Auch C-Level müssen sich grundlegend in Frage stellen

Auch C-Level müssen sich grundlegend in Frage stellen

Roland Braun berät bereits seit mehreren Jahren bei Kienbaum C-Level in Karrierefragen. Im Gespräch gibt er einige Einblicke, wie eine Neuplatzierung auf höchsten Führungsebenen von ihm begleitet wird.

Wie muss man sich die Kontaktaufnahme eines C-Levels mit Veränderungswunsch vorstellen?

Häufig wird mit New Placement von Außenstehenden assoziiert, dass eine Person passiv in die Situation gerät, sich schnellstmöglich etwas Neues suchen zu müssen. Ich gebe da gerne ein Beispiel, wie es laufen kann, wenn jemand die Lage frühzeitig erkennt – denn Zeichen gibt es häufiger als man denkt – und dann selbst aktiv wird.
Mich rief Anfang 2018 ein Vorstand einer mittelgroßen, international aufgestellten Aktiengesellschaft und zugleich Konzerntochter an: Er interessiere sich für unser Programm Kienbaum C-Suite. Beim persönlichen Treffen sagte er mir, dass er damit rechne, sich kurzfristig umorientieren zu müssen. Zum Hintergrund erfuhr ich, dass sein Unternehmen aus einer Fusion hervorgegangen ist, aus der jeweils zwei Vorstände der Ursprungsorganisationen das neue Board bilden. Sein Vertrag laufe in acht Monaten aus und eine Verlagerung sei bis jetzt noch kein Thema, obwohl in der Regel spätestens neun Monate vorher solche Gespräche begännen. Gleichzeitig sei der andere Kollege aus gemeinsamen Zeiten in ein anderes Unternehmen weggelobt worden.

In einer solchen Situation fühlen sich wahrscheinlich viele Menschen wie „erstarrt“. Wie geht man als Berater bei einer Karriereberatung dann vor?

Das stimmt, dieses „Erstarrungsgefühl“ beschreiben meine Kandidaten häufig in einer ungewissen Situation. Daher bin ich froh, dass er gleich von sich aus auf uns zukam, mit dem Wunsch, sich vorsorglich auf die berufliche Neuorientierung vorzubereiten. Er war sehr selbstkritisch und meinte, ihm fehlten bei aller Expertise die Kenntnisse für eine aktive Neupositionierung. – Bisher sei er immer befördert und berufen worden. Im Rahmen der Beratung haben wir uns gemeinsam seine bisherige Entwicklung bis zum heutigen Tag angesehen und die aktuelle Situation analysiert.
Aus meiner Sicht bot sich eine zweigleisige Vorgehensweise an, nämlich die Beratung gleichzeitig auf die Vertragsverlängerung zu konzentrieren und parallel dazu alles für einen möglichen Eintritt in den externen Markt vorzubereiten.

Was muss eine Person auf C-Level hier besonders beachten?

Vor allem Letzteres ist heikel, weil alles, was mit Bewerbungen im externen Markt zusammenhängt, hoch vertraulich vorgenommen werden muss.- Die Kommunikation erfolgte also ausschließlich über private Kanäle. Die Regel lautet: Erfahren Aufsichtsrat oder Vorstandskollegen von solchen Aktivitäten, führt dies günstigenfalls zu einem besseren Angebot, wenn man jemanden unbedingt halten will. In der Regel passiert das Gegenteil, der Vorstandsvertrag wird nicht verlängert oder es erfolgt eine vorzeitige Abberufung.

Wie kann man sich eine Beratung in der Abfolge vorstellen?

Um hier bestmögliche Ergebnisse zu erzielen, ist es wichtig, zunächst den Kandidaten oder die Kandidatin zu unterstützen, sich bewusst zu machen, wo eigene Schwerpunkte, Erfolge und Werte liegen, und wie diese durch Dritte, insbesondere in schwierigen Situationen, wahrgenommen werden. Denn wir stellen immer wieder fest, dass eine – von allen Rahmen und Beziehungen – vorgenommene, persönliche Betrachtung in der Regel lange zurückliegt bzw. noch nie so konsequent gemacht wurde. Auch nicht – wie oft geglaubt wird – in Assessment Centern. Denn hier geht es in der Regel um die Beobachtung bestimmter Verhalten oder Kompetenzen, über die ein idealer Kandidat oder Kandidatin für eine bestimmte Position verfügen sollte. Im Vorfeld dazu werden diese Kompetenzen vom beauftragenden Unternehmen beschrieben und festgelegt, um im Verlauf hinterfragt zu werden.

