„Unser Anteil an weiblichen Leadern ist kein Zufall“

„Unser Anteil an weiblichen Leadern ist kein Zufall“

In unserer Analyse von 2022 haben wir den Frauenanteil in den höchsten Positionen der 20 umsatzstärksten Pharmaunternehmen weltweit untersucht. Heraus kam: In den untersuchten Unternehmen in Deutschland und Österreich sind Frauen in Geschäftsführungspositionen nach wie vor in der Minderheit. Eine der Ausnahmen bildet die österreichische Dependance des US-Konzerns Merck, Sharp & Dohme (MSD). Ina Herzer leitet seit 2019 das Unternehmen und verrät uns im Interview: An die Spitze schaffen qualifizierte Frauen es dann, wenn in einer Organisation eine Kultur des Förderns herrscht – und Frauen sich selbst mehr zutrauen.

Ina Herzer

Ina Herzer, Geschäftsführerin MSD Österreich

Was war Deine persönliche Ausgangsbasis und Motivation, Führung zu übernehmen?

Ich bin in Führungspositionen reingewachsen. In meinen ersten Rollen im Medienbereich habe ich große Kundenprojekte und Agentur-Pitches betreut. Da konnte ich Elemente aufbauen, die ich für Führung wichtig halte: überzeugende Zielsetzung und klare und motivierende Kommunikation zum Beispiel. Meine erste Aufgabe bei MSD war im digitalen Marketing, einem Bereich, der damals sehr neu im Pharmaumfeld war. Dort habe ich ebenfalls große, bereichsübergreifende Projekte begleitet. Später habe ich dieses Team übernommen. Das war meine erste konkrete Führungsrolle. Damals waren wir in einer permanenten Aufbauphase, in der auch das Team stetig gewachsen ist. Wir haben viel Aufmerksamkeit bekommen, mussten aber auch viel erklären, denn nicht jeder bei MSD war mit diesem Bereich vertraut. Da haben Aspekte wie eine klare Agenda, das Übersetzen von Werten, die Ziele und Teammotivation immer eine Rolle gespielt. Der damalige Geschäftsführer hat an den Bereich geglaubt und ein Umfeld geschaffen, damit wir in der dynamischen Phase erfolgreich sein konnten. Das war sicherlich ein zentrales Element für meine Motivation, die Teamleitung auch weiterhin zu übernehmen. Auch die Erfahrung, wie das ist, wenn man gemeinsam im Team durch Herausforderungen geht und erfolgreich ist, hat mir sehr viel Spaß gemacht.

Wer oder was hat Dir besonders geholfen, um als Führungskraft erfolgreich zu sein?

Das war unser erster Bereichsleiter bei MSD, der mir Führungsverantwortung gegeben hat in einem Team, in dem ich zuvor Teammitglied war. Das war spannend, erst ein Sub-Team zu übernehmen und dann die Teamleitung. Man braucht jemanden, der einem die Verantwortung zutraut und das Sponsorship gibt. Der einen als Sparringspartner unterstützt, wenn man lernt, eine Führungskraft zu sein, und der einem das Empowerment gibt, das Gelernte umzusetzen. Inhaltlich haben mir meine Erfahrungen und Kenntnisse in der Kommunikation zum Start sehr geholfen und tun das bis heute. Denn ich erlebe es in meiner heutigen, von Komplexität geprägten Führungsverantwortung, dass es wichtig ist, klar und gut zu kommunizieren. Es ist wichtig, sich pointiert zu artikulieren, eine Story sinnvoll zu erzählen, aber auch Schwieriges in leicht Verständliches zu übersetzen.

Auf welche Hindernisse bist Du auf Deinem Weg gestoßen?

