„Vertrauen und Respekt sind die wichtigsten Grundlagen für eine gelingende Transformation“
Führungskräften, die ein Umfeld schaffen, das von Vertrauen und Respekt für die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeiter:innen geprägt ist, gelingt jede Transformation. Davon ist Michael Schlüpmann, VP People and Organizational Development von Hensoldt, überzeugt. In unserem Interview erläutert er, was ein „Holding Environment“ im Führungsalltag bedeutet und wie man mit einem vertrauensbasierten Führungsansatz Mitarbeiter:innen ermutigen und zu Höchstleistungen motivieren kann.
Lieber Michael, wir kennen uns schon seit vielen Jahren und haben schon oft über aktuelle Leadership-Themen diskutiert. Aber heute mal zu Dir: Wie lautet Dein Führungsverständnis auf den Punkt gebracht?
Mir ist als Führungskraft sehr wichtig, dass man Menschen individuell über die Zeit zu verstehen lernt, sie Schritt für Schritt auf ihrem Weg begleitet und eine Zielorientierung aufzeigt. Auf den Punkt gebracht heißt das, dass man das Design eines Entwicklungsweges im Kopf hat, um bei den Mitarbeiter:innen selbst eine gewisse Vision auszulösen, in welche Richtung sie wachsen und mit welchen Skills und Kompetenzen sie das erreichen können.
Es wird auf dem Weg nicht immer so sein, wie man es sich am Anfang vorgestellt hat. Insofern sehe ich mich als den Wegbegleiter, der einfach da ist und zur Seite steht, wenn es im Laufe der Zeit viele Abzweigungen gibt. Es geht mir darum, auch wenn das jetzt ein bisschen standardisiert klingt, die Mitarbeiter:innen dabei so zu begleiten, dass sie die Zusammenarbeit als eine – wirklich schöne Lebensphase erleben.
Wie wurdest Du, was Du heute als Führungskraft bist? Wer oder was hat Dich geprägt?
Ich weiß gar nicht, ob ich da eine prägende Thematik hatte. Ich hatte einen relativ komplizierten Lebenslauf bis ich ins Berufsleben eingestiegen bin, und habe wahnsinnig viele Dinge ausprobiert. Dabei habe eigentlich immer gemerkt, dass es einen geben muss, der die Verantwortung übernimmt. Und das ist egal, ob es um den Promotionsstand im Supermarkt oder um andere Dinge geht. Einer muss halt in den Lead gehen. Und ich habe auch festgestellt, dass die Leute das ganz gerne bei mir angenommen haben.
Das hat mir ein bisschen die Resilienz bei dem Thema gegeben, diesen Mut aufzubringen, ruhig auch mal der Primus inter pares zu sein, aber eben nicht als dominanter „Anführer“, der dann nur Befehle erteilt, sondern als Sparringpartner, der sehr stark auf Dialog ausgerichtet ist. Diese Erfahrungen haben mich sehr stark geprägt.
Wenn ich jetzt an meine eigenen Vorgesetzten denke, die ich selbst als Mitarbeiter hatte, würde ich sagen, dass es einige Chefs gab, die das vom Führungsverständnis her genau gelebt haben. Die mir Schritt für Schritt immer wieder neue Optionen aufgezeigt haben, neue Dinge auszuprobieren und mir dabei ein absolutes Backing gegeben und mir vertraut haben.
Vertrauen kommt in Deinen Ausführungen sehr oft vor und ist fast ein Schlüsselwort. Welchen Stellenwert hat Vertrauen in deinem Führungsalltag?
Ich sehe mich als einen Innovator und kreativen Geist, der mutig ist und echt großes Interesse daran hat, neue Themen anzupacken und diese gemeinschaftlich mit den Mitarbeiter:innen zu diskutieren. Sachen, die ich spannend finde, möchte ich gerne ausprobieren, und dies natürlich nicht allein. Ich finde es sehr wichtig für Führungskräfte, inspirierend auf die Mitarbeiter:innen zu wirken, Freiräume und Vertrauen zu geben, damit sie selbst neue Dinge ausprobieren und in einem sehr offenen Raum selbst gestalten und experimentieren können. Das heißt für mich auch, fast schon ein freundschaftliches Verhältnis aufzubauen und zu pflegen. Das klingt vielleicht etwas gefährlich, aber diese Menschlichkeit und die Werte, die im Führungsverhältnis gegenseitig vermittelt werden, sind mir wichtig. Also nicht allein transaktional zu führen, sondern sehr stark auf den Mitarbeiter bezogen.
Was macht Dich zu einem „Change Maker“ in einer von Unsicherheit und hoher Komplexität geprägten Welt, die wir heute als „VUCA“ bezeichnen?
Ich meine, dass dieses VUCA-Thema in Bezug auf Führung eigentlich gar nicht so neu ist. Natürlich hat man immer wieder Herausforderungen, die man nicht antizipieren kann. Und wenn man sich die weltpolitische Situation anguckt, gibt es ja täglich neue Themen, die zusätzlich zu den seit Corona begonnenen Veränderungen dazu gekommen sind. Ich glaube, dass Vertrauen in diesem Kontext entscheidend ist.
Aber auch Respekt für die individuellen Bedürfnisse von Mitarbeiter:innen ist wichtig. Für mich gibt es daher auch keine „Work-Life-Balance“, sondern es gibt eben beide Lebensbereiche, die unterschiedliche Priorität bei den Mitarbeiter:innen haben.
