Diversity ist die Basis, Inclusion macht erfolgreich

Diversity ist die Basis, Inclusion macht erfolgreich

Gernot Sendowski ist seit 2014 im Vorstand des Charta der Vielfalt e. V. und im Diversity & Inclusion-Team der Deutschen Bank; seit 2018 als Leiter Global Diversity & Inclusion.

Die im November 2020 veröffentlichte Studie „Diversity Trends“ der Charta zeigt unter anderem, dass Unternehmen mit einem etablierten Diversity-Management erfolgreicher auf die Pandemie reagieren konnten. In unserem Interview sprechen wir darüber, warum Flexibilität und Offenheit wichtige Leadership Skills sind und welche globalen Trends für Diversity Management im Nachgang der Krise relevant werden.

 

Lieber Gernot, Du bist seit 2014 im Vorstand des Charta der Vielfalt e. V. und hast ein Jahr später den stellvertretenden Vorsitz übernommen. Auch seit 2014 bist Du im Diversity & Inclusion-Team der Deutschen Bank; seit 2018 als Leiter Global Diversity & Inclusion. Die Initiative „Charta der Vielfalt“, wurde 2006 unter anderem von der Deutschen Bank mit initiiert. Du beschäftigst Dich seit vielen Jahren mit Diversity Management. Welches sind Deine wichtigsten Stationen?

 

Gernot Sendowski

Gernot Sendowski, Mitglied des Vorstands des Charta der Vielfalt e.V. und Leiter Global Diversity & Inclusion bei der Deutschen Bank

Gernot Sendowski: Danke für die Einladung zu diesem Gespräch, Anna-Maria. Ich bin ein Quereinsteiger in die Personalabteilung und in das Thema Diversity & Inclusion. Die überwiegende Zeit meiner 33 Jahre bei der Deutschen Bank habe ich in verschiedenen Fach- und Führungsaufgaben in Kunden- oder kundennahen Bereichen verbracht. Ich hatte dabei zum Beispiel die Verantwortung für rund 140 Menschen in einem deutschen Service Center und hatte von Deutschland aus Teams in diversen Ländern aufgebaut und geführt. Seit rund 25 Jahren bin ich „out“ schwul. Im Umgang mit Vielfalt war ich also erfahren, ehe ich in das Expert:innen-Team kam; zuerst als Leiter Diversity & Inclusion Germany und seit Sommer 2018 als Leiter unseres globalen Teams. Das Mandat bei der Charta der Vielfalt ist mir dabei eine besondere Herzensangelegenheit und ich bin stolz darauf, ein Teil des so erfolgreichen Charta-Teams zu sein.

 

Hat sich die neue Arbeitswelt spürbar auf Diversity in den Unternehmen ausgewirkt?

 

Gernot Sendowski: Diversity Management und neue Arbeitswelten wirken wechselseitig aufeinander. Aus der aktuellen Charta-Studie „Diversity Trends.“, für die insgesamt 510 Führungskräfte und Personalmanager:innen befragt wurden, können wir anhand von Zahlen, Daten und Fakten ableiten, dass Unternehmen, die sich schon länger mit der Umsetzung von Diversity-Maßnahmen befassten, besser auf die Krise vorbereitet waren als andere. Man kann im Vergleich zur Studie aus 2016 feststellen, dass insbesondere die Charta-Unterzeichner:innen in den letzten vier Jahren einen Sprung nach vorne gemacht haben. Aber natürlich wurde das Jahr 2020 wie in vielen anderen Bereichen auch ein bisschen zur Bremse für die Umsetzung von Diversity-Strategien und -Maßnahmen in Unternehmen und Institutionen.

 

Welche Auswirkungen hat der „Status Now“ Deiner Meinung nach auf Leadership Skills?

 

Gernot Sendowski: Grundsätzlich glaube ich, dass die Krise auch etwas Positives bewirkt hat. Sie hat Fähigkeiten und Lösungen hervorgebracht, die vorher vielleicht für völlig undenkbar gehalten wurden. Nach meiner Beobachtung waren diejenigen Teams besonders erfolgreich, die sich schnell auf die neue Situation eingestellt hatten. Die vermeintlichen Soft Skills, wie etwa Anpassungsfähigkeit, Flexibilität und Sozialkompetenz, sind in dieser Zeit, glaube ich, für alle sichtbar und spürbar zu echten Hard Skills geworden. Die Herausforderung sehe ich darin, diese Kompetenzen auch über die Krise hinaus wertzuschätzen und weiterzuentwickeln.

