Mehr Geld, weniger Leistung?

Mehr Geld, weniger Leistung?

Schätzungen zufolge gehen 23 Prozent der Deutschen – das sind etwa 10 Millionen Menschen – tagtäglich unmotiviert zur Arbeit. Die Auswirkungen auf Produktivität und Arbeitsklima einerseits sowie auf die persönliche Lebensqualität der Beschäftigten andererseits sind enorm.

Grund genug für Unternehmen, Führungskräfte und HR-Verantwortliche, sich intensiv mit der Frage auseinanderzusetzen, wie man Motivation, Arbeitszufriedenheit und letztlich auch Arbeitsleistung gezielt beeinflussen und verbessern kann.

Traditionell konzentriert sich die Lösungssuche stark auf die monetäre Anreizgestaltung: Eine angemessene, sprich marktkonforme und intern als gerecht wahrgenommene Ausgestaltung der Vergütung wird als Mindestvoraussetzung angesehen. Sie motiviert zwar nicht direkt, vermeidet aber Demotivation – „Hygienefaktor“. Leistungsorientierte variable Vergütungsbestandteile, häufig gekoppelt an vereinbarte Ziele oder ein ausdifferenziertes Kriterienraster, sollen das Engagement der Beschäftigten steigern und auf die richtigen Schwerpunkte lenken.

Wandel im Performance-Management

Allerdings vollzieht sich im Performance-Management ein deutlicher Wandel: Die junge Mitarbeitergeneration stellt neue Anforderungen an Zusammenarbeit, Sinnhaftigkeit und Leadership; neue, oft agile Organisationsformen erfordern eine Neuausrichtung der etablierten Führungs- und Steuerungslogik. Die Digitalisierung verleiht dem Wandel zusätzliche Dynamik und eröffnet zudem neue Optionen hinsichtlich Führung, Feedback, Steuerung und Zusammenarbeit. Immer wieder machen prominente Unternehmen mit teils revolutionären Veränderungen ihrer Vergütungssysteme – z.B. Abkehr vom individuellen Bonus – auf sich aufmerksam. Gleichzeitig wird jedoch das Prinzip, unterschiedliche Leistungsniveaus von Beschäftigten auch im Gehalt abzubilden, nicht fundamental in Frage gestellt.

In dieser Gemengelage erhofft man sich Hinweise aus der Motivationstheorie, deren Stellenwert oftmals etwas in den Hintergrund gerät. Häufig dominieren in den Argumentationen noch die Ansätze aus der Mitte des vergangenen Jahrhunderts. Es erscheint daher vielversprechend, einerseits traditionelle Erklärungsansätze für Motivation auf ihre aktuelle Relevanz zu prüfen und zugleich einen Blick auf neuere Erkenntnisse zu werfen.

Modernes Performance-Management musste schon immer Schritt halten mit Veränderungen der Arbeitswelt, gesellschaftlichem Wertewandel und neuen Erkenntnissen aus der Wissenschaft – insbesondere der Motivationsforschung.

Man denke da etwa an die Anfänge des 20. Jahrhunderts, als die Industrialisierung Einzug hielt und ein Großteil der Bevölkerung vom Land in die Städte zog, weil in den dortigen Fabriken bessere Löhne gezahlt wurden. Da wundert es nicht, dass in Zeiten des Taylorismus die Annahme vertreten wurde, Geld sei das Einzige, was den Menschen zur Arbeit bewege. Klare Arbeitsteilungen mit strikten Vorgaben sollten zu immer effizienteren Ergebnissen führen, während Angestellte mit Akkordlöhnen vermeintlich zu Höchstleistungen motiviert wurden. Die physisch und psychisch stark beanspruchenden Tätigkeiten in den damaligen Fabrikhallen liefern auch eine Erklärung dafür, warum Vergütung noch heute als Entschädigung (englisch „compensation“) betrachtet wird.

Innovationsdruck im digitalen Zeitalter

Mittlerweile hat sich die Arbeitswelt jedoch deutlich verändert. Im Gegensatz zur Zeit des Taylorismus, die stark von Massenfertigung, Standardisierung und Effizienzdruck geprägt war, herrscht im digitalen Wandel heutzutage ein regelrechter Innovationsdruck. Der Fließbandarbeiter wird zum Wissensarbeiter. Parallel sind auch die Erkenntnisse bezüglich der Arbeitsmotivation nicht mehr dieselben wie noch vor 100 Jahren, was sicherlich auch im gesellschaftlichen Wertewandel begründet liegt. Es geht heute nicht (mehr) ausschließlich darum, viel Geld zu verdienen. Sinnstiftende Arbeit, Selbstbestimmung und -verwirklichung sind von wachsender Bedeutung. Motivation, rein monetär interpretiert, greift daher in vielen Bereichen deutlich zu kurz.

In der Forschung wird in diesem Zusammenhang häufig zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation unterschieden. Extrinsische Anreize beruhen auf dem gezielten Einsatz äußerer Einflüsse – also beispielsweise leistungsabhängiger Vergütungsbestandteile –, um die Motivation zu steigern. Die intrinsische Motivation hingegen entsteht aus dem inneren Antrieb einer Person heraus und umfasst Bedürfnisse nach Sinngebung und Selbstverwirklichung durch die eigene Tätigkeit und Leistung. Die Psychologen Edward L. Deci und Richard M. Ryan gehen in ihrer Selbstbestimmungstheorie davon aus, dass Menschen durch das Bedürfnis nach Kompetenz, Autonomie und sozialer Eingebundenheit angetrieben werden. Demnach bemisst sich die intrinsische Motivation vor allem anhand des Autonomiegrades einer Person.

