New Normal – Performance Management in unsicheren Zeiten

New Normal – Performance Management in unsicheren Zeiten

Das vergangene Jahr hat nachdrücklich unter Beweis gestellt, dass die etablierten Planungs- und Steuerungssysteme von Unternehmen – in der Regel ausgerichtet auf einen Jahreszyklus – von äußeren Einflüssen hart an ihre Grenzen gebracht werden können. Allerdings stellt nicht erst der externe Schock vom Ausmaß einer globalen Pandemie die Wirksamkeit jahrzehntelang bewährter Steuerungssysteme in Frage.

Bereits seit einigen Jahren erweisen sich in vielen Organisationen die klassischen jahresbezogenen Planungszyklen als immer weniger geeignet, um der stark zunehmenden Veränderungsdynamik gerecht zu werden. Die schwierigen, häufig mit „VUCA“ (volatility” (Volatilität), uncertainty (Unsicherheit), complexity (Komplexität) und ambiguity (Mehrdeutigkeit)) charakterisierten Rahmenbedingungen, bringen eine dringende Notwendigkeit für kurzfristig ausgerichtete Steuerungsimpulse und entsprechend agile Führungsinstrumente mit sich.

Die Kienbaum Trendstudie „Performance Management Revisited“ (2020) belegt diese Entwicklung sehr deutlich: Im Jahr 2017 gaben 92 % der teilnehmenden Unternehmen einen jährlichen Rhythmus für ihre Zielvereinbarungssysteme an – im Jahr 2020 waren es nur noch 71 %. Interessant ist, dass zugleich 54 % der Teilnehmenden für die vergangenen Jahre eine zunehmende Bedeutung des Performance Managements in ihrer Organisation attestieren, und sogar 77 % davon ausgehen, dass die Bedeutung in den kommenden Jahren noch weiter steigen wird.

 

Die Merkmale zukunftsfähiger Steuerungs- und Führungsinstrumente lassen sich mit S.A.F.E. klar beschreiben:

  • Strategieorientiert: Auch in Zukunft besteht ein Hauptzweck darin, die Umsetzung der Unternehmensstrategie zu fördern, indem die Leistungsbeiträge innerhalb der Organisation systematisch auf die übergeordneten (Unternehmens-)Ziele ausgerichtet werden.
  • Agil, also beweglich und anpassungsfähig im Hinblick auf unstete Rahmenbedingungen und den Bedarf häufiger Nachjustierungen. Zugleich beinhaltet Agilität auch eine proaktive Komponente – neben der Fähigkeit, auf Veränderungen schnell und ohne großen Aufwand zu reagieren, wird auch ein vorausschauendes Antizipieren von Entwicklungen als notwendig erachtet.
  • Feedback fördernd: „Anerkennung ist die neue Währung“ – ein regelmäßiges Leistungsfeedback wird heute als deutlich wirksamer im Hinblick auf Motivation und zielgerichtete Leistungssteuerung wahrgenommen als klassische monetäre Incentives. Die Teilnehmenden der Kienbaum Trendstudie attestieren spontanen und anlassbezogenen Feedbackformaten (gegenüber oft standardisierten und ritualisierten Jahresgesprächen) den höchsten Wirkungsgrad.
  • Entwicklungsorientiert: zeitgemäße Steuerungsinstrumente richten sich auf den Aufbau von Kompetenzen und die Weiterentwicklung der Beschäftigten und entfalten ihre Motivations- und Steuerungsfunktion aus dem Aufzeigen von Perspektiven.

 

Eine in vielen Unternehmen bereits bewährte Methodik als Alternative zu herkömmlichen jahresbezogenen Zielsystemen, die die S.A.F.E.-Anforderungen gut erfüllt, sind Objectives and Key Results (OKR). Auch bei OKR handelt es sich um eine Methode zur Formulierung und Umsetzung von Zielen im Unternehmen – bei näherer Betrachtung zeigen sich allerdings gegenüber dem klassischen Management by Objectives-Konzept (MbO) deutliche Unterschiede in zentralen Merkmalen:

 

Merkmal MbO OKR
Inhalt Was soll erreicht werden? Was soll erreicht werden und mit welchen Mitteln?
Zielfindung Praktisch häufig top-down-geprägt Mischung aus top-down (40 bis 60 %) und bottom-up (50 % bis 60 %)
Turnus I. d R. jährlich Vierteljährlich (oder kürzer)
Vergütung Häufig gekoppelt Zumeist getrennt
Ambitionsniveau Begrenzt (Risikovermeidung) Hoch
Transparenz Ziele zumeist eher vertraulich zwischen Führungskraft und Beschäftigtem Ziele sind innerhalb des Unternehmens für alle einsehbar

 

Im OKR-Prozess werden turnusmäßig pro Mitarbeitendem drei bis fünf Objectives festgelegt, die zum Ausdruck bringen, worauf in der kommenden Periode der Fokus gelegt werden soll. Objectives sind für gewöhnlich qualitativ formuliert und daher nicht direkt messbar; vielmehr legen sie den Grundstein dafür, was erreicht werden soll. Um den Weg zur Zielerreichung dennoch messbar zu machen, werden für jedes Objective zusätzlich drei bis fünf Key Results festgelegt. In ihrem quantitativen Naturell operationalisieren die Key Results die festgelegten Objectives und liefern die Basis für die Feststellung des Zielerreichungsgrads.