 

 

Gernot Sendowski: Als positiv sehe ich zum Beispiel, dass die Möglichkeit, von zuhause aus zu arbeiten, neue Perspektiven für die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben bietet. Die Digitalisierung bringt für viele Menschen erhebliche Vorteile mit sich hinsichtlich der flexiblen Gestaltung von Arbeitsort und -zeit. Es gibt aber auch viele Mitarbeitendengruppen, die qua Funktion nicht von zu Hause aus arbeiten können oder die in ihrem häuslichen Umfeld keine geeignete Arbeitsumgebung finden. Bei uns in der Bank sind das zum Beispiel die Kolleg:innen in unseren Filialen, die weiterhin jeden Tag „draußen“ für unsere Kund:innen da sind. Viele von denen, die von zuhause arbeiten, de facto insbesondere die Frauen, haben die zusätzliche Herausforderung mit zum Beispiel „Homeschooling“ oder Familienfürsorge. Da gehen die Welten dann doch ganz schön auseinander und es ist nicht alles nur super. Ich sehe zu viele, die sich nur auf die positiven Effekte „abklatschen“. Wir müssen achtsam sein, das ganze Spektrum zu betrachten und möglichst vielen die Chancen zu eröffnen.

 

Diese von Dir geschilderte Situation führt doch dazu, dass auch das Management von Diversity nicht losgelöst von individuellen Rahmenbedingungen und Umsetzungsmöglichkeiten betrachtet werden kann, oder?

 

Gernot Sendowski: Absolut. Auch deshalb haben wir in der Studie „Diversity Trends.“ auch zu sozialer Herkunft als Einflussfaktor befragt und soziale Herkunft als weitere Diversity-Dimension mit aufgenommen. Diversity muss nach den Ergebnissen der Studie auch im Kontext gesellschaftlicher Beziehungen betrachtet werden, da sonst die Gefahr droht, in homogenen „Blasen“ zu denken, die wiederum dem Verständnis vom Mehrwert der Vielfalt entgegen laufen.

 

Kann das Thema Diversity gerade in Zeiten wie diesen Brücken bauen zwischen den unterschiedlichen Gruppen in Unternehmen, aber auch in der Gesellschaft?

 

Gernot Sendowski: Diversity an sich erstmal nicht. Vielfalt ist einfach ein Fakt. Wie wir mit Vielfalt umgehen, kann Brücken bauen. Es geht auch um die Verbindung von Diversity Management und anderen Zukunftstrends wie Globalisierung, demografischem Wandel, Fachkräftesicherung und nachhaltiger Wertschöpfung. Und es geht ebenso darum, Brücken zwischen unterschiedlichen gesellschaftlichen Beteiligten und Gruppen zu bauen. Ausgehend vom „Wirtschaftsforum Vielfalt 2021“ von Anfang März über zum Beispiel den Deutschen Diversity-Tag am 18. Mai wollen wir mehr Menschen für das Thema Vielfalt in der Arbeitswelt mobilisieren. Nicht nur die Geschäftsleitungen oder die Personal- und die Diversity-Expert:innen großer Unternehmen. Wir wollen vielmehr auch die Menschen, die in den Unternehmen und Institutionen aller Größenordnungen arbeiten, erreichen. Sie sind das Bindeglied zwischen Arbeitswelt und Gesamtgesellschaft und können eine hohe positive Strahlkraft haben. Eine Bewegung für Vielfalt quasi.

 

Wo steht das Thema Gender Diversity – also Förderung von Frauen in Führungspositionen – in diesem Kontext?

 

Gernot Sendowski: Bei dieser Frage schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Einerseits bin ich überzeugt davon, dass wir Vielfalt weiter und ganzheitlich denken müssen und Diversity nicht auf eine oder wenige Dimensionen reduziert werden kann. Diversity & Inclusion zusammen sind Hebel für gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Erfolg. Übrigens, das sehen mehr und mehr Investoren und Analysten ebenso. Das Thema Diversity ist de facto längst raus aus den Diversity-Abteilungen; der Zug ist schon in voller Fahrt. Andererseits kommen noch immer viel zu wenige Frauen in den oberen Führungsetagen der Unternehmen und Institutionen an, obwohl Frauen ja nun wirklich keine Minderheit in der Gesellschaft sind. Und, anders betrachtet, wenn wir nicht einmal zu diesem Thema wirklich vorankommen, wie ernst genommen und zugehörig fühlen sich dann tatsächlich unterrepräsentierte Gruppen, zum Beispiel LSBTQI-Menschen, „People of Colour“ oder Menschen mit Behinderung? Wenn wir es nicht schaffen, den Anteil von Frauen und den Anteil von Vielfalt in Top-Führungspositionen sichtbar und nachhaltig zu erhöhen, dann verspielen wir einen Teil unserer Zukunft. Und deshalb denke ich, bleibt der Fokus auf Frauen in Führung nach wie vor wichtig. Ob alleine durch eine erweiterte Quote ein Riesenschritt nach vorne gelingen wird, bleibt abzuwarten. Bei den Aufsichtsräten sehen wir, dass es funktioniert. Möglicherweise wirkt es für die Vorstände auch. Ich bin noch nicht ganz überzeugt; da gehört für mich sehr viel mehr dazu als eine Quote. Es ist für mich eine Frage der Kultur.

 

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Dr. Anna-Maria Karl | E-Mail: Anna-Maria.Karl@kienbaum.de | Tel.: +49 711 72 72 17-57

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