Die Forschung der letzten Jahrzehnte hat gezeigt, dass sich über die intrinsische Motivation zwar deutlichere Leistungssteigerungen erzielen lassen, doch hängt die Wirksamkeit intrinsischer und extrinsischer Anreize stark von den spezifischen Rahmenbedingungen ab. Positive Effekte von Maßnahmen, die auf eine Steigerung der intrinsischen Motivation abzielen, zeigen sich speziell bei anspruchsvollen Tätigkeiten, die hohe Freiheitsgrade in der Art und Weise der Erledigung bieten und im Sinne der Selbstbestimmungstheorie bereits von sich aus motivierend wirken. Unter solchen Rahmenbedingungen kann eine bestehende intrinsische Motivation durch den Einsatz extrinsischer Anreize sogar zurückgedrängt werden – gut gemeinte Steuerungsimpulse etwa durch klassische Vergütungselemente greifen in diesem Fall nicht nur ins Leere, sondern bewirken sogar das Gegenteil des gewünschten Effekts.

Wo extrinsische Anteile sinnvoll sind

Jedoch zeigen Untersuchungen, dass extrinsische Anreize unter bestimmten Bedingungen durchaus (auch weiterhin) Sinn machen:

  • bei stark standardisierten Jobs mit geringen Freiheitsgraden
  • bei starker Kopplung extrinsischer Anreize an das individuelle Kompetenzerleben des Beschäftigten (eine hohe Bonuszahlung sollte auch als Ausdruck einer herausragenden Leistung empfunden werden)

Schließlich zeigt sich in der Praxis, dass Elemente des Taylorismus in bestimmten Segmenten auch weiterhin prägend sind. Auch heute noch arbeiten Menschen in monotonen und stark standardisierten Jobs, mit wenig Raum für tatsächliche Selbstbestimmung und kaum erkennbarem Bezug zu einem höheren Sinn. In solchen Fällen kann es sich nach wie vor als sinnvoll erweisen, extrinsische Anreize zur Steigerung der Motivation einzusetzen.

Für die effiziente Ausgestaltung betrieblicher Anreizsysteme ist also eine differenzierte Betrachtung erforderlich – ein One-Size-fits-all-Vorgehen dürfte in den allermeisten Unternehmen nicht die optimale Strategie darstellen. Folgende Grundsätze lassen sich zusammenfassend ableiten:

  1. Autonome und sinnstiftende Gestaltung von Jobs fördert die intrinsische Motivation: Es gilt, Beschäftigten die Sinnhaftigkeit ihrer Aufgabe im Kontext des großen Ganzen zu vermitteln und ihnen größtmögliche Freiheitsgrade bei der Ausübung der Tätigkeit einzuräumen.
  2. Anspruchsvolle Leistungsvorgaben fördern das individuelle Kompetenzerleben. Die Empirie bestätigt, dass anspruchsvolle und konkret definierte Vorgaben eine besonders starke Wirkung auf die Motivation entfalten – vorausgesetzt, die Zielerreichung wird als machbar und nicht als völlig übertrieben empfunden. Als zu schwach empfundene, ohne besondere Leistungsanstrengung erreichbare Ziele führen dagegen nicht zu einer Motivations- und Leistungssteigerung.
  3. Authentisches Feedback und differenzierte Leistungsbeurteilungen, die sich explizit auf die konkreten Aufgaben des Beschäftigten beziehen, fördern das individuelle Kompetenzerleben und tragen dem großen Bedürfnis nach Rückkopplung und Wertschätzung Rechnung. Ein Drittel aller Feedbacks ist jedoch unspezifisch und nicht authentisch, weshalb es seine Absicht verfehlt und die Arbeitsleistung des Mitarbeiters im Anschluss sogar verringert. Ein immer wiederkehrendes lobendes Wort – meist aus Gewohnheit und Nettigkeit – kann ebenfalls schädlich sein, sofern es nicht dem Kompetenzgefühl des Mitarbeiters entspricht. Ein möglichst konkretes und direktes Feedback setzt zumeist auch ein Abstandnehmen vom vielfach etablierten Jahreszyklus voraus. Lieber sollten unterjährig regelmäßige, kontinuierliche Rückmeldungen in kurzen Abständen erfolgen.
  4. Der Einsatz extrinsischer Anreize und ihre spezifische Ausgestaltung sollten sich eng an den jeweiligen Rahmenbedingungen unterschiedlicher Jobs bzw. Arbeitsbereiche orientieren. Außerdem sollten sie sich auf eine genaue Analyse stützen, inwieweit die vorhandene intrinsische Motivation beeinträchtigt wird.

Fazit

Fasst man die vorhandenen Erkenntnisse zusammen, so zeigt sich, dass es keine Universalmethode gibt, mit der es gelingt, die Arbeitsmotivation aller Gruppen von Beschäftigten gleichermaßen zu beeinflussen. Zeitgemäßes Performance-Management erfordert also eine fundierte Analyse der Rahmenbedingungen sowie ein differenziertes und häufig auch flexibles Vorgehen. Der voranschreitende Wandel der Arbeitswelt wird also auch weiterhin vielversprechende Erfahrungen und neue Best Practices hervorbringen.

Bei Fragen wenden Sie sich gerne an Thomas Thurm (+49 40 32 57 79-33), Senior Manager oder Patrick Koll (+49 40 32 57 79-62), Business Analyst.

Dieser Artikel ist ursprünglich in Ausgabe 02/2020 der COMP & BEN – Das Online Magazin für Vergütung erschienen. Mehr über das Magazin erfahren Sie hier.

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