Ignorieren geht nicht: Das Entgelttransparenzgesetz kommt

Ignorieren geht nicht: Das Entgelttransparenzgesetz kommt

Fragen wie diese dürften sich Geschäftsführer, Vorstände und Personalverantwortliche in vielen deutschen Unternehmen derzeit häufig stellen. Was haben diese Fragen gemeinsam? Sie alle verbindet, dass ein „nein“ auf einen möglichen Handlungsbedarf bei den Themen Entgelttransparenz und Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern hindeutet.

Eine Studie, die wir unter knapp 350 Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz durchgeführt haben zeigt, dass bezüglich der Antworten auf diese Fragen noch viele Unklarheiten bestehen. Beispielsweise ist sich nur ein Drittel der befragten Unternehmen wirklich sicher, dass Frauen und Männer bei gleicher Arbeit auch gleich vergütet werden. Umgekehrt sind gut 20 Prozent der Teilnehmer der Ansicht, dass Frauen und Männer in ihrem Unternehmen für gleiche Arbeit nicht gleich vergütet werden. Bei vielen Unternehmen – das haben unsere Gespräche mit HR-Verantwortlichen und Geschäftsführern in den vergangenen Monaten nochmal verdeutlicht – herrscht bezüglich der Antwort auf diese Frage noch zum Teil große Unsicherheit.

Auch was die Maßnahmen zur Beseitigung möglicher Entgeltunterschiede zwischen Frauen und Männern angeht ergibt sich ein differenziertes Bild. Immerhin knapp 40 % der Teilnehmer gibt an, dass die Beseitigung möglicher Entgeltunterschiede zwischen Frauen und Männern eine hohe Priorität für die Personalarbeit in ihrem Unternehmen hat. Wir haben die Studienteilnehmer auch gebeten, einmal in ihren Worten zu beschreiben, was sie konkret unternehmen um Diskriminierung bei der Vergütung in ihrem Unternehmen zu vermeiden. Dabei zeigt sich, wie die folgenden Beispiele verdeutlichen, dass Stellenbewertungen und externe Vergütungsbenchmarks den Dreh- und Angelpunkt in der Diskussion um geschlechtsneutrale Vergütung bilden.

  • „Die Positionen im außertariflichen Bereich werden nach einer Stellenbewertungssystematik bewertet. Fokus sind dabei die Funktionen, die Aufgaben sowie die für die Position notwendigen
    Kompetenzen und Vollmachten.“
  • „Alle Positionen im Unternehmen sind bewertet. Laufende Vergütungsvergleiche und Benchmarks werden herangezogen. Die Vergütung ist abhängig von der Bewertung der Position und nicht vom Stelleninhaber.“
  • „Jede/r Mitarbeiter/in ist einer Stelle zugeordnet. Die Stelle ist mit Aufgaben beschrieben. Der Stelle ist einer Entgeltgruppe zugeordnet. Der/Die Mitarbeiter/in, der/die diese Stelle ausfüllt, erhält diese Zielentgeltgruppe unabhängig des Geschlechts.“

    Neue Dringlichkeit durch das Entgelttransparenzgesetz

    Die Dringlichkeit, mit der sich Unternehmen in Deutschland nun mit den Themen Entgelttransparenz und Entgeltgleichheit auseinandersetzen müssen, ist in diesem Jahr nochmal deutlich gestiegen. Die Bundesregierung hat beschlossen, dass es der Entgeltlücke, dem sogenannten „Gender Pay Gap“ nun an den Kragen gehen soll. Dafür hat sie bereits im vergangenen Jahr ein entsprechendes Gesetz beschlossen, das im Sommer dieses Jahres in Kraft treten wird. Im Gegensatz zum Gesetz zur Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen, das sich einprägsam mit der 30-Prozent-„Quote“ umschreiben lässt, sind die Inhalte des sogenannten Entgelttransparenzgesetzes (EntgTranspG) weit weniger bekannt.

