Kienbaum im Interview mit Doris Höpfl, ElringKlinger AG

„Zusammen können wir fast alles schaffen“

Doris Höpfl leitet seit 2019 den Personalbereich der ElringKlinger AG, einem weltweit tätigen Zulieferer der Automobilindustrie mit Sitz in Dettingen an der Erms. Davor war sie im Rechts- und Personalbereich der Grammer AG im In- und Ausland tätig. Mit Kienbaum-Beraterin Dr. Anna-Maria Karl hat sie über die Herausforderungen für Unternehmen nach dem Lockdown und die Bedeutung der HR-Funktion für die Gestaltung des „Status Now“ gesprochen.

Frau Höpfl, Sie sind seit gut einem Jahr bei ElringKlinger. Wie war die Ausgangssituation bis zum Beginn von COVID-19 am Anfang des Jahres?

ElringKlinger steckt, wie die ganze Automobilindustrie, in einem großen Transformationsprozess. Das zeigt sich bei uns unter anderem in einem sichtbaren Transfer im Bereich des Produktportfolios, der mit der Weiterentwicklung von Strukturen, Prozessen und Themen einhergeht. Der Gesamtkontext ist hochkomplex. Als HR müssen wir dieser Situation mit einem ganz anderen Verständnis als früher begegnen, um hier einen Wertbeitrag zu leisten und die einschneidenden Veränderungen zu begleiten.

Doris Höpfl, Rechtsanwältin, Vice President Human Resources, ElringKlinger AG

Die Corona-Krise kam also noch als weitere Herausforderung auf die Organisation zu. Wie haben Sie den Lockdown im Unternehmen erlebt?

Angefangen hat ja alles in China; zunächst wurden daher auch bei uns Reisen von und nach China eingestellt. Dann kam Europa dazu, weltweite Maßnahmen wurden definiert, Quarantänen für Reiserückkehrer etabliert. Irgendwie schien es, als ob eine Welle über einem zusammenschlägt. Aber es war klar, dass wir uns der Situation stellen müssen. Das hat überraschend gut funktioniert.

Hatten Sie die erforderliche digitale Ausstattung, um den Betrieb am Laufen zu erhalten?

Wir hatten natürlich eine bestimmte Anzahl an MitarbeiterInnen, die schon über die notwendige IT-Infrastruktur für ein Arbeiten im Homeoffice verfügten. Aber unsere IT hat innerhalb von zwei Wochen über 600 weitere MitarbeiterInnen mit zusätzlichem Equipment ausgestattet. Das lief sehr reibungslos ab. Plötzlich funktionierte etwas, über das wir in den vorangegangenen Monaten lange im Detail diskutiert hatten.

Wie haben Sie in dieser Zeit nach innen kommuniziert?

Wir haben sehr schnell ein COVID-19-Team unter der Leitung von HR eingerichtet. Über dieses haben wir sehr viel und sehr transparent informiert sowie eine Intranet-Plattform für das Thema eingerichtet, auf der alle Informationen den Mitarbeitern weltweit zur Verfügung gestellt wurden. Wir haben schon zu Beginn der Infektionen in China angefangen, einen Pandemieplan aufzustellen und festgelegt, welche Themen wir angehen müssen, von der bereits erwähnten IT-Ausstattung über Maßnahmendefinitionen wie Reisestopps etc. bis hin zu den Hygienemaßnahmen. Wir haben uns immer wieder gefragt: Was müssen die MitarbeiterInnen wissen? Wie können wir sie am besten informieren? Wir haben Mail-Adressen eingerichtet, an die jeder alle nur erdenklichen Fragen stellen konnte. Davon gab es unzählige – und jede einzelne Frage wurde beantwortet.

Welches sind für Sie die wichtigsten „Lessons learned“ aus dieser Zeit?

Am Ende wahrscheinlich die Erkenntnis, dass es zwar ein kleines Team an Menschen ist, das durch solche Krisen steuert, schlussendlich aber die Umsetzung der Maßnahmen nur die gesamte Organisation ermöglicht, gut durch eine solche Phase zu kommen. Das ist ja auch der schöne Aspekt an solchen Situationen. Da machen alle mit, da muss man niemanden gesondert motivieren.

Wie hält man die Motivation aufrecht, wenn dieser Zustand zum neuen „Status Now“ wird?