Im Gegensatz dazu steht im Rahmen unserer Beratung ausschließlich die beratene Person im Mittelpunkt – losgelöst von allen Rahmenbedingungen, Unternehmen, Branchen, Familie und Freunden. Diese Punkte können selbstverständlich im Rahmen der weiteren Beratungsschritte eine wichtige Rolle spielen, nicht jedoch in der persönlichen Analyse.

Das ist sicher für viele Menschen eher ungewohnt, sich nur mit sich selbst auseinanderzusetzen, ohne eine vorgegebene „Sprunghöhe“ zu erreichen, oder?

Dieses Vorgehen wird von der Mehrzahl unserer KandidatInnen außerordentlich geschätzt, hilft es ihnen doch, sich ihrer Stärken „beispielsbezogen“ bewusst zu sein, anstatt sie nur zu vermuten. Auch sich darüber klar zu werden, was sie – insbesondere in einer solchen, oft erstmaligen und unerfreulichen Situation – ganz persönlich wollen, beruflich wie auch außerberuflich. Wir stellen sehr grundlegende Fragen, die sie sich bisher nicht gestellt haben – oder stellen mussten – weil sie immer gefragt und befördert wurden. Das kann ein Prozess sein, in dem auch eine Person auf einem hohen Joblevel sich selbst komplett hinterfragt. Erstmalig soll sie in einem Terrain agieren, das sie nicht kennt: Dem Markt, der noch nicht weiß, dass sie sich für eine Veränderung interessiert oder notwendig wird. Zu solch einer intensiven Reflektion nehmen sich die wenigsten „einfach so“ Zeit. Es ist aber notwendig, denn erst, wenn ich weiß, wer ich bin und was ich kann, trete ich aktiv und sicher im Markt auf – gerade in der Veränderung.

Und wie läuft die Analyse konkret ab?

Bezogen auf meinen Kandidaten stellte sich heraus, dass er sich auf zwei Kern-Stärken stützen konnte. Zum einen seine Fähigkeit, ambitionierte Ziele über die Jahre immer wieder zu erreichen oder zu übertreffen. Insbesondere seine persönliche Herangehensweise – Klarheit, Wahrheit und Transparenz – in der Zusammenarbeit führte zu sehr guten Ergebnissen. Dieses, verbunden mit seiner bereichsübergreifenden Fachkompetenz verschiedener Ressorts und für die – im Rahmen der Fusion – nachlaufenden Projekte (PMI), die zu dem Zeitpunkt kernrelevant waren. Im Laufe der Analyse stellte ich fest, dass mein Kandidat einerseits die Belange der Mitarbeitenden und Betriebsräte bestens kannte und vertreten konnte, und gleichzeitig als einer der Wenigen im Unternehmen die im Laufe der Fusion neu geschaffenen Gremien bildete und vereinigte. – Eigentlich eine gute Ausgangslage, doch sein Gefühl der Unruhe war ja vorhanden.

Also wurde parallel auch die Vorgehensweise für den externen Markt in Angriff genommen. Basierend auf der Analyse der Person und ihrer Stärken arbeiten wir dabei zunächst einmal den persönlichen Markenkern heraus. Eine externe Vorstandsberufung erfolgt immer aus einer Situation, in der es keine qualifizierte interne Person gibt. Dann beginnt die Organisation, sich umzuhören beziehungsweise einen externen Personalberater einzuschalten, um die richtige Person zu finden. Deshalb ist es erforderlich, sich zu einem möglichst frühen Zeitpunkt optimal am Markt zu präsentieren. Das heißt, nicht nur einen relevanten Personalberater zu kontaktieren, sondern sich auch in den sozialen Medien sich als Marke für bestimmte Themen aufzubauen und Netzwerke außerhalb des Unternehmens zu pflegen. Immer wieder verwechseln insbesondere TOP-Führungskräfte Kontakte, die funktionsbezogen sind, und solche, die persönlich gemeint sind. Das führt oft zu bitteren Erkenntnissen, wenn es um die berufliche Neuorientierung geht. Anrufe werden nicht erwidert, Personen verleugnet etc. – bis zur neuen Funktion, dann läuft das Spiel wieder. Davor ist keiner geschützt, wir erleben es jeden Tag. Vor allem erleben wir, dass es ein Leben außerhalb des alten Jobs gibt, das immer anders – in vielen Fällen sogar besser – ist.

Wie kommt ein Kandidat oder eine Kandidatin dann ganz praktisch auf diesen Weg?