Ich würde es positiv umformulieren: Was ist wichtig, wenn man Positionen mit steigender Verantwortung bekommen möchte? Das ist zum einen die eigene Entwicklung. Da können Hindernisse und Herausforderungen auftreten, je weiter man sich entwickelt und je größer und komplexer die Verantwortungsbereiche werden. Jeder hat seine persönlichen Führungspräferenzen. Je nach Team, das man übernimmt, ist es wichtig, sich auf die richtige Art des Führens zu fokussieren. Zu Beginn ist es vielleicht ein Team aus Menschen, die selbst viel Unterstützung brauchen. Heute führe ich ein diverses, multinationales und sehr erfahrenes Leadership-Team. Da sind jeweils verschiedene Arten von Führung nötig. Es erfordert, dass man sich selbst permanent weiterentwickelt. Das Zweite ist: Je weiter man in der Karriere und der Laufbahn vorankommt, das nächste Sponsorship zu haben, um die nächste komplexere Rolle zu bekommen. Da geht es um Netzwerken und darum, sich im Unternehmen und darüber hinaus gut aufzustellen.

Wie lautet Dein Selbstverständnis als Führungskraft auf den Punkt gebracht?

Als Führungskraft setze ich Rahmen. Ich beeinflusse maßgeblich, was auf dem Spielfeld vor sich geht. Mein Ziel ist immer ein konstruktives, inspirierendes und auch förderndes Umfeld. Ich möchte es meinem Team ermöglichen, sein Bestes zu geben, und damit nachhaltig den Business-Erfolg sicherstellen. Mein Credo beim Thema Führung, das ich mit meinen Teams immer zum Start teile: Alignment, Empowerment, Accountability. Alignment deshalb, denn ohne ein Ziel, das auf einer klaren Strategie fußt, kann ich vom Team nicht erwarten, dass es weiß, in welche Richtung es geht. Empowerment weil ich es dem Team ermöglichen muss, sich zu entfalten, inspiriert zu arbeiten und dabei immer besser zu werden. So sind gemeinsame Innovation und Kreation möglich. Und Accountability weil alles Hand in Hand gehen muss mit dem Sinn für Verantwortung und dem Willen, Verantwortung zu übernehmen. Dazu gehört für mich, sowohl aus Positivem zu lernen, aber auch dann, wenn es mal nicht so gut läuft.

Warum sind Frauen in höchsten Führungspositionen aus Deiner Sicht noch immer unterrepräsentiert, und warum hinkt besonders Österreich aus Deiner Sicht in Bezug auf die Frauenquote im internationalen Vergleich hinterher?

Das ist ein vieldiskutiertes Thema. In 2022 gab es dazu eine größere Umfrage von McKinsey. Eine der Top-Antworten: Frauen trauen sich weniger zu. Das wird von Frauen auch selbst konstatiert: Sie sind zu zögerlich, zu sagen „Ich kann das“, wenn es um Positionen mit mehr Verantwortung geht. Sie zögern, ihre Fähigkeiten und Erfahrungen stark nach vorne zu stellen. Das zweite große Thema ist nach wie vor das System und die Infrastruktur. Das kann ich aus persönlicher Erfahrung bestätigen, als jemand, der geografisch mobil ist und eine Familie hat, in der mein Mann ebenfalls international arbeitet. Frauen müssen immer noch einer stärkeren Verantwortung im Familienkontext gerecht werden. Ich finde, bei beiden Aspekten ist es Aufgabe des Arbeitgebers, Lösungen zu finden.

Was machst Du und was macht Dein Unternehmen (anders), um die Frauenquote in Führungspositionen zu steigern?CTA Executive Search Making The Difference Interview Serie

Wir bei MSD Österreich sind stolz, einen hohen Anteil von Frauen in Führungspositionen zu haben. Grundsätzlich finde ich, dass man als moderner, inspirierender Arbeitgeber – um einmal System und Infrastruktur zu adressieren – zukunftsfähige Arbeitsmodelle schaffen muss. Wir versuchen das im Arbeitsumfeld selbst, durch flexible Arbeitszeitangebote, damit Arbeit und Leben besser miteinander harmonieren. Wir bieten zum Beispiel zwölf Wochen bezahlte Elternzeit zusätzlich zum gesetzlichen Anspruch, und das für Mütter, Väter und Partner:innen. Wir haben aber auch Entwicklungs- und Förderprogramme zur Vorbereitung auf Führungsaufgaben – die sich aber nicht nur an Frauen richten. Speziell für sie haben wir das weltweite Women‘s Leadership-Programm, wo Frauen Kenntnisse und Fähigkeiten gemeinsam erlernen können, die sie bestmöglich auf Führungsaufgaben vorbereiten. Es ist aber nicht das Ziel, möglichst viele Frauen im Leadership-Team zu haben, sondern qualifizierten Frauen ein Umfeld zu bieten, das ihnen ermöglicht, von Tag eins erfolgreich zu sein. Darüber hinaus waren in vielen Fällen Frauen die qualifiziertesten Kandidatinnen. Dennoch muss Frauenförderung Teil eines ganzheitlichen Denkens sein. Eine zielgerichtete Förderung hat nur dann Erfolg, wenn alles passt. Es wird nicht helfen, wenn ich Frauen viele Angebote mache, die Themen aber liegen lasse, die Frauen aktuell immer noch bewegen. Unser Anteil an weiblichen Leadern ist kein Zufall. Sowohl bei den Rahmenbedingungen als auch mit der Kultur, die MSD lebt, machen wir wohl einiges richtig.

