Aufsichtsräte: Wertevorstellungen in der Wirtschaft stabilisieren sich
- Vorstandsvergütung: Unklarheit in der Zielfindung
- Regulatorik dämmt Unternehmertum
- Digitalisierung hinkt im Aufsichtsrat hinterher
Im Aufsichtsrat bewegt sich nichts? Reglementierungen lähmen die Kontrolleure? Ganz im Gegenteil: Die Rolle der Aufsichtsräte ist im Wandel, neue Herausforderungen und regulatorische Veränderungen erweitern und bremsen die Spannbreite der Aufgaben für die Top-Entscheider der österreichischen Wirtschaft. Dies ergibt die aktuelle Studie „Corporate Governance im Fokus – Aufsichtsratsarbeit zwischen Steuerung, Gesetzgebung, Digitalisierung und Vergütung“ von Kienbaum Wien, die dafür über 60 Vorstände und Aufsichtsräte aus Österreich befragt hat. Wie in den vergangenen Jahren bleibt das Thema Digitalisierung auch in diesem Jahr ein wichtiges für die Aufsichtsräte, deren Funktion im Unternehmen gefragter ist, denn je. Ein besonderes Augenmerk liegt in diesem Jahr auf einem erkennbaren Wertewandel: Innerhalb der letzten fünf Jahre stellen die Aufsichtsräte eine deutliche Änderung fest, denn während 2013 noch 77 Prozent der Aufsichtsräte einen gewissen Werteverlust in der österreichischen Wirtschaft feststellten, sagten Ende 2017 drei Viertel der Befragten, dass dieser Werteverlust aufgehalten sei.
Wertewelt stabil, Qualifikationen im Wandel
Nicht nur hat sich das Empfinden der Aufsichtsräte hinsichtlich der Werteverluste stark verbessert, sondern auch die Qualität der gefragten Werte hat sich verändert. Die führenden Werte in Aufsichtsrat und Vorstand sind aktuell Nachhaltigkeit, gefolgt von Verantwortung und Innovationsfähigkeit. Langfristigkeit im Denken und Erneuerung prägen somit die Ansätze und Zugänge der Top Entscheider. 2013 waren Integrität, Respekt sowie Verantwortung und Mut gleichauf. „In der geänderten Wertewelt sieht man heute somit auch den neuen proaktiveren Zugang und die Änderung des Funktionsverständnisses: weg von der Kontrolle, hin zur Gestaltung in den Funktionen als Aufsichtsrat. Betrachtet man die Meinung der Aufsichtsräte für sich, sehen diese die Integrität als absolute Nummer eins, Vorstände hingegen die Nachhaltigkeit. Dies spiegelt auch das Rollenverständnis, geprägt durch die unterschiedlichen Aufgaben, wider“, kommentiert Alfred Berger, Leiter des Bereichs Compensation und Performance Management bei Kienbaum. Die wichtigsten persönlichen Qualifikationen zur Ausübung der Funktion des Vorsitzenden des Aufsichtsrates wurden ebenfalls abgefragt: Integrität und Kooperationsvermögen.
Vorstandsvergütung bleibt eine zentrale Aufgabe
In der Zieldefinition zwischen Aufsichtsrat und Vorstand ist der Dialog das wesentliche Kriterium. Bei der Gestaltung der Vergütung geht es erstens darum, wann die Höhe der Vergütung als angemessen empfunden wird, und zweitens kann die Vergütung genutzt werden, um motivierende Anreize oder Signale zu setzen: „Die Befragten halten ein Verhältnis der Vergütung des Vorstandsvorsitzenden zu der direkt unterstellten Führungsebene von 4:1 bis 1,5:1 für angemessen. In familiengeführten Aktiengesellschaften wird eine Relation von 3:1 bis 2:1 als angemessen empfunden“, stellt Alfred Berger fest. Im Besonderen sind die Unternehmensgröße sowie die Ausrichtung des Unternehmens zu berücksichtigen, auch die Zusammensetzung der Vergütung ist von großer Bedeutung. Besonders die mehrjährige variable Vergütung wird im Markt und auch in den teilnehmenden Unternehmen steigen und somit an Gewicht gewinnen. In der Grundvergütung und jährlichen variablen Vergütung geht man von eine lineare Entwicklung aus.
Regulatorik: Aufsichtsräte reagieren neutral bis positiv
Ob Frauenquote, Diversität oder Korruptionsbekämpfung: Aufsichtsräte erwartet immer eine Menge regulatorischer Neuerungen. Das Gleichstellungsgesetz von Frauen und Männern im Aufsichtsrat, GFMA-G, das 2018 in Kraft gesetzt wurde, wird von den Studienteilnehmern in der Mehrheit für nicht sinnvoll erachtet. Die Mehrheit sieht keinen Einfluss auf die Personalpolitik und auch keine Schwierigkeiten in der Erfüllung der Anforderungen. Die ebenfalls neuen Bestimmungen zur Nachhaltigkeit und Diversitätsverbesserung (NaDiVeG) werden von den Teilnehmern neutral gesehen. Positive Zustimmung kommt von den Aufsichtsräten zum Thema Steigerung der Diversität und Steigerung der Bemühungen zum Umweltschutz in Unternehmen. Auch das Thema Korruptionsbekämpfung schneidet positiv ab. „Die Funktionen scheinen schon so an die Themen Governance und Regulatorik gewöhnt, dass die neuen oder geplanten Änderungen angenommen und neutral gesehen werden. Wobei die Anpassungen häufig eher als Motivation der Haftung denn als Motivation der Sinnhaftigkeit gesehen werden“, meint Alfred Berger.
Digitalisierung bleibt Top-Thema, Aufsichtsräte wünschen fixe Aufgabendefinitionen
Die größten künftigen Herausforderungen im Aufsichtsrat werden nach Ansicht der Befragten weiterhin die Themen Digitalisierung und Transformation sein, sind sich Aufsichtsräte und Vorstandsmitglieder völlig einig. Gefolgt wird dieser Punkt von den genannten neuen rechtlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen. Auch Produktentwicklungen und politische Einflüsse werden die Aufsichtsräte beschäftigen. Die Definitionen der Aufgaben divergieren leicht: “Aufsichtsräte sind der Meinung, die Änderung in den politischen Rahmenbedingungen, Risikomanagement und Unternehmenskäufe werden sie mehr beschäftigen; kartellrechtliche Themen am wenigsten. Das Thema Vergütung und neue strategische Ausrichtung der Gesellschaft sind jene, in denen die Vorstände die Aufsichtsräte mehr in Aktion sehen möchten. Auch bei der Besetzung strategischer Funktionen und Compliance wird der Rat der Aufsichtsräte gewünscht“, hat Alfred Berger im Zuge der Befragung festgestellt. „Unverändert bleiben für die Aufsichtsräte die rechtlich getriebenen Aufgabenpakete wie Compliance oder Prüfungstätigkeit, zunehmen werden wohl die geschäftsgetriebenen Entwicklungen wie Digitalisierung oder Produktentwicklung.“
Saskia Leininger – T.: | E-Mail: