„Unsere neue starke Rolle werden wir uns nicht nehmen lassen“
Der Personalvorstand von Porsche sieht die Rolle des Personalwesens durch die Pandemie gestärkt. Im Strategieprozess der Sportwagenmarke hat er daher die Gesamtverantwortung für die Workforce Transformation übernommen. Im Interview mit Walter Jochmann spricht er von den Anforderungen an die Belegschaft der Zukunft und welchen Wertbeitrag sein Personalressort dabei stiften will.
Prof. Dr. Walter Jochmann
Managing Director | HR & Organisation Transformation
JOCHMANN: Herr Haffner, mit der Umstellung auf Elektromobilität steht die Automobilindustrie vor einer gewaltigen Transformation. Welche grundsätzlich anderen Ausgangsbedingungen sehen Sie für Porsche im Vergleich mit anderen Automobilbauern?
HAFFNER: Zunächst beschäftigen Porsche in der Transformation dieselben Themen wie andere Automobilbauer: Die Digitalisierung der Kundenprozesse, Elektrifizierung der Flotte, neue Geschäftsmodelle und neue Formen der Mobilität. Porsche unterscheidet sich vom Wettbewerb vor allem durch sein Geschäftsmodell: Wir bewegen uns mit unserer Produktpalette im oberen Preissegment und haben dadurch einen entscheidenden Vorteil gegenüber Volumenherstellern. Zudem haben wir eine relativ geringe Wertschöpfungstiefe und sind dadurch sehr flexibel. 95 Prozent der Belegschaft sind Facharbeiter. Der größte Unterschied ist, dass Transformation für Porsche nichts Neues ist. Sie ist in unserer DNA und hat uns auf unserem Weg vom Konstruktionsbüro hin zu einer globalen Sportwagenmarke immer begleitet. Deshalb sagen wir auch: Nur weil sich Porsche immer verändert hat, ist Porsche immer Porsche geblieben.
Welche Implikationen hat die Unternehmenstransformation für die Transformation der Belegschaft?
Die Transformation führt dazu, dass rund 25 Prozent unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den kommenden Jahren einen anderen Job machen werden. Wir haben für jedes Vorstandsressort sogenannte Transformationslandkarten entwickelt, die sehr genau die bereits vorhandenen und die für die Zukunft erforderlichen Kompetenzen aufzeigen. Daraus leiten wir etwa Qualifizierungsangebote für betroffenen Jobgruppen ab. Dabei verfolgen wir einen personalisierten Ansatz, der die Transformation auf Mitarbeiterebene unterstützt. Zum Beispiel entwickeln wir derzeit in einem gemeinsamen Programm mit der TU München die Mitarbeiter aus dem Fahrwerksbereich weiter. Insgesamt betrachten wir die Transformation ganzheitlich: Dabei geht es um die förderlichen Rahmenbedingen für die Transformation und Vereinbarungen mit der Arbeitnehmerseite. Wir sprechen zudem über strategische Kompetenzanalysen und Skill-Matching-Tools bis hin zu kulturverändernden Maßnahmen und Kommunikationsaktivitäten. Auf dieser Grundlage erstellen wir dann für jeden Bereich einen individuell abgestimmten Transformationspfad.
Wie positioniert sich das Personalressort im Kontext dieser Workforce Transformation?
Der unternehmerischen Gesamttransformation liegt ein mehrjähriger Strategieprozess zugrunde. Diese Strategie enthält keine Ressortstrategien, sondern sechs übergreifende Handlungsfelder – und eines davon ist die Workforce Transformation, die sich wiederum aus vier Unterfeldern zu-sammen-setzt: People Development, New Leadership, New Ways of Working und Attractive Employer. Jedes Handlungsfeld ist mit Ein- bis Zweijahresplänen hinterlegt. Die Workforce Transformation ist das Schnellboot unter den Handlungsfeldern und HR ist das Kraftwerk. Ich habe die Projektleitung für die Workforce Transformation übernommen, weil ich das Personalressort bei diesem Thema ein-deutig in der Führung sehe.
Welche inhaltlichen Leuchttürme haben Sie bisher abgeleitet?
Wir haben im Entwicklungsbereich unter der Überschrift „Umbau statt Aufbau“ bereits viele Kolleginnen und Kollegen in neue Aufgaben entwickelt. Dort war der Handlungsbedarf beispielsweise durch die zunehmende Elektrifizierung unserer Produkte besonders groß. Jetzt führen wir die unterschiedlichen Transformationsinitiativen in der Workforce Transformation zusammen. Diese wird ab dem kommenden Jahr schrittweise ausgerollt. Letztendlich ist die gesamte Belegschaft von Porsche betroffen. Aber das Gute ist: Wir geben auch jeder Kollegin und jedem Kollegen eine Perspektive in dieser Transformation. Im Gegenzug erwarten wir aber auch, dass jede und jeder bereit ist sich permanent weiterzuentwickeln. Stichwort „lebenslanges Lernen“. Dabei treibt uns die Frage um: Wie lernen wir eigentlich in Zukunft? Oder noch besser: Wir lernen wir eigentlich, wieder zu lernen? Das schauen wir uns ganz genau in unserem Arbeitspaket „People Development“ an. Gerade mit Blick auf die zunehmende Bedeutung digitaler Technologien, wie zum Beispiel Künstliche Intelligenz, haben wir einen enormen Handlungs- und Qualifizierungsbedarf.
Ihre Belegschaft zeichnet sich durch eine markante Dualität von Büro- und Produktionsarbeitsplätzen aus. Wie richten Sie die Einführung neuer Arbeitsmodelle an diesen unterschiedlichen Jobgruppen aus?
