„Unser Benchmark ist Google“

„Unser Benchmark ist Google“

Cawa Younosi ist Personalleiter von SAP Deutschland und gilt mit seinen Visionen von der Arbeitswelt der Zukunft als Revolutionär der HR Community. Im Interview mit Walter Jochmann sprach er über die Voraussetzungen und den Wert von Kultur und Mitarbeiterbegeisterung für den Unternehmenserfolg – und die Positionierung der HR-Funktion in und nach der Coronakrise.

Lieber Herr Younosi, die Ausbreitung des Coronavirus erschüttert das Arbeits- und Wirtschaftsumfeld insgesamt. Welche Auswirkungen hat die Krise auf die Personalarbeit im Besonderen?

Personaler müssen verstehen, dass diese Krise ihr Moment ist, um in Führung zu gehen und Verantwortung für die Gesundheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu übernehmen. Wir bei SAP sparen derzeit nicht bei der Personalarbeit – im Gegenteil: Wir verstehen unseren Auftrag darin, unsere Kolleginnen und Kollegen im Homeoffice mental und physisch gesund zu halten, und zwar mit vielfältigen Angeboten von Coaching über Ernährung bis zu Bewegung.

Welche konkreten Erfahrungen haben Sie mit der Arbeit der Beschäftigten im Homeoffice bisher gemacht?

Tatsächlich beobachten wir, dass die Mitarbeitenden im Homeoffice produktiver sind. Zum Beispiel haben wir mit der Schulschließung den KollegInnen angeboten, bei vollem Gehalt nicht arbeiten zu müssen, wenn sie aufgrund der Betreuung ihrer Kinder nicht arbeiten können. Die allermeisten von ihnen haben dieses Entgegenkommen sehr geschätzt und sich umorganisiert, sodass sie trotzdem so gut wie möglich weiterarbeiten konnten. Hier hat sich unsere Vertrauenskultur und die Strategie der maximalen Flexibilität ausgezahlt, wie Arbeit von den einzelnen MitarbeiterInnen erbracht wird. Insgesamt nehme ich in der Krise ein gesteigertes Engagement wahr.

Wie wird sich mit und nach der Krise die Positionierung der HR-Funktion im Unternehmen verändern?

Ich erwarte, dass sich die Wertschöpfungskette von Unternehmen anpassen wird, dass die Belange von PersonalentscheiderInnen genauso wichtig werden wie die „harte Währung“ der Finanzer. Durch die Gestaltung von Treue, Bindung und Arbeitgeberattraktivität schaffen wir unmittelbar Mehrwert für das Unternehmen. Beispielsweise verzeichnen wir bei SAP Deutschland eine Verweildauer von über zehn Jahren, was unsere dauerhaft attraktive Willkommenskultur unterstreicht. Die Integration von wirtschaftlichen Anforderungen und Mitarbeiterbegeisterung ist Quelle der Glaubwürdigkeit, mit der HR anderen Funktionen auf Augenhöhe begegnen kann. Im DAX nehme ich Personaler oft noch zu operativ wahr.

Wie lautet Ihr persönlicher Purpose für die HR-Funktion von SAP Deutschland in den nächsten drei Jahren?

Ich möchte, dass die PersonalerInnen bei SAP ihre Motivation nicht aus dem Gehalt, sondern aus dem emotionalen Feedback ihrer internen Kunden ziehen. Eine intensive Feedbackkultur ist Teil unseres Experience Managements, dessen Ziel es ist, kundenzentrierte und qualitativ hochwertige „Wow“-Momente für die Mitarbeitenden zu schaffen. Unser Kulturversprechen besagt, dass begeisterte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter begeisterte Kundinnen und Kunden generieren. Deshalb haben Initiativen zur Gewinnung und vor allem Bindung von Talenten strategische Priorität für die Personalarbeit bei SAP. Die niedrige Fluktuation und ein Rekordhoch an Bewerbungseingängen zeigen uns an, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Dabei dienen uns Google und das Silicon Valley als Benchmarks – nicht die DAX 30.

Ich schätze, für die Fokussierung auf Mitarbeiterbegeisterung werden technologiebasierte HR Operations zwingende Voraussetzung?

Die Integration von IT-Systemen ist eine Gesamtherausforderung für SAP. In der Vergangenheit haben wir viele Unternehmen und Lösungen gekauft, die jetzt – im Sinne einer ganzheitlichen User Experience – sauber integriert werden müssen. Die standardisierten Prozesse müssen reibungslos laufen, um genug Ressourcen für andere Themen zu haben.

Während das Software-Geschäft aktuell noch 85 Prozent des Umsatzes von SAP produziert, will sich Ihr Unternehmen perspektivisch stärker am Cloud-Geschäft orientieren. Welche Rolle spielt die HR-Funktion bei der Realisierung dieser Strategie?

Mit SuccessFactors ist die HR-Funktion selbst zum Cloud-Produkt geworden, indem sie IT-Lösungen nicht nur selbst anwendet und einsetzt, sondern Trends für die Zukunft setzt und vorgibt. SAP HR wurde somit zum Formel-1-Testfahrer für die eigenen Produkte. Ich selbst füge den E-Mails, die ich an die Belegschaft sende, unser Feedback-Tool Qualtrics an, um eine Rückmeldung zu meiner Kommunikation zu erhalten. Customer Happiness meint kein Feelgood Management – eine inspirierende Atmosphäre und funktionierende HR-Kernprozesse stehen in wechselseitiger Abhängigkeit zueinander.

Was inspiriert Sie persönlich, um erfolgreich durch die nächsten Wochen und Monate zu steuern?

Die Erkenntnis, dass Kultur zu bewahren und Mitarbeitende zu begeistern, mindestens genauso wichtig sind wie Kosten zu senken. HR kann was bewegen – jetzt!
Herr Younosi, ich danke Ihnen für das Gespräch!

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