum Perfektionismus hatte. Von ihm habe ich gelernt, den eigenen Stil zuzulassen, die Andersartigkeit zu pflegen und das Mögliche und nicht das Limitierende zu sehen.
Wie hat die COVID-19-Phase Dein Arbeitsumfeld, Deine Arbeitsweise und Dein Führungsverhalten verändert?
Mein Arbeitsumfeld hat sich natürlich verändert, da wir alle ins Homeoffice gewechselt sind. Ich musste darauf vertrauen, dass alle im Homeoffice weiterarbeiten. Ich kann und will meinen Mitarbeitern nicht hinterhertelefonieren. Die Krise hat hier wie ein Brennglas funktioniert: Schnell zeigte sich, dass die, die im Büro fleißig waren, es auch im Homeoffice waren und umgekehrt. Ich glaube, dass man im Büro wie auch im Homeoffice üblicherweise denselben Arbeitsstil pflegt. Als Führungskraft muss man damit zurechtkommen, dass im Homeoffice die Einwirkungsmöglichkeiten geringer sind. Darum führe ich nach dem Prinzip der Selbstverantwortung und ergebnisorientiert. Das „goldene Dreieck“: in time, in quality and in budget bildet den Rahmen, in dem sich meine Mitarbeiter bewegen sollen, das war auch schon vor Corona so. Durch konkrete und verlässliche Absprachen erzielen wir ein hohes Maß an Verlässlichkeit. Bezogen auf unsere Arbeitsweisen haben wir alle unsere Fähigkeiten erweitert, beispielsweise bei der Anwendung von Kommunikationstechnologien oder auch hinsichtlich unserer Digitalkompetenzen.
Die Anforderungen an unsere Führungskräfte steigen, damit auch jene an HR und das Team. Mir ist es wichtig, die Fähigkeiten meiner Mitarbeiter kontinuierlich zu erweitern. Deswegen investiere ich stark in ihre Weiterbildung, so dass sie inhaltlich auf Augenhöhe mit unseren Führungskräften sprechen können. Mit jeder Fortbildung werden meine Mitarbeiter selbstbewusster, stärker und motivierter. Das spürt auch der interne Kunde.
Wir verstehen uns nicht, um es salopp auszudrücken, als reine HR-, sondern auch als Innovations-Bude. Bei uns laufen eine Vielzahl an Pilot-Projekten. Das Ausprobieren neuer Dinge geht nur mit einem freien Geist, mit Kreativität, Lust und Neugierde und dem Gefühl „Ich kann scheitern und es ist trotzdem in Ordnung“. In diesem Spirit versuche ich die Abteilung aufzubauen und zu halten. Wenn es um die innere Haltung einer Abteilung geht, darf Corona keine Rolle spielen.
Welche Maßnahmen müssen Deiner Meinung nach mit Fokus auf das Talent Management perspektivisch ergriffen werden, um Herausforderungen in diesem Bereich bestmöglich gestalten zu können?
Für die Deutsche Post kann ich sagen, dass ich mich neben der breiten Aufstellung von Talent-Programmen, wie es sie seit jeher gab, mit dem Thema der strategischen Personalplanung sowohl quantitativ als auch qualitativ befasse, um den großen Herausforderungen, die der demografischen Wandel mit sich bringt, bestmöglich begegnen zu können. Data Analytics liefern Kennzahlen zu den Fragen, wie sich die Mitarbeiter verhalten und wie lange sie bleiben; darüber hinaus geben sie Aufschluss über die Veränderung der Unternehmensdemografie oder auch über Diversity oder Skillgaps. Über die Kennzahlen steuern wir Neurekrutierungen und Weiterentwicklungen. Wir als Innovationstreiber testen auch mit unseren Talenten viel Neues. Ein Pilotbeispiel: Wir haben im vergangenen Jahr die Sprachanalyse Precire mit ihnen zusammen ausprobiert: Wie sprechen unsere Talente? Wer redet einladend? Wer spricht im Befehlston? Was können Sie dagegen tun, wenn sie zu schnell sprechen oder zu viele Fremdwörter oder Füllwörter nutzen?
