Bau- und Immobiliensektor

Ursachen, Wirkungen und To-dos rund um die Rekordpreisentwicklungen

In der Bau- und Immobilienbranche herrschen historische Zustände: Rekordpreise sorgen auf allen Ebenen für Sorgenfalten, Hiobsbotschaften erreichen uns wöchentlich. In der öffentlichen Diskussion geht dabei so manches unter. Gründe sowie Ableitungen in einem schnellen Überblick.

Über viele Jahre hinweg wurden steigende Personalkosten als der wesentliche Preistreiber auf der Unternehmensseite im Bau- und Immobiliensektor ausgemacht. Und das nicht zu Unrecht: Gehaltsentwicklungen, Personalmangel und ein steigendes Selbstbewusstsein auf der Mitarbeiter-/Kandidatenseite zeigen Auswirkungen. Diese Entwicklung hat nach unserer Erfahrung weder im Bereich erfahrener Fachkräfte, noch auf dem Level von Abteilungsleitern, Geschäftsführern oder Vorständen nachgelassen. Die Auftragsbücher im Bausektor sind gut gefüllt, fehlende Fach- und Führungskräfte sind eine besonders große Herausforderung. Hinzu kommen Effekte, wie der kürzliche Tarifabschluss im Bausektor, die ebenfalls Druck auf der Kostenseite ausüben.

Seit Ende 2020 wird dieser preistreibende Faktor durch einen weiteren massiv verstärkt mit einem vorübergehenden Höhepunkt in den vorangegangenen Monaten: merklich steigende Preise und ein Mangel in der Material- und Rohstoffbeschaffung.

Beschaffung als Nadelöhr auf einem globalisierten Markt

Unterschiedliche Ursachen in verschiedenen Regionen der globalisierten Welt tragen zu dieser Entwicklung bei: die Corona-bedingten Produktionsausfälle oder Werksstillegungen, „verstopfte“ Handelsrouten, stark eingeschränkte Großhäfen an chinesischen Küsten und (wieder) stark anziehende Volkswirtschaften, wie die USA und die Volksrepublik China. Die Preisentwicklung betrifft nicht nur Stahl, Holz und Beton, auch Kunststoffe, Bleche und Dämmmaterialien bewegen sich auf hohen Preisniveaus.

Naturgemäß müssen Preissteigerungen an die Bauherren und Auftraggeber weitergegeben werden, Entspannung bis hin zu sinkenden Kosten auf der Beschaffungsseite sind kurz- bis mittelfristig kaum zu erwarten. Die Marktteilnehmer stellen sich auf die Veränderungen ein: Produzenten erweitern ihre Kapazitäten auf beiden Seiten des Atlantiks, Bauherren verschieben die Nachfrage nach hinten, Mitarbeiter werden geschult und eingestellt, Prozesse werden optimiert, Bauunternehmen stellen die Produktion zum Teil um. Ein Ausweichen auf alternative Materialien, recycelte Produkte, Kunststoff- oder Beton-/Zement-Alternativen ist ebenso eine Folge.

Unternehmen stellen sich auf die Beschaffungsprozesse der Zukunft ein und denken um

Derartige Entwicklungen drücken auf die Wirtschaftlichkeit und Kalkulierbarkeit von Immobilienprojekten. Es trifft die unterschiedlichen Bereiche gleichermaßen: Gewerbe- wie Privatkunden entlang aller Immobiliennutzungsklassen. Ebenso wie es entlang aller Produktklassen eine Dynamik gibt, die es seit langer Zeit nicht gegeben hat – ob es den Wasserhahn, die Schraube, die freigeplante Küche oder die Dachlatten betrifft. Bauunternehmen und Bauträger müssen insbesondere gegenüber Enderwerbern im Bereich Wohnen bereits die vierte oder fünfte Preissteigerung begründen und nachverhandeln, Preisanpassungen um 10-15% sind keine Seltenheit. Langfristige Verträge und Preisgarantien können Käufer und Erwerber schützen – hin und wieder bringen diese Entwicklungen einzelne Unternehmen in Bedrängnis.

Wir nehmen vermehrt Stimmen wahr, die nach fairen Nachverhandlungen auf beiden Seiten rufen – frei nach dem Motto: „Leben – und leben lassen.“ Viele Auftraggeber und Nachunternehmer suchen nach einvernehmlichen Lösungen, da man auch in der Zukunft miteinander arbeiten möchte. Projektentwickler und große Quartiersentwicklungen sind meist mit Zeitversatz betroffen, da hier Verträge über mehrere Jahre geschlossen worden sind und – bei geschickter Verhandlungsführung und Beschaffung – Preissteigerungen im überschaubaren Rahmen relevant werden können. Alternativ kann ein Aufschieben von Projektzeitplänen Entlastung schaffen.

