Nachhaltigkeitsstrategie im Zusammenspiel von Familie und Unternehmen entwickeln
Nachhaltigkeit ist Teil der DNA von Familienunternehmen. Für jede Unternehmerfamilie geht es darum, diese so zu nutzen, dass aus den spezifischen Werten und Interessen ein Wettbewerbsvorteil für das Unternehmen erwächst. Für die neue erweiterte Auflage des Standardwerks für Gesellschafterkompetenz „Aktive Eigentümerschaft in Familienunternehmen“ hat Kienbaum Expertin Dr. Andrea Gerlitz in ihrem Beitrag „Nachhaltigkeitsstrategie-Entwicklung im Zusammenspiel von Familie und Unternehmen“ zwei evidenzbasierte Modelle entwickelt: ein dynamisches Prozessmodell (Lemniskate) der Strategieentwicklung und das Ventilmodell der Einflussnahme. In diesem Artikel werden die wesentlichen Eckpunkte des Lemniskatenmodell kompakt zusammengefasst.
Die Entwicklung der Nachhaltigkeitsstrategie mit dem Lemniskatenmodell stärkt den Zusammenhalt der Familien und die Identifikation der Familie mit dem Unternehmen. Es bietet der Geschäftsführung eine klare Wertorientierung, die Maßstab für strategische Entscheidungen ist und bindet Mitarbeitende und Wertschöpfungspartner als Schicksalsgemeinschaft an das Unternehmen.
Nachhaltigkeit eröffnet einen unternehmerischen Spielraum, gezielte Schwerpunkte zu setzen, die der Unternehmerfamilie am Herzen liegen und damit den einzigartigen Charakter des eigenen Familienunternehmen zu stärken und Wettbewerbsvorteile zu realisieren. Eine erfolgreiche Strategie zu diesem Thema ist sowohl hinreichend konkret als auch familienunternehmensspezifisch. Das Lemniskaten-Modell (Lemniskate = liegende Acht) als dynamisches Prozessmodell gestattet Bewegung und Fließen. In der Auseinandersetzung mit diesem Modell werden Mitglieder von Unternehmerfamilien wichtige Grundlagen für ihre jeweilige Nachhaltigkeitsstrategie entdecken.
Nachhaltigkeit im Wandel
In Familienunternehmen wird die Bedeutung von Nachhaltigkeit oft unterschätzt. So wird häufig übersehen, welche Nachhaltigkeitsquellen im Unternehmen bereits sprudeln und lediglich genutzt werden müssen, um den Unternehmenserfolg langfristig zu sichern.
3 Verzerrte Perspektiven, die zu einer suboptimalen Nachhaltigkeitsstrategie führen
Immer wieder wird das Potential der Nachhaltigkeit nicht aktiviert, weil Eigentümerkreis und / oder Unternehmensführung dazu neigen, dieses Thema aus einer verzerrenden Perspektive wahrzunehmen:
- Nachhaltigkeit als Marketing: Wenn Nachhaltigkeit vor allem als Marketingproblem definiert wird, führt es oft zu austauschbaren Maßnahmen ohne nachhaltige Effekte für das Betriebsergebnis und die Umwelt (Bienen, Solar usw., Gefahr des Greenwashings).
- Nachhaltigkeit als Technik: Wird Nachhaltigkeit in erster Linie als technologische Herausforderung angesehen, scheitern Ideen oft am Markt (Wasserstoff, usw.).
- Nachhaltigkeit als Compliance: Wenn Unternehmen sich vor allem auf eine reaktive Rolle beschränken, um Forderungen von Regulierungsbehörden und Großkunden zu erfüllen, verlieren sie ihr Alleinstellungsmerkmal und begnügen sich (vorerst) mit Offsetting.
