„Mein Führungsverständnis lautet vom Grundsatz her: Hilfe zur Selbsthilfe.“

„Mein Führungsverständnis lautet vom Grundsatz her: Hilfe zur Selbsthilfe.“

Dr. Julia Schäfer ist seit über 25 Jahren in der Gesundheitswirtschaft tätig, zuerst in der HR-Beratung bzw. im Personalwesen, nun im Krankenhaus selbst. Als Personalchefin und Krankenhausleitung weiß sie, wie wichtig ein professionelles Skill-Management und entsprechende Kompetenz-Matrices für die Mitarbeitenden zu Zeiten des Arbeitskräftemangels sind. Im Gespräch mit Kienbaum erklärt sie, wieso sie sich als Macherin und Enabler versteht und was für sie der Erfolgsfaktor von Führung in einer VUCA-Welt darstellt.

Dr. Julia Schäfter

Dr. Julia Schäfer, Personaldirektorin am Klinikum Landsberg

Liebe Julia, wir kennen uns seit vielen Jahren und nicht zuletzt bin ich über dich auch zu Kienbaum gekommen und habe die Leitung der neuen Practice Group Health Care übernommen. Nach vielen Jahren in Führungspositionen in Krankenhäusern bin ich zurück zur Beratung gegangen. Du hast den umgekehrten Weg gewählt und bist nach zwei Jahrzehnten HR- Consulting in die Linie gewechselt.

Was ist dein Führungsverständnis auf den Punkt gebracht?

Vom Grundsatz her: Hilfe zur Selbsthilfe. D.h. verantwortlichen Führungskräften (Vorschuss-)Vertrauen und die Freiheiten zum Handeln zu geben; diese aber auch in die Verantwortung zu nehmen und durch Personalentwicklungsmaßnahmen kontinuierlich in ihrem Selbstverständnis als auch fachlich voranzubringen. Wichtig ist dabei, das gewollte (strategische) Ziel- & Führungsbild aufzuzeigen und klar zu kommunizieren.

Ich habe gute Antennen bezüglich „Rück-Delegation“ und bin keine Mikromanagerin. Wenn notwendig, kann ich jedoch auch einen Deep-Dive machen und an Führungskräfte, die sich ihrer Verantwortung entziehen wollen, mit mehr oder weniger charmanter Klarheit herantreten, kurz: ich spiele den Ball in ihr Feld zurück und schiebe höchstens mit an. Grundsätzlich schmücke ich mich nicht mit fremden Federn und gebe Mitarbeiter:innen jeglicher Ebene ihre Bühne oder souffliere. Ich verstehe mich als Macherin und Enabler.

Was ist dein USP als Führungskraft und als Change Agent?

Als Geisteswissenschaftlerin ist es eine Selbstverständlichkeit, das „Warum“, „Seit wann ist es so?“, somit die Historie und auch Narrative von Sachverhalten, zu betrachten und ich höre mir ausführlich die Geschichten der Mitarbeitenden und die Kritik, Ideen und Hintergründe in ihren Köpfen an. Ein bisschen so, wie Mediziner eine Anamnese erheben. Das ist ein Schlüssel von Veränderung. Ich muss ein klares Wahrnehmungsbild haben, d.h. als gelernte Konstruktivistin Selbst- und Fremdwahrnehmung immer wieder miteinander in Beziehung setzen.

Ich liebe es, Innovation anzustoßen und ich kann Widerstände „wegatmen“. In den letzten Jahren bin ich aber besser im Timing und Pacing geworden. Speziell gehe ich auch mehr auf Widerständler ein. Es ist meine Erfahrung, dass diejenigen, die Veränderung – aus welchen Gründen auch immer – torpedieren, mehr Beachtung brauchen, um Restriktionen aus dem Weg zu räumen oder Ängste ernst zu nehmen und Transformation zu ermöglichen.