Es war klar, dass sich jemand während der Corona Zeit um die Kinder zuhause kümmern musste und dann natürlich nicht mehr so präsent im Unternehmen sein konnte wie davor. Vertrauen und Respekt machen für die Mitarbeiter:innen am Ende den Unterschied. Wenn man das ausdrücken und den Menschen im Unternehmen vermitteln kann, dann kann man alles erreichen. In der Psychologie spricht man von „Holding Environment“. Damit wird eine Grundstruktur des Vertrauens und Respekts beschrieben, die eine Umgebung schaffen, die den Menschen Halt gibt und die Möglichkeit zu wachsen und sich zu dem zu entwickeln, was sie werden können.
Vertrauen und Respekt sind für mich das Wichtigste. Immer, wenn es gelingt, ein solches „Holding Environment“ zu schaffen, dann gelingt meines Erachtens jede Transformation. Dann braucht man auch keine Angst vor Change zu haben, weil die Mitarbeiter:innen das Vertrauen entwickeln, dass man die Herausforderungen gemeinschaftlich schafft und die Resilienz entwickelt, Dinge proaktiv und mutig anzugehen.
Der Purpose von Hensoldt lautet: „Together we are making the difference for a safer tomorrow”. Das passt ja sehr gut zum Titel unserer Blog-Reihe „Making the difference“! Wie würdest Du den Purpose Eurer Organisation beschreiben? Inwiefern macht Ihr bei Hensoldt den Unterschied?
Nachdem die Hensoldt AG aus dem Airbus Konzern ausgegründet wurde, stand die Frage im Raum, was denn jetzt eigentlich unser Purpose sei. Es war zwar schon immer klar, dass die hohe Qualität, die wir mit unseren Produkten liefern, stets dem Menschen dienen muss, der eines unserer Systeme bedient. In unserer Branche darf da kein Fehler passieren. Das heißt, dieser hohe Anspruch, für eine sichere Zukunft von morgen zu sorgen, ist bei uns sehr stark im Unternehmen verwurzelt.
Wir haben dieses Vision Statement in den letzten zwei Jahren im Rahmen eines Transformationsprozesses zusammen mit Mitarbeiter:innen und Führungskräften entwickelt und stellen heute fest, dass dieser Purpose durch die geopolitischen Krisen der aktuellen Zeit bei der Belegschaft tief verwurzelt ist. Ich glaube, dass unsere Ingenieur:innen und alle, die bei uns arbeiten, verstanden haben, dass wir hier einen echten Beitrag für unsere Soldatinnen und Soldaten und am Ende für unsere Demokratie und unsere Werte leisten können.
Welche Skills sind für Dich in Bezug auf Transformation von Organisationen am wichtigsten?
Das kann ich ganz klar beantworten: Neugier, Netzwerkkompetenz und Self-Leadership! Also, neugierig zu sein, bedeutet ja auch, mutig zu sein und sich mit Dingen auseinanderzusetzen, die man überhaupt nicht kennt, und damit Innovation und Kreativität zu fördern. Daneben halte es für sehr wichtig, ein großes Netzwerk zu besitzen. Und drittens braucht man aufgrund der enorm hohen Komplexität in diesem New Normal eine gute Portion „Self-Leadership“. Nur eine psychisch oder physisch stabile Persönlichkeit ist heute in der Lage, offen auf die Welt zuzugehen, um die Dinge zu ordnen, auch, um Vielfalt richtig einzuordnen, um sie dann in den Kontext des Unternehmens zu bringen.
Daher sollte jedes Unternehmen sich auch besonders um die Führungskräfte kümmern. Und es nicht zu ignorieren, wenn die mal Schwierigkeiten haben, sondern sich wirklich mit den Leuten beschäftigen und herausfinden, warum das so ist. Eine Führungskraft, die nicht „gesund“ führen und sich nicht reflektieren kann, wird am Ende ein sehr schlechtes Vorbild für alle anderen Mitarbeiter sein.
Letzte Frage, die wir immer stellen: Welche drei Personen würdest Du auf eine einsame Insel mitnehmen, um nach der Rückkehr eine noch bessere Führungskraft zu werden?
Ja, das ist schwierig, weil ich vielleicht auch gar niemanden mitnehmen würde und die Insel mal brauche, um meine Ruhe zu haben. Aber wenn ich drei Personen auswählen würde, dann wahrscheinlich jemanden mit deutlich mehr Lebenserfahrung als ich. Das kann meine Oma sein, die leider nicht mehr lebt, mit der ich ganz tolle Gespräche führen würde, wie so ein Leben eigentlich funktioniert und was da wichtig ist.
Als zweite Person würde ich wahrscheinlich meinen Sohn mitnehmen, weil der eine Generation repräsentiert, die ich wirklich nicht so gut kenne. Ich glaube zwar, sie zu kennen. Aber in meinen Gesprächen mit ihm stelle ich immer wieder fest, dass es doch anders ist.
Und drittens eine Person aus der Gegenwart, die mir positive Energie gibt, mit der ich Spaß haben kann und die mich in irgendeiner Form positiv auflädt. Idealerweise sind es also Vertreter:innen der vergangenen, der aktuellen und der zukünftigen Welt. So ein bisschen wie bei der Weihnachtsgeschichte (lacht).
So kurz vor Weihnachten ist das ein wunderbarer Schlussgedanke. Vielen Dank, lieber Michael, für das interessante Gespräch!
Über den Gesprächspartner
Michael Schlüpmann, VP People and Organizational Development vom Rüstungszulieferer Hensoldt.
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