15 Jahre HR-Transformation

Die Zukunft der HR-Funktion hängt mehr denn je vom eigenen Veränderungswillen ab

Wenn ich auf die letzten 15 Jahre meiner Beratungspraxis und der Entwicklung in den Personalbereichen bzw. HR-Funktionen großer und mittelständischer Unternehmungen zurückblicke, ergibt sich eine gemischte Bilanz, die sich mit zunehmender Komplexität der Zukunftsherausforderungen im Management der Belegschaften (People Management) ergibt.

Die 5 Kernentwicklungen in HR sind nach meiner Erfahrung und Sicht:

1. Neues Rollenmodell für HR

Der wichtigste Einschnitt auf der Ebene der Organisationslogik ist der (längst noch nicht flächendeckend erfolgte) Wechsel von einer kompetenzbasierten Funktionalorganisation (Experten- und Funktionsbündel, mehrere Ansprechpartner für die Kundengruppen Topmanagement, Führungskräfte und Mitarbeiter) zum sogenannten Dave-Ulrich-Säulenmodell mit den allseits bekannten Kernrollen Business Partner, Competence Center/Experten-Organisation und gebündelten Transaktionsanteilen in der Service Center Teilorganisation.

2. Headcount Ratios stagnieren

Am Ressourceneinsatz, somit den HR-Personalkapazitäten, hat sich über die gemittelten HR-Headcount Ratios wenig geändert. Unserer aktuellen HR-Strategie- und Organisationsstudie zufolge verharrt der Wert durchschnittlich bei 1:74 und ist damit maximal 10 Prozent „besser“ als vor 15 Jahren. Schon die Ergebnisse von 2012 zeigten ein durchschnittliches Ratio von 1:88 – wobei nicht unerwähnt bleiben sollte, dass die Ratios starken Streuungen in Abhängigkeit von der Unternehmensgröße, Branche und gesamthafter Organisationskomplexität unterliegen.

3. Digitalisierung und Agilität: Neue Transformationsebenen zu oft unkoordiniert

Aus einer eindimensionalen Betrachtung zur Verbesserung von Effektivität und Effizienz der HR-Funktion über ein neues Organisationsmodell (wesentliche Bausteine Funktionslogik, Prozesslandkarte und Jobgruppen) haben sich mit den HR-IT-Architekturen und mit Agilisierung und Digitalisierung weitere Transformationsebenen entwickelt – die aus Gründen unterschiedlicher Bedarfsdynamiken überraschend oft nicht koordiniert werden.

4. Kundenorientierung von HR trotz Dave Ulrich stockend

Die von Dave Ulrich anfänglich maßgeblich getriebene Positionierung als kunden- und geschäftsnahe Zentralfunktion, die vom Administrations- auf einen Beratungsfokus umschwenkt, greift noch immer nicht flächendeckend. In unserer aktuellen Studie agieren unabhängig vom Organisationsmodell immer noch knapp 40 Prozent der gesamten HR-Kapazitäten in Serviceprozessen – ergänzt durch rund 35 Prozent in Beratungsfunktionen und 25 Prozent in Expertenfunktionen. Korrespondierend hat es trotz „positiver individueller Ausreißer“ keinen wirklichen Bedeutungsanstieg von Gesamtreputation und Einflussrahmen des Personalbereiches in den Führungsstrukturen der Unternehmungen gegeben.

5. People und Kompetenzen in HR entscheidend

Unseren Studien zufolge entscheidet der Faktor der eigenen Personal- und Kompetenzausstattung mehr über den Reifegrad der Personalarbeit als Prozesseffizienz/IT, strategische Ausrichtung oder gar das Portfolio an Personalkonzepten und -systemen. Hier haben Universitäten und private Hochschulen HR Ausbildungskapazitäten ausgebaut. Dennoch finden sich in den HR-Bereichen trotz langläufiger Popularität von Personalentwicklung und Business Partnering geringe Prozentsätze an Toppotentialen, auch die internationalen oder crossfunktionalen Erfahrungen von HR-Führungsebenen hat sich mühsam von zehn auf knapp 25 Prozent verbessert.

Blick in die Zukunft

Mit der allseits gegenwärtigen digitalen Unternehmenstransformation trifft die HR-Funktion auf eine doppelte Herausforderung und Chance – die eigene digitale Transformation mit kundenzentrierten, digitalisierten HR-Produkten und Prozessen einerseits, die wirksame Transformationsberatung der Unternehmung mit digitaler Kompetenzentwicklung, strategischer Personalplanung für Jobprofile der Zukunft, Kultur- und Organisationsentwicklung andererseits.

Somit stehen Unternehmungen und HR-Funktionen vor einer disruptiven Veränderung. Zum Gestalter und Gewinner werden sie, wenn sie schon heute einen hohen Reife- und Professionalisierungsgrad, verbunden mit Lernagilität und zukünftig entscheidenden Kompetenzen aus Markt/Technologie/Innovation aufweisen.

HR-Bereiche sind zu oft Mittelmaß

Und hier trennt sich die Spreu vom Weizen – wir leiten aus unseren Studien ab, dass sich nur 15 bis 20 Prozent der HR-Funktionen in einem hervorragenden Performance- und Organisationsmodell befinden, dass zusätzliche 40 Prozent einen profunden und potentialgelandenen Reifegrad aufweisen. Verbleiben 20 Prozent HR-Funktionen mit niedrigem und weitere 20 bis 25 Prozent mit ausbaufähigem Reifegrad, die akuten hohen Verbesserungsbedarf aufweisen – der durch das Topmanagement ausgelöst und gesteuert werden muss.

Die Zukunft der HR-Funktion als maßgeblicher Treiber der People-Faktoren hängt somit mehr denn je von der eigenen Veränderungsbereitschaft und -professionalität ab, womit sich ein hoher Personalbedarf nach digitalen, businessaffinen und consulting-orientierten HR-Profilen verbindet.