Das ist eine spannende Frage. Wie gesagt, am Anfang gibt es eine Art Euphorie in der Krise, bei der sich das gute Gefühl ausbreitet, dass wir zusammen fast alles schaffen können. Allerdings ist eine solche Phase natürlich auch sehr anstrengend, vor allem für diejenigen, die sich krisenbedingt z.B. in noch komplexeren Lebensverhältnissen befinden als üblich oder zusätzlich sehr viel Verantwortung übernehmen müssen. Irgendwann treten dann schon auch Erschöpfung und soziale Isolation zu Tage. Die einen sind zu Hause einsam, die anderen haben Stress mit einer vierköpfigen Familie in einer kleinen Wohnung.

Wie kann man dieser Situation begegnen? Welche Rolle spielt Leadership in diesem Kontext?

Wir als Führungskräfte haben die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Menschen nicht in ihr „Sorgenloch“ fallen. Wir werden möglicherweise noch weiterhin viele Aufs und Abs erleben und in der heutigen Welt immer häufiger mit unvorhergesehenen Situationen konfrontiert werden. Vielen Themen können wir mit Lösungen begegnen, beispielsweise durch mehr echte Flexibilität. Natürlich ist Homeoffice super für diejenigen, bei denen es zur persönlichen Situation passt. Aber für manche funktioniert das Konzept oftmals eben nicht. Unsere Aufgabe als HR-Verantwortliche ist es, mit unseren Organisationen flexible Konzepte zu entwickeln, in deren Rahmen sich alle MitarbeiterInnen wiederfinden können.

Glauben Sie, dass die Führung von Teams, die alle dauerhaft oder zeitweise im Homeoffice sind, grundsätzlich schwieriger ist?

Nicht unbedingt; auch vorher waren wir nie alle an einem Ort. Es geht eher darum, was die Krise konkret verändert hat. Die meisten Dinge, die wir beobachten und die sich jetzt entwickelt haben, waren davor auch schon da, wurden aber jetzt beschleunigt. Wenn ich über die neue Arbeitswelt nachdenke, haben wir noch immer sehr viel zu tun, denn die Bedürfnisse der MitarbeiterInnen sind eben divers. Hier bedarf es eines engen Zusammenspiels aller Stakeholder.

Welches sind aus Ihrer Sicht die Erfolgsfaktoren, die benötigt werden, damit die hybride und flexible Arbeitswelt langfristig funktionieren kann, ohne zur individuellen Überforderung zu führen?

Ein wichtiges Element für alle im Unternehmen ist neben der genannten Flexibilisierung sicher, eine transparente Kommunikation zu leben und zu versuchen, in ganz kleinen Schritten Dinge in die richtige Richtung zu bewegen. Im Unternehmen hat man die direkte Möglichkeit, zu schauen, wo man selbst etwas tun kann, und dann auch etwas zu bewirken. Da gibt es aber natürlich auch Grenzen. Ich würde nicht sagen, dass eine Krise generell etwas Positives mit sich bringt (auch wenn im Chinesischen die Zeichen für Krise und Chance identisch sind). Dennoch muss man immer versuchen, etwas Positives aus der Situation abzuleiten. Und dabei braucht es die klare Haltung, etwas bewegen zu wollen, Einfluss zu nehmen und Entscheidungen zu treffen, auch wenn es dabei mal unbequem wird.

Am Ende geht es darum, Haltung zu zeigen und zu bewahren. Also es geht im Kern um Werte und Führung, richtig?

Genau. Das hört sich vielleicht etwas altmodisch an, aber schlussendlich geht es darum, den Menschen in der Krise Halt zu geben. Das können nur Führungskräfte, die sich positionieren, eine klare Meinung haben und das Erarbeiten von Lösungen im Team anleiten können. Da darf man dann auch einmal sagen: „Ich weiß es nicht“. Die Herausforderung für Unternehmen ist eigentlich, die Führungskräfte zu finden und zu entwickeln, die fähig sind, diesen Ansatz umzusetzen und das auch wollen.

Haben sich die Anforderungen an Führung verändert?

Daran, dass sich Leadership unter dem Strich wirklich so massiv verändert hat, habe ich Zweifel. Aber Führung ist heute – und mehr denn je im „Status Now“ – komplexer und anspruchsvoller, weil unberechenbarer, geworden. Führungskräfte müssen noch belastbarer sein, weil sie ihrem Team auch in unsicheren Zeiten aufzeigen müssen, wo es langgeht. Aber gerade das ist ja so spannend, weil man damit so viel bewirken kann und viel weniger vorbestimmt ist als zuvor. Man muss das, was man tut, einfach wollen.

 

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Dr. Anna-Maria Karl | E-Mail: anna-maria.karl@kienbaum.de | Tel.: +49 711 72 72 17-57