Agilität im HR-Organisationsmodell
In Verbindung mit der neuen HR-Organisation bei Volkswagen, die Personalvorstand Gunnar Kilian in den letzten beiden Wochen vorgestellt hat, wird in einigen Kommentaren ein Mangel an agiler Organisationslogik thematisiert.
Managing Director | HR & Organisation Transformation
Gerade in transformationsgetriebenen Branchen und Geschäftsmodellen handelt es sich hier sicher um eine valide Hinterfragung angesichts von Hype versus realer Vorteile agiler Strukturen und Methoden!
In unserer aktuellen HR-Studie mit Teilnehmern aus primär großen Unternehmen geben quasi Null Prozent an, aktuell in einem agilen Organisationsansatz zu arbeiten. Solch ein Ansatz wird häufig gleichgesetzt mit dem ING- oder Spotify-Modell und ist unterteilt in Einheiten von Tribes, Squads, Chapters und Gilden. – Etwa ein Viertel der Befragten strebt diese Formen in der Zukunft an.
Somit sind agile HR-Organisationsmodelle „die Gewinner“ um die Zukunftsaufstellung – und liegen damit noch vor dem auch bei VW eingesetzten Mehr-Säulen-Modell oder der ambidextren Aufstellung mit einer Run-&-Change-Logik im Innen- und Außenverhältnis, auf die andere Unternehmen setzen.
Erste Erfahrungen zeigen, dass agile Strukturen schnell ins Leere laufen, wenn sie ohne Rücksichtnahme auf ein agiles Mindset in Unternehmenskultur und Leadership (beispielsweise mit geteilter Führung), ohne agile Strukturen der Geschäftsbereiche mit Fokus auf das Projekt- und Innovationsgeschäft, ohne Kompetenzentwicklung der Mitarbeitenden und ohne Anpassung der Laufbahn- und Vergütungsmodelle angelegt werden. Hier sind sogar schon Rückentwicklungen erkennbar.
Weiterhin setzen agile HR-Modelle Folgendes voraus:
- Einen hohen Reifegrad an HR-System- und -Applikationsarchitektur.
- Konsequenz im Umbau von Führungsrollen in Kunden- und Coachingrollen.
- Die Stringente Einbettung von HR-Rollen in Kunden-Squads.
- Die Akzeptanz der Prozess- und Steuerungssystematiken mit Sicherstellung von Verantwortlichkeiten und Schnittstellen zwischen den Tribes.
- Ein übergeordnetes Strategie-Gremium.
- Die Akzeptanz agiler Strukturen und Rollen in den Kundenbereichen von Zentralfunktionen (u.a. IT und Finance) und Geschäftsbereichen.
Radikale agile Modelle sind in mittelständischen Strukturen und insbesondere im Start-up/Grown-up Umfeld einsetzbar.
In klassischen Unternehmensgruppen mit strategischer Holding, Geschäftsbereichen, Regionen, Ländern, Werken und Vertrieben sehen wir die Zukunft eher in einer Mischung von einerseits stabilen Strukturen im “Produktgeschäft” von HR (dazu gehören beispielsweise Administrationsleistungen, Recruiting-Packages oder Standard-Trainings) sowie in der Kundenberatung und andererseits agilen Strukturen im „Konzeptions- und Innovationsgeschäft“ von HR (kundenzentrierte HR-Modelle und -Systeme etwa in Talent/Performance/Personalplanung, Digitalisierung, Data Analytics und Künstlicher Intelligenz).
Diese Ambidextrie fordert eine übergeordnete Governance-, Strategie- und Prozessfunktion.
Und sie muss Freiraum dafür schaffen, dass der eine Organisationsteil eher nach einer Fabriklogik mit End-to-End-Verantwortung und mit klaren Automatisierungsszenarien durch Digitalisierung funktioniert. Ein weiterer Organisationsteil funktioniert dagegen eher nach einer Consulting-Logik: hier wird eine geschäftsorientierte Permanenzbegleitung durch die klassische Business-Partner-Rolle ebenso akzeptiert, wie durch projektbezogene Change Consultants oder Talente-fokussierte People Coaches. Und ein dritter Organisationsteil arbeitet nach einer Forschungs- und Tech-Logik, die primär in Projektteams IT- und Datenlösungen entwickelt, die dann von den vorgenannten Organisationsteilen implementiert werden.
Diese Modellebene allein sichert noch keine agile Transformation – in allen HR-Organisationsbereichen und Jobgruppen sollten agile Methoden trainiert und eingeführt werden. „Musterbrecher“ und gezielte Jobrotation der HR-Mannschaft geben dazu die notwendigen persönlichen Veränderungsimpulse!