Die persönliche Marke meines Kandidaten umfasste beispielsweise die Profile im Lebenslauf sowie in den sozialen Medien, die wir gemeinsam aktualisieren. – Immer ausgehend von der Fragestellung, für was die Person steht und welche ihre Kompetenzen sind. Und natürlich, in welchem Kontext sie hohen oder außergewöhnlichen Mehrwert bringen kann. Entsprechend wurden dazu Artikel entwickelt und veröffentlicht. Zugleich werden mit der Person Fragestellungen rund um das Thema Digitalisierung durchgearbeitet, beginnend mit der Frage „Was ist agiles Arbeiten?“, hin zur praktischen Arbeit mit Methoden wie Scrum, Design Thinking, Business Canvas etc. Dasselbe gilt für Führungskompetenzen in der „neuen Arbeitswelt“: Wie werden unterschiedliche Generationen geführt? Was ist transformationale Führung, was transaktionale? Wann ist welcher Stil sinnvoll?

Wie mein Kandidat vermutet hatte, verdichtete es sich immer mehr, dass etwas nicht stimmte. Deshalb wurden parallel die externen Aktivitäten verstärkt. Es kam zu ersten Gesprächen mit Personalberatern und Unternehmen, noch ohne dass es „gefunkt“ hätte.
Innerhalb seines Vorstandes kam es zu dieser Zeit zu einem Vorfall, der sich als schwindendes Vertrauen der Mitkollegen schließen ließ, und der ihm weitere Klarheit verschaffte, dass vermehrte Aktionen im externen Markt erforderlich wurden. Über einen persönlichen Kontakt bekam ich dann einen Hinweis, dass ein Unternehmen einen CEO sucht, er ein passender Kandidat sein könnte.

… und dann begann der Platzierungsprozess?

Ja genau, wir holten die wichtigsten Informationen mit Hilfe von Market-Intelligence ein. So entstand eine Bild, was die wichtigsten Themen in möglichen Gesprächen sein würden, und wie diese zur Historie des Kandidaten passen könnten. Ein Erstgespräch wurde mit entsprechenden Fragen und Antworten vorbereitet und durchgeführt – und mein Kandidat fühlte sich tatsächlich sehr sicher und gut ausgestattet. Dann folgten weitere Gespräche mit den relevanten EntscheidungsträgerInnen, auch jeweils mit gemeinsamer Vorbereitung. Diese galt nicht nur der Beantwortung der Fragen an den Kandidaten, sondern auch, welche Fragen er im Prozess stellen könnte, um seine eigene „Soft-Skill-Seite“ zu untermauern.

Sind Soft Skills nicht eher ein „Nice-To-Have“?

Nein, sie dürfen nicht unterschätzt werden! Soft Skills können tatsächlich über Gehen oder Bleiben bestimmen, denn in der Regel entscheidet sich an ihnen, wie lange eine Person in einem Unternehmen verbleibt. Ich stelle fest, dass es auch bei objektiv sehr guter Leistung zu einer Trennung bzw. Nichtverlängerung des Vorstandsvertrages kommen kann, wenn die Persönlichkeit nicht richtig „passt“.
Bei meinem Kandidaten stellte sich heraus, dass es auch in seinem Wunschunternehmen eine Person gab, der man Hoffnung auf die Funktion gemacht hatte, die es dann aber aus ebendiesen – scheinbar nicht relevanten – Persönlichkeitsgründen nicht wurde. Mein Kandidat konnte in der Folge glücklicherweise mehrere Gespräche mit dem betroffenen Kollegen führen und sie haben gemeinsam die Möglichkeiten der Zusammenarbeit ausgeleuchtet, die bis heute erfolgreich trägt.

Weißt Du, wie es Deinem Kandidaten heute im Unternehmen geht?

Ja, das ist ein essentieller Teil meiner Arbeit. Nach verschiedenen Gesprächen mit den Gremien und wichtige Schlüsselpersonen wurde er zu Beginn letzten Jahres zum Vorstandsvorsitzenden bestellt, und auch im gesamten ersten Jahr nach der Berufung hielten wir engen Kontakt. So stellen wir sicher, dass auch die Themen, die ihm während der Zeit unserer Beratung wichtig waren, im Tagesgeschäft nicht „untergehen“. Dazu gehörten beispielsweise: Was will ich zukünftig anders machen? Wie läuft mein Zeitmanagement? Wie meine Herangehensweise an persönliche wie berufliche Herausforderungen? Die Gefahr, gefasste Vorsätze über Bord zu werfen, besteht nach meiner Erfahrung immer. – Aber durch meine Begleitung der KandidatInnen über die Besetzung hinaus besteht die große Chance, dass der Entwicklungsstand, der gemeinsam erreicht wurde, weiter ausgebaut werden kann.

Vielen Dank für das Gespräch und die Einblicke in Deine Aufgaben, Roland.

 

Sie interessieren sich für das Programm Kienbaum C-Suite? Sprechen Sie uns gerne an.

Roland Braun | E-Mail: roland.braun@kienbaum.de | Tel.: +49 211 300 89-480

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