Gerade erst im September startete zum Beispiel ein Pilotprojekt mit Masterplan, dem Netflix der Bildung. Auf dieser intuitiven Lernplattform findet man nach Lernfeld gegliedert 6-minütige Videos inklusive Transkript. Der Vorteil dieser kurzen Sequenzen ist, dass keiner mehr sagen kann, die Zeit zum Lernen würde fehlen. Auf dieser Plattform kommen anerkannte Fachexperten, Visionäre oder Unternehmer zu Wort. Beispielsweise spricht Elon Musk über disruptive Technologien und Ralf Schrömgens, der Gründer von Trivago, über „digitale Unternehmenskultur“. Neben prominenten Speakern rücken wir Fachexperten seitens der Deutschen Post ins Rampenlicht und bitten sie, einen kurzen Impuls zu ihrem Spezialgebiet mit anschließendem Q&A zu geben. Den Vorschlag, wen wir dafür ansprechen, machen unsere Talente. Diese Live-Sessions bieten viele Vorteile: Sie haben Netzwerkcharakter, fördern den fachlichen Austausch und haben einen Bezug zur Firma. Somit machen wir Lernen zu einem Event. Die Plattform in unserer Unternehmens-Couleur zu färben erhöht die Relevanz für die Lernenden.
Innovative Projekte voranzutreiben, wie wir lernen und Dinge neu definieren, dafür setzen wir uns jeden Tag ein.
Siehst du die aktuelle Situation als Chance?
Ja, absolut. HR war und ist immer ein Cost-Center. Ich glaube, die Chance besteht darin, hier anzusetzen und zu sagen: Es lohnt sich, noch mehr in HR bzw. Data Analytics für HR zu investieren, da es einen sichtbaren Return on Invest gibt. Das sieht man insbesondere im Rahmen der strategischen Nachfolgeplanung und -entwicklung.
Wir betreten alle zusammen schneller Neuland: wir versuchen Lerninhalte auf die individuelle Lernpräferenz hin aufzubereiten. Wie bei den Schulen werden Dinge nun schneller digitalisiert. Der Handlungsdruck führte dazu, dass die Digitalisierung endlich auch in den Flächenbetrieben angekommen ist: Zum Beispiel hatten viele Kollegen noch Faxgeräte oder einen Standcomputer, der nun ersetzt wurde durch einen Laptop und Home Office ermöglichte. Auch haben wir „Skype“ schneller verbreiten können und damit Zugang zu virtuellen Treffen, Informationen und Lernen ermöglicht.
Eine ganz andere Chance für die DP DHL sehe ich darin, dass die Wertschätzung für diesen knochenharten Job steigt. Wir gehören zur systemerhaltenden Infrastruktur in Deutschland. Die Menschen haben im Lockdown wie verrückt bestellt, zum Teil mehr als an Weihnachten. Das waren an manchen Tagen 8,5 Millionen Pakete auf den Bändern. Die Systemversorgung hat funktioniert, da unsere Logistik hervorragend ist und unsere sehr gut geschulten Zusteller hervorragend gearbeitet und alles gegeben haben. Sowohl innerhalb des Konzerns als auch außerhalb sind Aufmerksamkeit und Wertschätzung dem Beruf gegenüber gestiegen.
Die Deutsche Post wurde seit jeher mit dem Produkt, also der Zustellung von Briefen, verbunden. Viele denken beispielsweise, Porsche ist ein cooler Arbeitgeber, weil Porsche wunderschöne Autos baut. Oftmals werden die Produkte mit den Arbeitgebern, den dort herrschenden Arbeitsalltag und deren Mission verwechselt. Die DHL Group ist viel innovativer, moderner und aufgeschlossener als es auf den ersten Blick scheint. Die COVID-19-Phase hat dazu beigetragen, dass wir eine andere Wahrnehmung erfahren haben.