Lohngleichheit

Entgelttransparenzrichtlinie und Tarifverträge: Sicherer Hafen oder neue Herausforderungen?

Die EU-Richtlinie zur Entgelttransparenz wirft ihre Schatten voraus: Bis zum 7. Juni 2026 ist diese in nationales Recht umzusetzen. Doch bereits jetzt ist klar, dass Unternehmen mit mindestens 150 Mitarbeitenden spätestens bis zum 7. Juni 2027 und ab diesem Zeitpunkt in einem regelmäßigen Turnus Berichte über das geschlechtsspezifische Lohngefälle publizieren müssen. Dies gilt auch für tarifgebundene Unternehmen bzw. Unternehmen, die sich an einem Tarifvertrag orientieren. Wir beleuchten, was auf jetzt auf Unternehmen zukommt und was zu beachten ist.

Die Entgelttransparenzrichtlinie (Richtlinie (EU) 2023/970) verfolgt das Ziel, ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen für gleichwertige Arbeit zu beseitigen. Sie verpflichtet Unternehmen dazu, systematisch nach Gehaltsunterschieden zwischen den Geschlechtern zu suchen und diese zu veröffentlichen.

  1. Bestimmung gleichwertiger Arbeit: Welche Tätigkeiten sind hinsichtlich Kompetenzen, Belastungen, Verantwortung und Arbeitsbedingungen vergleichbar?
  2. Bildung von Vergleichsgruppen: Arbeitnehmer:innen mit gleichwertigen Aufgaben werden in Gruppen zusammengefasst.
  3. Analyse der Gehaltsunterschiede: Innerhalb dieser Gruppen werden Gehaltsdifferenzen zwischen Männern und Frauen untersucht.

Diese Anforderungen stellen hohe Ansprüche an die internen Gehaltsstrukturen.

Tarifverträge und Entgelttransparenz: Wo liegen die Herausforderungen?

Tarifverträge regeln die Vergütung vieler Unternehmen – oft bis ins Detail. Die Bestimmung gleichwertiger Arbeit erfolgt hier über Entgeltgruppen und deren Einwertungslogiken. Auf den ersten Blick bieten Tarifverträge damit eine solide Grundlage, da sie bereits einheitliche und verbindliche Regeln zur Eingruppierung enthalten. Jedoch definiert die Richtlinie folgende spezifische Mindestkriterien zur Bestimmung gleichwertiger Arbeit (Ziffer 26 der Richtlinie).

Mindestkriterien der Richtlinie zur Bestimmung gleichwertiger Arbeit:

  • Kompetenzen,
  • Belastungen,
  • Verantwortung,
  • Arbeitsbedingungen.

Tarifverträge decken in ihren Eingruppierungsordnungen diese Kriterien oft nur teilweise bzw. unzureichend ab. Ferner besagt die Entgelttransparenzrichtlinie – da nicht alle Faktoren für eine bestimmte Position gleichermaßen relevant sind – dass jeder der vier Faktoren vom Arbeitgeber nach Maßgabe der Relevanz dieser Kriterien für den jeweiligen Arbeitsplatz oder die betreffende Position gewichtet werden soll.

Rechtliche Implikationen und aktuelle Urteile

Auch aus einem aktuellen Urteil des LAG Baden-Württemberg zum Entgelttransparenzgesetz vom Juni 2024 (Az. 4 Sa 26/23) geht hervor, dass es nicht genügt, wenn der Arbeitgeber bestimmte Kriterien zur Ermittlung der Vergütung herangezogen hat. Der Arbeitgeber muss vielmehr darlegen und ggf. beweisen, ob und wie er diese Kriterien zueinander gewichtet hat.

Anders als derzeit in § 4 Abs. 5 S. 1 Entgelttransparenzgesetz vorgesehen, bietet die EU-Entgelttransparenzrichtlinie keinen Anhaltspunkt dafür, dass es eine Privilegierung für Tarifverträge gibt. Nach unserer Einschätzung unterliegen daher sämtliche Kollektivvereinbarungen zur Vergütung den oben genannten Voraussetzungen. Wie die Reglungen zur europarechtlich verbürgten Tarifautonomie (Art. 28 GRCh) dazu in Einklang zu bringen sind bzw. welches Gewicht diesem zukommt, bleibt abzuwarten.

Nach unserer Erfahrung findet die tarifliche Eingruppierung in Unternehmen oft jedoch nur in summarischer Form statt, d. h. eine echte Gewichtung der Eingruppierungsmerkmale wird nicht vorgenommen. Auch die Bezugnahme auf sog. „Richtbeispiele“, wie sie sich in manchen Tarifverträgen finden, genügt diesen Anforderungen nicht. Hinzu kommt, dass diese Richtbeispiele häufig veraltet sind und nicht mehr den aktuellen Gegebenheiten und tatsächlichen Stelleninhalten entsprechen. Summarische Eingruppierungen dürften damit in Zukunft problematisch sein.

Ein weiterer wesentlicher Aspekt ist, dass „Entgelt“ im Sinne der Entgelttransparenzrichtlinie alle unmittelbar oder mittelbar als Geld- oder Sachleistung gezahlte Vergütungsbestandteile umfasst. Dazu zählen auch Boni, Überstundenausgleich sowie alle Elemente der gesetzlich oder tariflich geschuldeten Vergütung – mithin also auch tarifliche Zulagen. Allerdings erfolgt die Gewährung von Zulagen nicht selten eher individuell als im Rahmen eindeutiger und klar gewichteter Kriterien.

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Handlungsempfehlungen für tarifgebundene Unternehmen

Damit auch im tariflichen Umfeld der Nachweis gelingt, dass keine geschlechtsspezifische Lohndiskriminierung vorliegt, sollte im Kontext der Eingruppierung eine nachvollziehbare und gut dokumentierte Systematik zugrunde gelegt werden, welche die oben genannten Kriterien beinhaltet.

Hier können richtlinienkonforme Eingruppierungshilfen mit einem analytischen Kriterien-Gerüst ein diskriminierungsfreies „Tarifbridging“ ermöglichen. Hierdurch wird nicht nur die Nachweisbarkeit und Dokumentation von Eingruppierungsentscheidungen erleichtert, sondern auch die unternehmensinterne Entgeltgerechtigkeit gewährleistet.

Tarifgehälter bzw. entsprechende Eingruppierungen allein schützen somit nicht vor einem eventuellen Gender Pay Gap. Auch tarifgebundene Unternehmen sind daher gut beraten, ihre bisherige Eingruppierungspraxis unter folgenden Aspekten auf den Prüfstand zu stellen:

Checkliste zur Vorbereitung:

Ist die bisherige Eingruppierungspraxis transparent, nachvollziehbar und frei von Diskriminierung?

Berücksichtigt die aktuelle Eingruppierungslogik die von der EU-Richtlinie genannten Mindestkriterien?

Existieren klare, transparente und richtlinienkonforme Kriterien für die Eingruppierung sowie die Gewährung von Zulagen und ggf. weiterer Vergütungsbestandteile?

 

Können diese Fragestellungen nicht mit einem eindeutigem „Ja“ beantwortet werden, besteht Handlungsbedarf!

 

 

 


 

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