    Es ist schon überraschend, dass viele Unternehmen, mit denen wir gesprochen haben, sich bislang kaum mit den möglichen Konsequenzen des Gesetzes auseinandersetzen. Diese Zurückhaltung dürfte auch damit zusammenhängen, dass viele Unternehmen noch bis zuletzt gehofft haben, ihnen könnte das Gesetz doch noch erspart bleiben. Tatsächlich stand das Vorhaben lange auf Messers Schneide. Wie fundamental und intensiv die Diskussion letztendlich war, lässt sich auch an den Namen erkennen, die das Gesetz in seinen verschiedenen Entwurfsfassungen innehatte. Aus dem „Gesetz zur Durchsetzung des Entgeltgleichheitsgebotes“ wurde erst das „Gesetz für mehr Lohngerechtigkeit“ und zuletzt dann das „Gesetz zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen“. Auch in seiner finalen Fassung wirkt das Gesetz an einigen Stellen noch unausgereift und lässt weite Interpretationsspielräume zu.
    Für Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist es nichtsdestotrotz nun allerhöchste Zeit, sich mit den Inhalten des Gesetzes vertraut zu machen. Denn das Gesetz wirft wichtige Fragen auf, auf die jedes Unternehmen für sich eine Antwort finden muss. Was Sie sich jetzt u.a. fragen sollten:

  • Sind wir auf Basis des bestehenden Entgeltsystems auskunftsfähig?
  • Wissen wir, welche Tätigkeiten bei uns gleichwertig im Sinne des Gesetzes sind?
  • Können wir sicher sein, dass unsere Entgeltsysteme gesetzeskonform sind?
  • Entspricht unsere Methode der Stellenbewertung den Gesetzesanforderungen?

Welche Pflichten bringt das Gesetz für die Leitungsorgane (Vorstand/Geschäftsführung) mit sich?

Neue Rechte für Arbeitnehmer

Ein zentrales Element des Gesetzentwurfs ist der sogenannte individuelle Auskunftsanspruch. Der besagt, dass in Betrieben mit in der Regel mehr als 200 Beschäftigten öffentliche und private Arbeitgeber ihren Beschäftigten auf Anfrage die Kriterien und das Verfahren zur Festlegung ihres Entgelts und die Gehälter von Mitarbeitern des jeweils anderen Geschlechts offenlegen müssen, die eine gleiche oder gleichwertige Tätigkeit im Unternehmen ausüben (Vergleichsentgelt). Dabei können die Beschäftigten zunächst vorschlagen, welche Funktionen sie für vergleichbar halten.

Das Gesetz verbietet es, dass Frauen und Männer für gleiche oder gleichwertige Tätigkeiten innerhalb eines Unternehmens unterschiedlich bezahlt werden. Bei tarifgebundenen und tarifanwendenden Arbeitgebern können sich die Beschäftigten an den Betriebsrat wenden, um vom Arbeitgeber anonym Auskunft über die Vergütung vergleichbarer Funktionen zu erhalten. Liegt keine Tarifbindung oder Anwendung vor, können sich die Beschäftigten direkt an den Arbeitgeber wenden – der Arbeitgeber hat dann drei Monate Zeit um dem Auskunftsanspruch nachzukommen.

Höhere Anforderungen an Arbeitgeber

Arbeitgeber können eigene Vergleichsfunktionen benennen, wenn sie mit der von Arbeitnehmern getroffenen Auswahl nicht einverstanden sind. Ihre Auswahl müssen sie aber nachvollziehbar begründen. Dabei müssen sie darlegen, inwiefern die ihrerseits vorgeschlagenen Vergleichsfunktionen hinsichtlich der Art der Arbeit, der Ausbildungsanforderungen und der Arbeitsbedingungen mit der Funktion der anfragenden Mitarbeiterin vergleichbar sind. Mit anderen Worten: Um die Anforderungen des Gesetzes erfüllen zu können, müssen Arbeitgeber zunächst eine Funktions- oder Stellenbewertung vornehmen, die zumindest die drei oben genannten Faktoren berücksichtigt. Dabei müssen sie auch darauf achten, dass die Faktoren untereinander diskriminierungsfrei gewichtet sind. Falls sie bereits ein Stellenbewertungssystem etabliert haben, müssen sie es dahingehend überprüfen, ob es den Anforderungen an eine geschlechtsneutrale Bewertung gerecht wird.

