Leben ohne Netz und doppelten Boden

Leben ohne Netz und doppelten Boden

Vom Rheinland in die ganze Welt: Der Düsseldorfer hat als Bildhauer und Maler internationale Berühmtheit erlangt und hat sein Handwerk unter anderem im kanadischen Winnipeg gelernt. Im Interview erklärt Thomas Schönauer, was Innovation für ihn bedeutet, welche Nachteile lineares Denken hat und warum Kunst keinen zukunftssichernden Wert hat.

Thomas SchönauerWelche Rolle spielt Führung in der Kunst?

Für mich bedeutet Führung maximale Teamarbeit und gegenseitige Inspiration. Meine Mitarbeitenden motivieren mich inhaltlich wie energetisch genau so, wie ich sie auf Augenhöhe anspreche, mit ihnen diskutiere und mit ihnen zusammen den kreativen Input wie Output generiere. Jeder Sprung in eine neue Kreationsstufe braucht eine optimale Kooperation zwischen Künstler und Team. Künstler, die allein arbeiten, sind selten erfolgreich.

Eine Kernaufgabe von Führung ist die Zukunftssicherung – was sagen Sie als Künstler dazu?

Zukunftssicherung ist für den freischaffenden Künstler oder die Künstlerin eher ein Fremdwort. Von Anfang an ist er oder sie das Leben ohne Netz und doppelten Boden gewohnt und das ist als Sprungfeder in den Erfolg fast eine Voraussetzung. Alle eher vagen Absicherungssysteme für Künstler und Künstlerinnen (zum Beispiel in den Niederlanden vor vielen Jahren als Garantieankäufe durch den Staat) erweisen sich als Rohrkrepierer. Bei aller Subjektivität von Qualität – auch die muss er oder sie sich erkämpfen, um materiell zu überleben.

Inwiefern gibt es in der Kunst so etwas wie Kerngeschäft und Innovationsgeschäft?

Für mich gibt es ein sogenanntes Kerngeschäft nur bedingt. Wenn es das in dieser Linearität gäbe, wäre das sogenannte Innovationsgeschäft nicht vorhanden. Das heißt, dass es den Kern der Aktivitäten immer wieder zu hinterfragen, zu reinterpretieren, zu verlassen gilt. Dieser Prozess ist automatisch die Dynamik der Innovation! Das ist keine Strategie, sondern ein immanenter, lustgesteuerter Disruptionsprozess gepaart mit einem hohen Interesse an wissenschaftlichen, erforschenden Prozessen. Dazu kommt das Thema Verantwortung. Je mehr ich im öffentlichen Raum tätig bin, desto mehr Verantwortung für den Raum übernehme ich. Es gilt, positiv zu beeinflussen, wie Menschen Räume nutzen. Dabei entscheidet der menschliche Maßstab, ob Menschen sich wohlfühlen.

Sie haben einmal gesagt, dass dieser Innovations- beziehungsweise Disruptionsprozess mit linearem Denken nicht möglich ist. Was meinen Sie damit?

Lineares Denken geht in der Regel von vorgefassten Positionen, Schemata oder Zielen aus, die per se weder hinterfragt werden, noch wird auf spontane Veränderungen, die die Komplexität der Sachverhalte drastisch verkomplizieren können, reagiert. Grundsätzlich gilt, dass lineares Denken antwort- und nicht fragespezifisch definiert und motiviert ist. Lineares Denken ist eine Haltungsfrage, die tief in die psychosoziale Struktur des Akteurs hineinreicht. Wenn man Disruption als die Keimzelle des Innovationsprozesses versteht, dann ist lineares Denken (und Verhalten) die Keim-zelle der Innovationsverhinderung. – Und sollte aus diesem Grunde zur Bewältigung zum Beispiel vieler aktueller gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und politischer Herausforderungen „abgeschafft“ werden. Stattdessen brauchen wir eine neue Fragekultur. Menschen, die Antworten ohne Fragestellungen haben, sind die Verlierer. Gewinner sind diejenigen, die keine starren Pläne machen müssen, sondern Situationen gestalten, wie sie sind.

Was können Sie an der Unternehmenswelt gar nicht nachvollziehen?

Vertikale Hierarchien. Überkommene hierarchische Systeme qua Besitz oder Rolle können nicht zu guten Ergebnissen führen. In der Kunst geht es um Expertise, Vertrauen und die schlichte Akzeptanz einer besseren Leistung.

Was ist Ihr individueller Antrieb?

Neugierde, Gestaltungswille und soziale Verantwortung. Aktuell beschäftige ich mich viel mit Digitalisierung und damit, wie man Menschen die Angst davor nehmen kann.

Vielen Dank für das Gespräch!

Dieses Interview ist Teil der Publikation „Lead“ – Das Kienbaum Leadership Magazin, das Sie hier anfordern können.

 

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