Die Coronavirus-Pandemie hat gezeigt, dass mobiles Arbeiten in einem großen Ausmaß funktioniert. Aus diesem Grund bieten wir unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern künftig die Möglichkeit, an bis zu zwölf Tagen pro Monat mobil zu arbeiten. In der Pandemie waren es bis zu fünf Tage in der Woche. Für die Zukunft ist es uns wichtig, einen gesunden Mix aus arbeiten remote und Präsenz zu haben. Denn der persönliche Kontakt ist enorm wichtig und ist die Basis für unseren besonderen Porsche-Spirit. In den Bereichen, in denen aufgrund der Tätigkeit kein mobiles Arbeiten möglich ist, denken wir ebenfalls über Maßnahmen für eine weitere Flexibilisierung nach – etwa in der Produktion. Zum Beispiel planen wir für bestimmte Bereiche die Schichtsysteme so zu flexibilisieren, dass sich die Produktionsmitarbeiter mittels einer entsprechenden App über die Anwesenheit untereinander abstimmen können, sollte eine Kollegin oder ein Kollege aus persönlichen Gründen verhindert sein. Dies setzt natürlich entsprechend hochqualifizierte und damit flexibel einsetzbare Mitarbeiter voraus.
In einem jüngeren Interview haben Sie die Mitarbeiter als die „Kronjuwelen“ von Porsche bezeichnet. Wie kann in einer zunehmend virtuellen Arbeitswelt die Gewinnung und Bindung von Talenten gelingen? Wie grenzt sich die Arbeitgebermarke Porsche auf dem Markt von anderen Wettbewerbern und Automobilbauern im Kampf um attraktive Zielprofile ab?
Wir suchen natürlich nach denselben Köpfen wie die anderen Unternehmen aus der Spitzentechnologie: Also z.B. Data Analysts, Programmierer, Plattformentwickler oder Prozessingenieure. Um für diese Zielgruppe attraktiv zu sein, müssen wir unsere Employee Value Proposition weiterentwickeln. Die genannten Experten verfügen über durchschnittlich acht Jahre Berufserfahrung und haben beispielsweise besondere Ansprüche an hybrides Arbeiten. Da haben wir durchaus was zu bieten. Ergänzend akquirieren wir Informatiker zum Beispiel auch immer wieder über Porsche Digital, also außerhalb der klassischen Porsche-Strukturen. Und Kooperationen mit renommierten Business Schools, Universitäten und Instituten geben uns eine zusätzliche Sichtbarkeit in diesem umkämpften Markt. Unser Ziel ist es, zu den Top-Arbeitgebern für digitale Talente zu zählen. Und dabei sind wir auf einem guten Weg. Wir bieten für die genannten Zielgruppen viel Start-up-Mentalität, spannende Aufgaben rund um die Mobilität der Zukunft und sehr gute Entwicklungschancen – und dies alles in einem gesicherten Umfeld bei einem der erfolgreichsten Automobilherstellern der Welt. Das sind gute Argumente auch in einer zunehmend virtuellen Arbeitswelt. Wobei wir auch in Zukunft – bei aller Flexibilisierung – auf Präsenz im Unternehmen achten. Weil wir möchten, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiter den persönlichen Kontakt pflegen und direkt miteinander kommunizieren.
Porsche gilt als erfolgreiches Wachstumsunternehmen. – Wie lautet Ihre persönliche Vision für das „next Level“ der HR-Funktion – jenseits operativer Exzellenz und Bottomline-Themen?
Wir sind bei Porsche grundsätzlich in einer Phase der Konsolidierung – nicht zuletzt bedingt durch die Pandemie. Innerhalb des Personalressorts haben wir im vergangenen Jahr allerdings mit der Einführung einer auf vier Säulen basierenden neuen Organisation HR@Porsche einen erheblichen Wandel eingeleitet. Die Anforderungen an den HR-Bereich sind stark gewachsen und die Anliegen unserer Kunden werden immer individueller und vielschichtiger. Unsere neue, rollenbasierte Organisation wird uns eine stärkere Spezialisierung und damit eine deutlich effizientere Bearbeitung der Anliegen unserer Kunden ermöglichen. Durch die Corona-Krise hat die Rolle des Personalwesens zusätzlich an Bedeutung gewonnen. Viele Personalbereiche konnten sich erfolgreich als Krisenmanager, als Lenker profilieren. Natürlich bleiben mir gegenläufige Tendenzen nicht Verborgen – in Form digitaler Plattformen, die das Potential haben, das Personalwesen zu verdrängen oder auf organisatorische, administrative und prozessuale Tätigkeiten zu reduzieren. Diesem Trend müssen wir entschieden entgegenwirken. HR@Porsche war ein erster wichtiger Schritt, jetzt müssen wir dranbleiben und beispielsweise Schnittstellen innerhalb des Personalbereichs und zu den internen Kunden nachjustieren. Ein weiteres Thema ist, dass zwar neue HR-Rollen geschaffen worden sind, aber der Großteil der Personaler noch nicht den Sprung zum Zielbild geschafft haben. Auch hier müssen wir unterstützen, damit wir unserer Aufgabe als HR-Bereich noch besser gerecht werden können. Deshalb haben wir bei Porsche ein umfangreiches Qualifizierungsprogramm speziell für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Personalbereichs gestartet. Kurzum: Der Personalbereich hat momentan eine sehr starke Rolle und die einmalige Chance, die neue Arbeitswelt von Morgen mitzugestalten. Diese Rolle werden wir uns nicht nehmen lassen.
Herr Haffner, vielen Dank für das Gespräch.
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Prof. Dr. Walter Jochmann | E-Mail: walter.jochmann@kienbaum.de | Tel.: +49 221 801 72-550