Die Ausformulierung der OKRs findet im Dialog zwischen Mitarbeitendem und Führungskraft statt. Ziele werden zum Teil vom Management definiert, entstehen jedoch zu einem erheblichen Teil bottom-up. Die Top-down-Ausrichtung sichert die Strategiekompatibilität und gewährleistet, dass das „große Ganze“ den benötigten Stellenwert erhält. Die Bottom-up-Komponente fördert sowohl Commitment und Engagement des Beschäftigten als auch die praktische Relevanz von vereinbarten Leistungsbeiträgen.

Die OKRs werden für gewöhnlich quartalsweise festgelegt. Der kurze Zyklus ermöglicht eine wesentlich präzisere Planbarkeit und in der Folge eine konkretere Ableitung von Aktivitäten. Ein stetiger Austausch zwischen Führungskraft und Beschäftigtem in kurzen Abständen gehört zu den essenziellen Charakteristika des OKR-Konzepts. Dieses beinhaltet jeweils ein Feedback zum aktuellen Stand der Zielerreichung sowie eine kontinuierliche Neubewertung. Das (drohende) Verfehlen angestrebter Ziele oder Resultate löst – statt einer Diskussion über das Verfehlen – eine konstruktive Auseinandersetzung über geeignete Handlungspläne oder Anpassungen aus.

Die im OKR-System gesetzten Ziele werden üblicherweise allen Beschäftigten zugänglich gemacht. Diese Transparenz fördert das gegenseitige Verständnis, lässt die Mitarbeitenden den Zusammenhang der eigenen Tätigkeit zum „Großen Ganzen“ besser erkennen und hilft, Zielüberschneidungen zu vermeiden.

Nach der OKR-Logik werden üblicherweise überaus anspruchsvolle Ziele vereinbart. Während traditionelle Zielvereinbarungssysteme für das Entstehen wirksamer Motivationseffekte zugleich auch die Erreichbarkeit gesetzter Ziele als essentiell ansehen (mit entsprechender „Leistungsanspannung“), kommt es darauf bei OKR nicht an. Im Gegenteil: eine volle Zielerreichung wird eher als Indiz dafür gesehen, dass die Ziele nicht ambitioniert genug formuliert worden sind. Damit folgt das OKR-Konzept der verhaltenswissenschaftlichen Erkenntnis, dass Beschäftigte produktiver, engagierter und motivierter sind, wenn sie gefordert sind – und zwar auch dann, wenn die angestrebten Resultate nicht voll erreicht werden.

Diese Sichtweise lässt sich offensichtlich nicht isoliert auf etablierte Steuerungssysteme und die darin sozialisierten Akteure übertragen. Eine wesentliche Voraussetzung besteht in der Entkopplung von Zielen im OKR-System und der Entlohnung.

Das Nicht-Erreichen von Zielen wird in der OKR-Logik nicht sanktioniert, sondern zum Anlass genommen, die gesetzten Ziele zu hinterfragen und daraus im konstruktiven Dialog Schlussfolgerungen für den Folgeprozess zu ziehen. Die Entkopplung von jeglichen Vergütungsbestandteilen trägt dazu bei, dass sich die Zielthematik zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden in einer ganz anderen Atmosphäre abspielen kann, als es bei klassischen Zielvereinbarungen der Fall ist: es besteht keine Notwendigkeit, das Zielniveau möglichst niedrig zu „verhandeln“, die Zielerreichung in ein bestmögliches Licht zu rücken bzw. Zielverfehlungen aufwändig zu rechtfertigen. An die Stelle taktischer Tiefstapelei, gefolgt von Negativdiskussionen über Zielverfehlungen, tritt die Motivation, sich aus der Komfortzone heraus für Fortschritt, Innovation und persönliche Weiterentwicklung zu engagieren.

Es ist offensichtlich, dass sich die OKR-Methode in einer Reihe von wesentlichen Merkmalen deutlich von den heute noch weit verbreiteten und häufig auch noch funktionierenden Zielvereinbarungssystemen unterscheidet. In Kundenprojekten, in denen Unternehmen ihr Performance Management auf den Prüfstand stellen, kommt eine Umsetzung von OKR „in Reinform“ daher aufgrund der vorhandenen kulturellen Rahmenbedingungen häufig nicht oder nur punktuell (in bestimmten Bereichen) in Frage. Es hat sich jedoch bewährt, die Kernelemente von OKR systematisch zu analysieren und einzelne Bausteine in das eigene Führungsinstrumentarium zu überführen. Auf diese Weise entstehen passgenaue Hybridformen, die sich das Beste aus unterschiedlichen Welten zu eigen machen und häufig den Startpunkt setzen für eine sukzessive voranschreitende Weiterentwicklung des Performance Managements.

Kienbaum versteht sich als Partner mit langjähriger Expertise in der kundenspezifischen Entwicklung und Umsetzung von modernen, passgenauen Performance Management-Lösungen für Kundinnen und Kunden unterschiedlichster Branchen.

 

Bei Fragen sprechen Sie uns gerne an:

Thomas Thurm | E-Mail: Thomas.Thurm@kienbaum.de | Tel.: +49 40 32 57 79-33

Patrick Koll | E-Mail: Patrick.Koll@kienbaum.de | Tel.: +49 40 32 57 79-62

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