Neben dem individuellen Auskunftsanspruch umfasst das Gesetz noch zwei weitere Stellhebel, mit denen Transparenz über Entgeltstrukturen hergestellt werden soll. So werden private Arbeitgeber mit mehr als 500 Mitarbeitern dazu angehalten, statistische Prüfverfahren anzuwenden, um die Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern zu beurteilen. Arbeitgeber, die zur Erstellung eines Lageberichts gemäß §§ 264, 289 HGB verpflichtet sind, werden dazu verpflichtet, u.a. die getroffenen Maßnahmen zur Herstellung von Entgeltgleichheit im Lagebericht zu veröffentlichen.

Mit Kienbaum und Flick Gocke Schaumburg Risiken aus dem Gesetz minimieren

Um Sie optimal auf den Umgang mit dem Entgelttransparenzgesetz, haben Kienbaum und Flick Gocke Schaumburg ein Equal Pay Prozessmodell entwickelt, das zeigt wie Sie strukturiert und systematisch Risiken aus dem Gesetz identifizieren und minimieren können. Zudem gibt Ihnen das Prozessmodell einen Ordnungsrahmen vor, um diskriminierungsfreie und transparente Entgeltsysteme zu schaffen. Dabei deckt es sowohl systemische Prüfungen („Equal Pay Audit“) wie auch konkrete Einzelfragen, z. B. zum Umgang mit individuellen Auskunftsansprüchen oder zur Überprüfung gleichwertiger Tätigkeiten, ab.
Das Prozessmodell von Kienbaum und Flick Gocke Schaumburg unterteilt sich in drei grobe Handlungsfelder die sich wiederum in jeweils zwei Unterpunkte untergliedern.

Prozessmodell

Prozesse & Strukturen prüfen

  • Prüfung der Prozesse und Verantwortlichkeiten
    Der Gesetzgeber hat für die im EntgTranspG verankerten Pflichten (z. B. individueller Auskunftsanspruch) Prozesse definiert, deren Ausgestaltung und Reichweite z. B. von der Größe und der Tarifbindung eines Betriebs abhängen. In diesem Modul werden etablierte Prozesse begutachtet und Empfehlungen zu prozessualen Verbesserungen erarbeitet
  • Transparenz über Entgeltstrukturen und -systeme
    Ziel des Moduls ist die Schaffung eines Überblicks über die im Unternehmen geltenden Entgeltsysteme und -regelungen, ggf. bestehende Stellenbewertungssysteme sowie Verfahren der Vergabe von Entgeltbestandteilen (z. B. Boni). Das Modul legt die Grundlage für die im Gesetz geforderte Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen.
  • Feststellung gleicher und gleichwertiger Arbeit
    In Modul 3 wird anhand einer Analyse bestehender Job Titel, Stellenbeschreibungen und Stellenbewertungen geprüft, wie gleiche bzw. gleichwertige Arbeit im Sinne des EntgTranspG im Unternehmen festgestellt werden kann. Wenn keine Stellenbewertung vorliegt werden Wege aufgezeigt, wie Vergleichbarkeit geschaffen werden kann.
  • Equal Pay Analyse der Vergütung
    Aufbauend auf der Analyse gleicher und gleichwertiger Arbeit, werden in diesem Modul statistische Analysen durchgeführt, um Pay Gaps zwischen Frauen und Männern zu identifizieren. Dabei können leistungs-, arbeitsmarkt- und arbeitsbezogene Einflusskriterien berücksichtigt werden, um ein unterschiedliches Entgelt zu rechtfertigen.

Vergleichbarkeit & Equal Pay analysieren

  • Definition von Maßnahmen zur Schließung von Pay Gaps
    Modul 5 fasst die Ergebnisse der vorvergangenen Analysen zusammen und leitet daraus Handlungsempfehlungen und Maßnahmen ab. Die Maßnahmen zielen auf die Schließung eines möglichen Pay Gaps zwischen Frauen und Männern und auf die Verbesserung der Gleichstellung von Frauen und Männern ab.
  • Unterstützung bei interner und externer Kommunikation
    Ziel des Moduls ist die Unterstützung bei internen und externen Kommunikationsmaßnahmen. In dieses Modul fällt z. B. die Unterstützung bei der Ausformulierung des Bericht zur Gleichstellung und Entgeltgleichheit im Lagebericht. Außerdem die Unterstützung bei der internen Kommunikation mit den Mitarbeitern und dem Beirat.

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