In den Gesprächen mit unseren Auftraggebern stellen wir immer wieder fest, dass Preisentwicklungen ein Thema sind, mit dem „man umgehen müsse“. In den wenigsten Fällen führen Materialknappheiten bislang zu Baustopps oder eklatanten Verzögerungen. In den Vertragswerken sichert man sich zunehmend ab, indem längere Bau- und Laufzeiten vereinbart und Preisgleitklauseln integriert werden. Entmutigen lassen sich die wenigsten Unternehmen, zugleich zeigt man sich positiv, dass die Preissteigerung alsbald ein Ende nehmen wird – die Unternehmensverbände sehen es pessimistischer und rufen nach politischer Unterstützung. Vorausschauende und dynamische Projektplanung sowie die Optimierung interner Abläufe rücken zunehmend in den Fokus von Organisationen in unserer Branche.

Welche strukturellen Konsequenzen ziehen Unternehmen daraus?

Mit Blick auf die Praxis eröffnen sich in Unternehmen zunehmend flexible Herangehensweisen – die Wahl fällt, wo es möglich ist, vermehrt auf Produkte, die zu einem großen Teil in Deutschland gefertigt werden können (bspw. Betonfertigteile). Immer mehr Unternehmen stellen sich zudem die Frage, ob das Prinzip „just-in-time“ an der einen oder anderen Stelle überdacht werden sollte. Einige Hersteller und Bauunternehmen beginnen mit dem Bau oder Kauf von Logistik- und Hochregallager-Standorten – dies führt in der Folge zu einem Nachfrageanstieg in der Nutzungsklasse Logistik. Hier gab es bereits in den vergangenen Jahren eine stetig steigend und starke Nachfrage – die Projektentwickler und Asset Manager in diesem Sektor scheinen aber gut vorbereitet zu sein.

In den vergangenen Jahren waren ebenfalls stark ansteigende Nachfragen nach Personal in den Bereichen digitales Planen und Bauen (BIM, 3D-Planung, bereichsübergreifende Arbeitsvorbereitung), Ausschreibung und Vergabe sowie im technischen Baueinkauf (Leistungen, Material) zu verzeichnen. Organisationen, die sich in diesen Abteilungen bereits verstärkt und die internen Beschaffungsprozesse optimiert haben, werden auch im Hinblick auf die Verschärfung in der Materialbeschaffung einen „Vorsprung“ haben, in dem sie die besseren Netzwerke haben, alternative Lieferanten bereits kennen und auf lange Sicht gelungene und kalkulierbare Einkaufskonditionen geschlossen haben.

Personal, Beschaffung und Digitalisierung

In der Kombination mit der voranschreitenden und notwendigen Digitalisierung wird man sich intern Entlastung verschaffen können (sofern die personellen Kompetenzprofile dies zulassen). Die Integration und weiterführende Prozessoptimierung entlang aller Abschnitte in Planung, Arbeitsvorbereitung und Ausführung birgt enorme Potentiale. Die drei Themenkomplexe Personal, Beschaffung und Digitalisierung werden in diesem Kontext nun viel häufiger im wechselseitigen Zusammenspiel betrachtet. Die Berücksichtigung und Integration dieser entlang der unternehmerischen Wertschöpfungsketten gilt in vielerlei Hinsicht, u.a. auf der Ebene der Fachkräfte, für Senior- und Stabstellenfunktionen, wie auch auf den ersten und zweiten Managementebenen.

Wir begleiten viele unserer Kunden auf dem Wege der Digitalisierung von Bau- und Planungsprozessen und in der Ergänzung von Kompetenzen in Führungsebenen und -gremien – häufig in verdeckten Suchmandaten, um Wettbewerbsvorteile zu halten und die eigenen Fachabteilungen zu entwickeln, aufzubauen und intern einzubetten. Es zeigt sich: wer sich frühzeitig auf diese Entwicklungen einstellt und vorausschauend plant, hat das Momentum auf seiner Seite.

Haben Sie Fragen? Sprechen Sie uns an!

Nils Juncken| E-Mail: nils.juncken@kienbaum.de | Tel.: +49 40 32 57 79-46

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