Lösungsansatz: Lemniskatenmodell für Nachhaltigkeitsstrategie-Entwicklung in Familienunternehmen
(Quelle: Gerlitz, A. & Hülsbeck, M. (2024): Nachhaltigkeitsstrategie-Entwicklung im Zusammenspiel von Familie und Unternehmen. In: Rüsen, T. A., Heider (Hrsg.), Aktive Eigentümerschaft in Familienunternehmen. Gesellschafterkompetenz in Unternehmerfamilien entwickeln und anwenden (2. überarbeitete und erweiterte Auflage, S.192-205). Erich Schmidt Verlag, Berlin. Doi: 10.37307/b.978-3-503-23855-2)
Eine Betrachtung dieser zur Verzerrung neigenden Perspektiven macht deutlich, dass eine Nachhaltigkeitsstrategie dann im Sinne und zum Wohle von Eigentümer und Unternehmen entwickelt werden kann, wenn bestimmte Parameter beachtet werden:
- Familie als Quelle der Nachhaltigkeitsstrategie: Wenn die Nachhaltigkeitsstrategie des Unternehmens aus den gelebten Werten der Familie, die sich auch in einer Familienverfassung und / oder einer Familienstrategie widerspiegeln, speist, ist damit die Grundlage für eine langfristige Orientierung des Unternehmens gewährleistet. Dies macht auch die Nachhaltigkeitsorientierung des Unternehmens krisenfest.
- Einbindung auch fachfremder Familienmitglieder: Das Thema Nachhaltigkeit eignet sich im besonderen Maße, auch Familienmitglieder einzubinden, dies sich sonst weniger für das Unternehmen interessieren und nicht über unternehmensrelevante Kompetenzen verfügen. Allein diese Einbindung der Familie trägt zur ökonomischen Nachhaltigkeit des Unternehmens bei, da so der Willen zum Fortbestand des Unternehmens gestärkt wird und „out of the box“-Denken gefördert wird.
- Verbindliche, krisenfeste, wertebasierte Führung des Topmanagements durch die Familie: Wird der oberen Führungsebene ein klares Commitment der Familie signalisiert, kann das Unternehmen auch in stürmischen Zeiten mit ruhiger Hand geführt werden und die Nachhaltigkeitsaktivitäten können im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie den jeweiligen Bedingungen angepasst werden. Dies wird Vertrauenskräfte innerhalb des Unternehmens und bei den Wertschöpfungspartnern aktivieren.
- Rückkoppelung aus der Belegschaft und den vor- und nachgelagerten Wertschöpfungspartner: Das Lemniskatenmodell sieht eine Rückkoppelung aus dem Unternehmen und seinem Umfeld vor. Damit wird gewährleistet, dass sich die Nachhaltigkeitsstrategie die sich entwickelnden Fähigkeiten des Unternehmens und den sich verändernden Bedürfnissen der Märkte, Rechnung trägt und die Familie am Puls der Zeit bleibt.
- Innovationskraft durch Multiperspektivität: Die gezielt geförderte Multiperspektivität und die Einbindung aller relevanten Stakeholdergruppen, fördert die Innovationskraft des Unternehmens, welche wiederum dessen wirtschaftliche, ökologische und soziale Nachhaltigkeit stärkt.
Fazit: Das Zusammenspiel von Familie und Unternehmen ist der Schlüssel zum Erfolg
Die Entwicklung einer ganzheitlichen Nachhaltigkeitsstrategie kann Familienunternehmen erhebliche Wettbewerbsvorteile eröffnen. Die konkrete Entwicklung einer dynamischen Nachhaltigkeitsstrategie wird jedes Unternehmen und jede Unternehmerfamilie individuell gestalten. Die Einbindung der Eigentümerfamilie in den Strategieprozess hilft den familiären Einfluss des Unternehmens zu stärken und sendet klare Signale an alle internen und externen Stakeholder. Dies wiederum schärft das Profil des Unternehmens und der Familie. Dieses klare Profil wird die Unternehmensführung in deutliche Wettbewerbsvorteile zu übertragen wissen.