HR-Strategie und -Organisation in öffentlichen Organisationen
Im Zuge der siebten Auflage der Studienreihe »Personalstrategie & Organisation« hat Kienbaum in Kooperation mit dem Kienbaum Institut @ ISM die HR-Bereiche öffentlicher Institutionen unter die Lupe genommen.
Die Befragung ergab, dass diese bei der Digitalisierung deutlich hinter der freien Wirtschaft zurückbleiben, was insbesondere auf das Fehlen einer konkreten Digitalisierungsstrategie sowie fehlende Ressourcen und Kompetenzen in öffentlichen Institutionen zurückgeführt werden kann. Darüber hinaus besteht im Public Sector ein besonders hohes Entwicklungspotenzial im Bereich Talent & Change Management. Dazu ist die Weiterentwicklung der HR-Strukturen sowie der Rollen der HR-Funktionen notwendig.
Selbsteinschätzung des HR-Reifegrads
Zu Beginn der Untersuchung wurden die Teilnehmer aufgefordert, eine Selbsteinschätzung bezüglich des HR-Reifegrades ihrer Organisation vorzunehmen. Einzeln bewertet wurden dabei die vier Dimensionen Strategie & Fokus, Steuerung & Strukturen, Prozesse & Systeme sowie Kompetenzen & Kultur.
Dabei wurden deutliche Unterschiede in der Beurteilung der einzelnen Bereiche evident:
- Obwohl der Bereich Strategie & Fokus insgesamt gut abschneidet, ist lediglich bei einem Drittel der Organisationen die Personalstrategie auch aus der Gesamtstrategie des Unternehmens abgeleitet.
- Der Bereich Steuerung & Strukturen wird insgesamt bloß als mittelmäßig beurteilt, da sowohl Ressourcenmanagement als auch Benchmarking gerade einmal als ausreichend betrachtet werden.
- Die personalwirtschaftlichen Prozesse zeigen ein deutliches Entwicklungspotential auf. Hier sollte das Augenmerk insbesondere auf die Kundenzentrierung von HR-Prozessen und -Systemen gerichtet werden. Dabei spielt auch der Digitalisierungsgrad eine wichtige Rolle, doch wird dieser bisher lediglich als befriedigend bis ausreichend wahrgenommen.
- Diversity-Ausprägung, Besetzungsqualität von Schlüsselpositionen, Führungsqualität und Potentialträger-Bindung sowie strategische Personal- und Kompetenzberatung, welche alle dem Bereich Kompetenzen & Kultur zugeordnet werden können, zeichnen sich dagegen durch gute Bewertungen aus.
HR-Verantwortlichkeit im Digitalisierungsprozess
Laut eigener Aussage fällt dem HR bei der Unterstützung des Digitalisierungsprozesses eine bedeutende Rolle zu. Daher verwundert es, dass nur etwa ein Drittel der Befragten (wenigstens teilweise) über eine konkrete Digitalisierungsstrategie verfügt, obwohl sich 75 Prozent durch die Digitalisierung beeinflusst fühlen.
Des Weiteren zeigt sich, dass lediglich 34 Prozent der Studienteilnehmer den digitalen Kompetenzen im Personalmanagement eine zentrale Bedeutung zumessen, während die tatsächliche Qualität ebendieser sogar von nur fünf Prozent als hoch bis sehr hoch und von 42 Prozent als eher hoch beurteilt wird. Auffällig ist auch, dass in den wenigsten Fällen ausreichende Kompetenzen und Ressourcen zur Verfügung stehen, um die Digitalisierung konsequent voranzutreiben, obwohl sie als eine der größten und wichtigsten Herausforderungen unserer Zeit gilt.
Prozessoptimierung und Ressourcenumverteilung sind nötig
Betrachtet man das Rollenselbstverständnis von Personalentscheidern in öffentlichen Organisationen, so zeigt sich, dass dieses mit dem der HR-Beschäftigten in der freien Wirtschaft korrespondiert. So betrachten sich etwa 70 Prozent der öffentlichen Institutionen genau wie Organisationen in der freien Wirtschaft vorrangig als HR-Businesspartner für Führungskräfte, doch hakt es im Public Sector im Vergleich an der Realisierung dieser Vision. Dies zeigt sich vor allem daran, dass öffentliche Institutionen beinahe 60 Prozent ihrer Kapazitäten für die Personalabrechnung und-sachbearbeitung aufwenden, während Unternehmen aus der freien Wirtschaft lediglich 38 Prozent in diesen Bereich investieren.
Wie also lässt sich diese Umsetzung verbessern? Wie können es öffentliche Organisationen erreichen, mit der freien Wirtschaft gleichzuziehen? Die Antwort findet sich in der Optimierung grundlegender Strukturen und Prozesse, welche so verändert werden müssen, dass eine Umverteilung von Ressourcen erfolgt – was wiederum stark mit dem Handling der Digitalisierung verknüpft ist. Gerade personelle Ressourcen, die derzeit für administrative Aufgaben eingesetzt werden, können durch Digitalisierungsmaßnahmen geschont und an anderer Stelle effektiver eingesetzt werden. So könnte auch die Verfügbarkeit verwaltungstechnisch, personalwirtschaftlich und zwischenmenschlich eigentlich gut qualifizierten Personals gesteigert und personelle Engpässe überwunden werden.
Der Handlungsbedarf ist enorm
Insgesamt zeigt die vorliegende Untersuchung, dass öffentliche Organisationen unter einem immensen Handlungsdruck stehen, um im HR-Bereich und damit auch in der Gesamtperformance zukünftig mit Unternehmen der freien Wirtschaft mithalten zu können. Voraussetzung dafür ist eine organisatorische Umstrukturierung, die mit der Digitalisierung administrativer Aufgaben beginnen kann. Eine zentrale Rolle wird dabei spielen, ob die öffentlichen Organisationen die Professionalisierung beim e-Recruiting und Onboarding schnell bewältigen. Dafür ist jedoch vor allem eines notwendig: Die Entwicklung einer konkreten Digitalisierungsstrategie, die Personalentscheidern in der Konsequenz erlaubt, sich stärker auf ihre angestrebte Rolle als HR-Businesspartner zu fokussieren.
Die vollständige Studie finden Sie hier.