Welche weiblichen Führungskräfte inspirieren Dich besonders und was zeichnet diese aus?

Ich tue mich schwer damit, außerhalb meines Arbeitsumfeldes Role Models zu definieren. Für mich ist die Persönlichkeit wichtig, und die muss ich selbst erlebt haben. Für mich zählt der Impact, den jemand auf sein Team hat. Da ist meine frühere Vorgesetzte, die jetzt als Chief Commerial Officer global verantwortlich für ein großes Pharmaunternehmen arbeitet, das große Vorbild. Neben ihren fachlichen Fähigkeiten haben mich vor allem zwei Aspekte inspiriert: Sie hat Frauen immer Zutrauen entgegengebracht und sie ermutigt, Chancen wahrzunehmen. Und sie hat damals schon vorgelebt, was heute immer wichtiger wird: ein authentisches und menschliches Führungsverständnis.

Welchen Tipp möchtest Du für Frauen in Führungspositionen mit auf den Weg geben?

Erstens, führt Trauen und Zutrauen auch in eurer Führungsposition konsequent weiter. Man sollte meinen, dass man auf einer gewissen Karrierestufe und mit Erfolg im Rücken selbstverständlicher nach neuen Herausforderungen strebt. Aber ich erlebe es immer wieder in Mentoring-Gesprächen mit Frauen, dass es noch nicht die Normalität ist. Zweitens, bildet Netzwerke, denn sie helfen sehr. Für Frauen ist es sehr wichtig, sich zielgerichtet und frühzeitig mit Menschen innerhalb und außerhalb der Firma zu verbinden, die einem helfen können. Drittens, nutzt Plattformen, wo ihr gleichgesinnte, inspirierende und motivierte Frauen kennenlernen könnt, um voneinander zu lernen, aber auch über Herausforderungen zu sprechen.

 

Über die Gesprächspartnerin:

Ina Herzer ist die Geschäftsführerin von MSD Österreich, einem Tochterunternehmen des gleichnamigen US-Pharmakonzerns Merck, Sharp & Dohme. Hier ist sie verantwortlich für die Stärkung der Position von MSD im österreichischen Markt und im Gesundheitssystem sowie für die Entwicklung als bevorzugter Arbeitgeber. Zuvor war sie in verschiedenen leitenden Positionen von MSD in Deutschland und der Schweiz tätig. Herzer ist außerdem Mitglied des Aufsichtsrates von MSD Deutschland und Vizepräsidentin von PHARMIG, dem Verband der pharmazeutischen Industrie, Vorstandsmitglied und Leiterin der Plattform für Innovation. Die passionierte Läuferin und Klavierspielerin besitzt ein Diplom in Business Studies und Languages.


 

Die meisten internationalen Konzerne streben danach, diverse Belegschaften zu haben, die die Vielfalt der Gesamtbevölkerung repräsentieren. Wir haben eine Analyse des Frauenanteils in den höchsten Rollen der weltweit 20 umsatzstärksten Pharmaunternehmen durchgeführt, einschließlich der deutschen und österreichischen Niederlassungen sowie der globalen Headquarters. Lesen Sie hier die Ergebnisse: Frauenanteil in Pharma-Vorständen

Haben Sie Fragen? Sprechen Sie uns an!

Daniel Daroussis | E-Mail: daniel.daroussis@kienbaum.de | Tel.: +43 1 533 51 88-61

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