Was sind die Erfolgsfaktoren für Führung in der VUCA-Welt, bzw. die geführten, wöchentlichen Gesetzesinitiativen auf Bundesebene mit entsprechenden Auswirkungen auf deine Arbeit als Personalleitung und Mitglied der Klinikleitung in Landsberg?

Ich habe gelernt, dass eines der Hauptthemen Sicherheit geben darstellt. Viele Mitarbeitende brauchen, speziell in kommunalen Krankenhausstrukturen mit entsprechender Sozialisation, viel Sicherheit. Das heißt Rückendeckung bzw. Legitimation durch die Vorgesetzten, um in die Selbstverantwortung zu gehen. Change funktioniert nur mit entsprechend aufgestellten Führungsstrukturen.

„Allergisch“ werde ich, wenn Kollaboration bewusst nicht gelebt wird: Geheimwissen, Dokumente auf nicht geteilten Serverstrukturen oder ein „ich bin dafür nicht zuständig“, akzeptiere ich nicht und werde dort auch sehr klar in meiner Kommunikation nachgeordneten Führungskräften und Mitarbeitenden gegenüber.

Was sind deine Gedanken zum Thema Purpose? Ist dieser allen Mitarbeitenden klar und wie wird dieser im Klinikum Landsberg operationalisiert?CTA Executive Search Making The Difference Interview Serie

Das Positive im Krankenhausbereich ist, dass die allermeisten klinisch tätigen Kolleg:innen – gleich jeglicher medizinischen oder pflegerischen Sozialisation – kein Thema im Bereich Purpose haben. Sie wissen, warum und was sie tun, erwarten aber von der „Verwaltung“ auch ein entsprechend hohes Commitent. Bei Letzteren sind variable Arbeitszeiten / partielle Home-Office Lösungen möglich, was auch Neid oder Unverständnis erzeugt.  Jedoch ist eine hohe Dienstleistungsmentalität notwendig, um diese Disharmonie wieder auszugleichen. Die Chef- und Oberärzte hier im Haus wissen, dass sie mich auch in Randzeiten – außer außerhalb des öffentlichen Dienst Settings – erreichen können. Die Personalabteilung sollte interner Dienstleister/Berater für das „Kerngeschäft“ sein und aktiv an der Entbürokratisierung und Digitalisierung von Workflows mitwirken. Das ist dann auch für alle Mitarbeitenden positiv spürbar und entlastet.

Welche Strategie, Haltungen und welche Skills werden deiner Meinung nach benötigt, um Sicherheit für dein Haus in Zukunft zu ermöglichen und damit für die Mitarbeitenden?

Von der HR-Seite aus wird es gelten, noch intelligentere, individualisierte, persönliche Arbeitszeitmodelle anzubieten. Darüber hinaus brauchen wir im zunehmenden Fachkräftemangel – speziell für kleinere und mittlere Kliniken – ein professionelles Skill-Management und entsprechende Kompetenz-Matrices für die Mitarbeitenden. Dieses wird nur mit umfangreicher Digitalisierung der Personalprozesse und KI effektiv funktionieren.

Was man nicht auf strategischer Ebene für das Haus vergessen darf: Es gilt speziell für Häuser der Grund- & Regelversorgung die richtigen Kooperationspartner zu finden (Maximalversorgung/ Universitätsklinika), um nicht nur langfristig, sondern bereits mittelfristig im Rahmen der Krankenhausreform zu den „überlebenden Kliniken“ zu gehören; dieses im Sinne von medizinisch abgestimmten Prozesswegen, Patientenkarrieren, als auch vor allem im Bereich HR.

Welche drei Personen würdest du mit auf eine einsame Insel nehmen, um nach deiner Rückkehr eine noch bessere Führungskraft zu werden?

