Wie EnBW-Chef Mastiaux das Energieunternehmen wieder auf die Gewinnerstraße geführt hat

Wie EnBW-Chef Mastiaux das Energieunternehmen wieder auf die Gewinnerstraße geführt hat

Ein langer Vorstandsflur, geschlossene Türen, wenige Menschen: Das war der erste Eindruck für Frank Mastiaux, als er 2012 seinen Posten als neuer CEO beim baden-württembergischen Energieunternehmen EnBW angetreten hat.

Er nahm sich vor: Ich möchte diese Kultur weiterentwickeln, Menschen und Türen öffnen, Zusammenarbeit fördern.

Und auch im Unternehmen insgesamt war die Zeit für einen Neuanfang gekommen. Das Geschäftsmodell, mit dem die EnBW über Jahrzehnte erfolgreich gewesen war, funktionierte nicht mehr: Die Wucht der Energiewende hatte das Unternehmen unterschätzt und der von heute auf morgen politisch verordnete Atomausstieg unter dem Eindruck der Fukushima-Katastrophe war nicht vorhersehbar. Die Folge: Seit 2010 sanken die operativen Gewinne.

Ein Masterplan für die Zukunft

Mastiaux war klar: Hier wird Veränderung in homöopathischen Dosen keinen Erfolg haben. Stattdessen ließ er innerhalb von sechs Monaten von einer kleinen Gruppe an Mitarbeitern ein neues Konzept für die Zukunft der EnBW aufstellen – mit ganz klaren, einfachen Eckpunkten und ambitionierten Zielsetzungen bis zum Jahr 2020. Dieses Konzept diente in den folgenden Jahren der Veränderung – bis heute – als Zielbild und Richtschnur – konsequent und unumstößlich.

Umfang und Breite der Veränderungen waren groß: umfassende Investitionen in den Ausbau der Erneuerbaren Energien und der Stromnetze, die Hälfte der Kohlekraftwerke abgeschaltet, den Großkundenvertrieb vollständig aufgegeben, Investitionen ins Gasgeschäft getätigt.

Die Basis des Erfolgs

Und die Maßnahmen hatten Erfolg: 2017 hat die EnBW zum ersten Mal seit 2010 wieder ein besseres Ergebnis erzielt als im Vorjahr. Aber welche Faktoren jenseits der Managemententscheidungen über Investitionen, Produktportfolio & Co waren entscheidend für diesen Erfolg?

Sechs Elemente bildeten die Basis für die Veränderung der EnBW:

1. Eine umfangreiche Strukturveränderung, in deren Rahmen mehrere große Gesellschaften aufgelöst bzw. zusammengeführt wurden. Danach stand die Struktur und wurde grundsätzlich nicht mehr verändert.

2. Ein radikaler Kulturwandel: Statt Einzelbüros und einer Mentalität der geschlossenen Türen großräumige Teambüros, die den Austausch und die Zusammenarbeit fördern. „Wir haben tausend Türen eingerissen“, sagt Mastiaux sinnbildlich.

3. Ein zentraler Auftrag für alle Führungskräfte: die Mitarbeiter für die Veränderung mobilisieren und jede Führungskraft hatte 100 Tage Zeit, um sich zu beweisen bzw. um zu entscheiden, ob er oder sie mitzieht. Das brachte im Ergebnis Klarheit, war aber auch ein Einschnitt: 50 bis 60 Prozent der Führungsmannschaft wurde ausgetauscht bzw. abgebaut. Für die neue EnBW hieß das auch: deutlich weniger Führungskräfte mit jeweils mehr Verantwortung und Entscheidungsgewalt.

4. Ohne Effizienzmaßnahmen kein Erfolg: 40 Prozent der beeinflussbaren Kosten konnte die EnBW einsparen, 1.800 Stellen wurden gestrichen; zugleich wurden 900 neue Mitarbeiter eingestellt, die die Kompetenzen mitbrachten, welche die EnBW für die Zukunft brauchte.

5. Neue Karrierewege eröffnen: Jeder Mitarbeiter hatte die Chance, sich ganz unkompliziert für jede Stelle im Unternehmen intern zu bewerben. Das brachte Dynamik in die gesamte Organisation, frisches Blut und Ideen in jeden Unternehmensbereich und viel Motivation für die Mitarbeiter.

6. In Innovation investieren: Mastiaux war klar, dass die EnBW nicht noch einmal wichtige Trends in der Branche verpassen durfte. Deshalb hat er einen Innovations-Campus gegründet, um Digitalkompetenz aufzubauen, immer wieder neue Impulse zu entwickeln und auch im Austausch mit externen Start-ups Inspirationen für das Geschäft von morgen zu sammeln.

Kommunikation ist alles

Aber der entscheidende Erfolgsfaktor für jede Transformation ist noch etwas anderes: eine wertschätzende und authentische Kommunikation. Mastiaux nennt sie die fünf Vs:

Konkret hat Frank Mastiaux diese Art der Kommunikation gemeinsam mit den Vorstandskollegen mit unzähligen Townhall Meetings, Lunch Sessions und Kaminabenden vorgelebt, das heißt mit ganz viel Kommunikation auf Augenhöhe, über Hierarchiegrenzen hinweg. Er ist sich sicher: „Das macht was mit den Leuten.“

Was der CEO liefern muss – und was HR

Aber es kommt natürlich genauso darauf an, welche Botschaften man kommuniziert. Auch hier hat Mastiaux von Anfang an konsequent eine Linie verfolgt: Es geht nicht darum, wer schuld ist für das, was falschgelaufen ist. Das bedeutet: Es gibt keine alte Welt, die schlecht war, und im Gegensatz dazu eine neue Welt, die perfekt ist. Nein, alle haben die Chance Teil der neuen EnBW zu werden. Aber sie müssen es auch, als Team.

Diese Botschaften zu vermitteln ist eine der zentralen Aufgaben eines CEO während einer Transformation: Er muss authentisch sein, kulturprägend, eine dienende Rolle einnehmen. Er weiß, dass er praktisch unter Dauerbeobachtung steht: Die Mitarbeiter erwarten nicht weniger von ihm als dass er aufmerksam und wertschätzend ist und immer ein offenes Ohr hat. Um das einzulösen, muss ein CEO viel mitbringen: Empathie, aber genauso Konzentrationsfähigkeit und die Bereitschaft zu richtiger Kärrnerarbeit.

Der Auftrag von HR zu einem erfolgreichen Turnaround ist klar: Sie muss Kulturveränderer sein, sich nicht auf die Administrationsaufgaben beschränken. „HR kann nie gut genug sein. Da müssen die besten Leute sitzen“, ist sich Mastiaux sicher.

Nach der Transformation ist vor der Transformation

Ist bei der EnBW also nun alles in trockenen Tüchern? Nein, Zurücklehnen und sich in Sicherheit wiegen wäre fatal. Das weiß auch Mastiaux: Deshalb hat er inzwischen genauso konkrete und ambitionierte Ziele für 2025 definiert. Nur die Ausgangslage ist heute eine andere als bei seinem Start: „Wir haben eine fünfjährige Transformationsphase hinter uns, die mit einem Problem begann, und haben nun eine fünfjährige Transformationsphase vor uns, die mit einer Chance beginnt. Und klar ist: Die kommenden fünf Jahre werden mindestens genauso herausfordernd sein wie die vergangenen fünf.“

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