Strategische Personalbedarfsplanung in einer digitaleren öffentlichen Verwaltung
Die öffentliche Verwaltung wurde durch die Pandemie in den letzten Wochen vor eine echte Bewährungsprobe gestellt.
Nicht nur in den Kliniken und den Gesundheitsämtern, auch in Wissenschaftsorganisationen, Ministerien und vielen lokalen Behörden gab es erkrankte und betroffene MitarbeiterInnen, strukturelle Einschränkungen durch den Hygieneschutz und Homeoffice. Auf der anderen Seite aber eine Zunahme von Arbeit! Wochenendschichten wurden gefahren, Fremdpersonal schnell geschult und eingesetzt sowie weniger dringende Aufgaben verschoben, was zu Rückständen für die nächsten Monate führen wird. Und – das ist inzwischen geteiltes Wissen – die Defizite in der Digitalisierung wurden zu einem ernsthaften Problem. In vielen Gesundheitsämtern wurden Papier und Excel zur riskanten Basis der Nachverfolgung von Kontaktpersonen. Die Ad-Hoc-Maßnahmen, die für die Arbeit aus dem Homeoffice getroffen wurden, um die Abläufe von Organisationen aufrecht zu erhalten, sind häufig Übergangslösungen, die auf lange Sicht nicht optimal funktionieren.
Zusätzlich treffen der Fachkräftemangel und der demographische Wandel, der das altersbedingte Ausscheiden von gut 25 Prozent der Beschäftigten bis 2026 verursacht wird, zunehmend auch die öffentliche Verwaltung.
Deshalb stehen fast alle öffentlichen Verwaltungen vor einer wirklich wichtigen, strukturellen Frage: Wie viele MitarbeiterInnen mit welchen Kompetenzen benötigen wir, um die zukünftigen Bedarfe der Organisation abzudecken und ihre Leistungsfähigkeit aufrechtzuerhalten? Welche Dienstleistungen, Prozesse und Schnittstellen können wir digitalisieren und wie wirkt sich diese Digitalisierung auf den qualitativen und quantitativen Personalbedarf aus?
Diesen Herausforderungen kann die öffentliche Verwaltung mit einem proaktiven und zukunftsorientierten Personalmanagement begegnen. Eine hilfreiche Grundlage bietet hier die Strategische Personalbedarfsplanung (SPP), die sowohl kurz- als auch langfristige Notwendigkeiten berücksichtigt und damit sowohl für den akuten Krisenfall wie auch für die „Post-Corona“-Welt ein geeignetes Planungsinstrument darstellt.
Wie funktioniert SPP?
Bei der Strategischen Personalbedarfsplanung werden der Personalbestand und der zukünftige und von strategischen Entscheidungen abhängige Personalbedarf verglichen, um sogenannte Über- und Unterdeckungen (also Abweichungen vom tatsächlichen Bedarf) und damit einhergehende Kapazitätsrisiken aufzudecken. Dafür sind sowohl Informationen über den aktuellen Personalbestand in einzelnen Berufsgruppen, deren Aufgaben und die dazugehörigen Bearbeitungsaufwände erforderlich als auch über die Aufgaben und Aufwände, die in Zukunft für diese Gruppen anfallen werden. Letztere lassen sich auf Basis bestimmter Indikatoren im Zuge einer klassischen Personalbedarfsplanung (PBE) ermitteln.
Liegt eine Unterdeckung vor, werden die Bedarfe anschließend nicht nur quantitativ, sondern auch im Hinblick auf Qualifikationsanforderungen dargestellt. In diesem Kontext werden personalwirtschaftliche Maßnahmen wie beispielsweise die Erstellung eines Qualifizierungsplans, die Veränderung von Rollen oder die Nachwuchsentwicklung erarbeitet. Im Falle einer Überdeckung wird diese ebenfalls quantitativ und qualitativ aufgezeigt. Hier sind in der Folge Maßnahmen wie Verzicht auf Nachbesetzungen oder Versetzungen zu evaluieren.
Kurzfristig zu treffende Entscheidungen
Um die aktuelle Situation korrekt zu erfassen und einen nachhaltigen Nutzen zu generieren müssen unter anderem die folgenden akuten sowie strategischen Fragen beantwortet werden:
- Welche konkreten Auswirkungen hat die derzeitige Situation auf den Personalkörper?
- Welche alternativen Einsatzmöglichkeiten gibt es für Mitarbeitende, deren Aufgabenbereiche aktuell ruhen?
- Wo und wann müssen Kompetenzen aufgebaut werden, um ein effizientes mobiles Arbeiten zu ermöglichen?
- Wie können wir den Aufbau und die Weitergabe von Know-how sicherstellen?
- In welchen Bereichen wird die Digitalisierung und Automatisierung zu einem Wegfall von manuellen Tätigkeiten führen und somit auch Personal entlasten?
- In welchen Bereichen können wir die OZG-Umsetzung beschleunigen? Wo liegt der größte Nutzen für BürgerInnen, Wirtschaft und andere gesellschaftliche Gruppen?
- Wo führen Digitalisierung und Automatisierung zu echten Einsparungen? Was dürfen wir trotz möglichem Konsolidierungsdruck auf keinen Fall verschieben?
Welchen langfristigen Nutzen bietet die Strategische Personalbedarfsplanung?
Während in der aktuellen Krise Ad-hoc-Auswertungen und Maßnahmen wie die genannten erforderlich sind, können mittelfristig längere Planungszyklen, bspw. über drei bis fünf Jahre, festgelegt werden. Die Verwaltungen verankern die Personalbedarfsplanung daher üblicherweise in einem langfristig ausgerichteten Regelprozess.
Dadurch können proaktiv Personalmaßnahmen wie die Nachfolgeplanung, die Rekrutierung bestimmter Spezialisten oder der Aufbau neuer Kompetenzen durch Schulungsprogramme eingeleitet werden, wodurch eine frühzeitige Reaktion auf zukünftig drohende Engpässe ermöglicht wird. Mit der SPP schaffen öffentliche Organisationen Transparenz zur Personalstruktur und kalkulierbare Szenarien für die Zukunft.
Unsere These: Ohne die Kombination aus Digitalisierung und strategischer Personalplanung ist eine wirtschaftliche und leistungsfähige Verwaltung nicht sicherzustellen!
Haben Sie Fragen oder wollen mehr über das Thema erfahren? Wenden Sie sich gerne an unseren Autor:
Dr. Hilmar Schmidt | E-Mail: hilmar.schmidt@kienbaum.de | Tel.: +49 211 96 59-124