  1. Christine Lagarde: Sie hat als Quereinsteigerin in einer Männer-Domäne eine signifikante Transformation der EZB gegen massive Widerstände vorangebracht. Sie ist ein bisschen mein Gender-Vorbild und ich schätze ihre politischen Reden.
  2. Reinhold Messner, von dem man lernen kann, aus eigener Kraft, sowohl im Team und selbstständig zu handeln & sich selbst zu führen und auch eine Leidenschaft (hier: Bergsteigen) als Ausbruch aus den elterlichen/kulturellen Rahmenbedingungen zu nutzen.
  3. Auch eine Künstlerin, z.B. Pina Bausch („Tanztheater“): Neues schaffen, revolutionieren, verändern, Innovation vorantreiben (Anmerkung: Julia Schäfer hat in ihrer Jugend über ein Jahrzehnt lang 4 – 5 Tage pro Woche eine klassische Tanzausbildung an der Folkwang Hochschule genossen und neben der Leidenschaft zum Ballett/Tanz, auch das Thema Perfektion und ständige Verbesserung mitgenommen).

Gerade ist dein neues Buch „Karriere in der Medizin“ veröffentlicht worden (in dem ich auch an einem Artikel mitwirken durfte). Es geht um die möglichen Karrierewege für Mediziner:innen, aber auch außerhalb der direkten Patientenversorgung. Was hat dich dazu bewogen, hier in den letzten zwei Jahren doch signifikant Energie hineinzustecken?

Das Ziel ist hier vielleicht ein bisschen analog meinem Führungs- und Management-Verständnis. Freundlich ausgedrückt: Als „pathologische Optimistin“ habe ich mit Menschen, die über Strukturen, Rahmenbedingungen und Organisationen klagen, aber nicht in die Eigenverantwortung gehen, doch so meine Probleme. Mein Ziel besteht darin, Menschen in die Übernahme der Selbst- und Führungsverantwortung zu bringen sowie das Aufzeigen von Handlungsspielräumen und Karriereoptionen. Ich hoffe, dass viele Mediziner hier Ideen finden, um selbst im Sinne einer lebenslangen Learning Journey voranzuschreiten. Lieber Florian, ich denke, wenn ich deine Vita als Regionaldirektor, GF, Ärztlicher Direktor und natürlich als Berater betrachte, ist das doch ein ganz interessantes Beispiel, was Mediziner so alles machen können…

Liebe Julia, vielen Dank für das Interview. Ich wünsche dir weiterhin beruflich viel Erfolg, privat alles Glück und ganz viel Gesundheit!

 

Über die Gesprächspartnerin:

Frau Dr. Julia Schäfer ist promovierte Geisteswissenschaftlerin (Mag. in Geschichte & Philosophie) und in der Gesundheitswirtschaft seit über 25 Jahren in der HR-Beratung bzw. im Personalwesen als Führungskraft tätig. Nach ihrem Magister-Studium und anschließendem vierjährigen Promotionsstudium und Ihrer Tätigkeit im Bereich der Forschung und Lehre am Universitätsklinikum Düsseldorf, folgten 3 Jahre bei einer kleineren, inhabergeführten Boutique Personalberatung und weitere neun Jahre bei Kienbaum – zuletzt als Direktorin und Practice Head für den Bereich Health Care mit dem Fokus Executive Search. Seit ca. fünf Jahren ist Julia Schäfer in Klinikbereich tätig; davon gut zweieinhalb Jahre am Universitätsklinikum Bonn als Bereichsleitung für Personalentwicklung bzw. aktuell als Personalleitung und Mitglied der Klinikleitung an Klinikum Landsberg am Lech. Sie kennt aus erster Hand die Herausforderungen, die die aktuellen gesetzlichen Veränderungen mit sich bringen und den speziellen Arbeitsmarkt für Fachkräfte im Klinikbereich.

 

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Florian Wenzel-Hazelzet | E-Mail: Florian.Wenzel-Hazelzet@kienbaum.de | Tel.: +49 221 801 72-449

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