Personalstrategie als Kraftwerk der Energiewende: 4 Thesen für den Wandel
Wasserstoff, Digitalisierung, neue Allianzen und die Transformation bestehender Infrastrukturen – Energieversorger und Stadtwerke stehen vor einem massiven Wandel. Technologische und wirtschaftliche Herausforderungen sind offensichtlich. Was in der öffentlichen Debatte jedoch oft zu kurz kommt, ist die Personal-Perspektive: Wie gewinnen wir die richtigen Fachkräfte? Wie befähigen wir unsere Mitarbeitenden für neue Anforderungen? Und wie gestalten wir Führung so, dass sie Transformation nicht nur begleitet, sondern aktiv vorantreibt? Der Beitrag zeigt anhand von vier Thesen, warum die personalwirtschaftliche Dimension der Energiewende von strategischer Relevanz ist.
Senior Manager | Compensation & Performance Management
Principal | Executive Search | Energy, Greentech & Renewables
Wasserstoff, Digitalisierung und neue Geschäftsmodelle für den Vertrieb von morgen bei gleichzeitiger Versorgungssicherheit – um nur einige Themen zu nennen. Die Herausforderungen sind jedenfalls groß, denen sich die Energieversorger und Stadtwerke in den kommenden Jahren stellen müssen: Hinzu kommen ein massiver Investition- und Finanzierungsbedarf, der in vielen Regionen auf kommunale Haushaltszwänge trifft.
Die Ausgangslagen sind dabei so verschieden, wie die aktuell diskutieren Lösungsansätze und fordern die Unternehmen gleichermaßen technologisch und wirtschaftlich. Bisher weniger Beachtung in den öffentlichen Debatten findet die personalwirtschaftliche Perspektive. Obwohl gerade die anstehende Transformation massive Auswirkungen auf die Unternehmenskultur und die Belegschaft mit sich bringt.
Da die Transformation aber wesentlich durch die darin agieren Akteure und beteiligten Beschäftigten umgesetzt werden muss, ist auch diese Perspektive von strategischer Relevanz. Die Transformation gelingt nur mit befähigten und engagierten Mitarbeitenden auf allen Ebenen. Dadurch rücken konkrete Fragen in den Fokus:
- Wie gewinnen Versorger fähige Fachkräfte und qualifizieren die Belegschaft für neue technologischen Anforderungen weiter?
- Wie schaffen Versorger effiziente Strukturen für die notwendigen Investitionen in Strom- und Wärmenetze?
- Wie lassen sich Reibungsverluste in neuen Allianzen und Kooperationen minimieren, um die Transformationsziele zu erreichen?
- Wie gewinnen und entwickeln Versorger mutige Führungspersönlichkeiten, die die Transformation aktiv gestalten statt nur verwalten?
- Wie bringen Versorger die Erreichung der Nachhaltigkeitsziele in Einklang mit den kurzfristigen wirtschaftlichen und kommunalen Interessen?
Bei Beantwortung dieser Fragen unterscheiden sich die Ausgangslagen der Versorger erheblich – ebenso wie die möglichen Lösungsansätze. Mit den folgenden Thesen möchten wir den Dialog eröffnen und Sie einladen, mit uns die personalwirtschaftliche Dimension der Energiewende zu diskutieren.
These 1: Die Fähigkeiten der aktuellen Belegschaft reichen in Zukunft nicht aus
Untersuchungen von Kienbaum zeigen, dass es gerade im gewerblich-technischen Bereich im Kontext der Transformation der Energiewirtschaft zu einer deutlichen Komplexitätssteigerung in heutigen Jobprofilen kommen wird. Gleichzeitig wird der demografische Wandel in diesem Umfeld den gegenwärtigen Fachkräftemangel weiter verstärken.
Unternehmen stehen somit vor doppelten Herausforderungen: Einerseits gilt es, neue Kompetenzen aufzubauen, und andererseits, bestehende Mitarbeitende für die veränderten Anforderungen zu befähigen und zu motivieren. Dies erfordert nicht nur gezielte Weiterbildungsmaßnahmen, sondern auch ein umfassendes Umdenken in der Personalstrategie.
Im Zentrum steht dabei die Entwicklung zukunftsfähiger Kompetenzprofile – sowohl für Fachkräfte als auch für Führungsebenen. Personalabteilungen müssen künftig proaktiver agieren, indem sie eine strategische und vorausschauende Workforce-Planung betreiben, Qualifikationslücken frühzeitig identifizieren und gezielte Up- bzw. Reskilling-Programme aufsetzen. Insbesondere im gewerblich-technischen Bereich braucht es niedrigschwellige, praxisnahe Lernangebote, die mit dem Arbeitsalltag vereinbar sind. Dabei sollte von standardisierten Lösungen abgesehen werden – die Weiterbildungsmaßnahmen müssen so aufgesetzt sein, dass ihre Ausbildungsziele transparent und verständlich sind.
These 2: Versorger benötigen mutige Gestalter statt zögerlicher Verwalter
Das Geschäftsmodell der Versorger verändert sich mit dem Ausstieg aus dem Erdgas und dem Ausbau von Fernwärme und Wärmepumpen radikal. Die Geschäftsführung steht dabei in einem permanenten Spannungsfeld: Einerseits muss das bestehende Geschäft erfolgreich weitergeführt und die damit verbundenen Ziele im Sinne der Gesellschafter erreicht werden. Andererseits liegt es in ihrer Verantwortung, den Raum für Innovationen zu schaffen – auch wenn diese zunächst keine direkten Erträge versprechen
Dieser Wandel schlägt sich auch im Steuerungsmodell und den fachlichen Anforderungen nieder. Versorger benötigen motivierte und befähigte Führungskräfte, welche den damit einhergehenden Gestaltungsauftrag annehmen und mutig umsetzen.
Eine zentrale Rolle bei dieser Entwicklung spielt daher die Unternehmensführung. Denn Veränderungsbereitschaft und Transformation gelingen nicht allein durch Programme, Workshops oder neue Tools – sie brauchen Führung, die klar zwischen dem „Hier und Jetzt“ und dem „Morgen“ unterscheiden kann. Es gilt daher die interne Veränderungsbereitschaft zu fördern. Das bedeutet, kulturelle Barrieren abzubauen, übergeordnete und direkte Führungskräfte – auch auf der Meisterebene – zu Enablern des Wandels zu machen und den Dialog zwischen den einzelnen Schnittstellen in der Belegschaft zu stärken. HR kann hier als Impulsgeber wirken, etwa durch die Einführung partizipativer Formate, Change-Begleitung oder neue Formen der internen Kommunikation.
These 3: Der Wettbewerb um gute Köpfe gelingt nur, wenn ich Überzeugungstäter bin
Auch das Recruiting selbst muss sich neu ausrichten. Der Wettbewerb um Fachkräfte macht es erforderlich, die Arbeitgebermarke zu schärfen, neue Zielgruppen zu erschließen und moderne, digital gestützte Auswahlverfahren einzusetzen.
Gleichzeitig sind Unternehmen im Wettbewerb um den Erhalt und Gewinn von Fachkräften nur erfolgreich, wenn sie den veränderten Ansprüchen der Beschäftigten Rechnung tragen. Immer mehr von ihnen – gerade die Jüngeren – verbinden mit ihrer Arbeit mehr als den reinen „Broterwerb“. Auf der einen Seite bietet gerade die kommunale Energiewirtschaft mit ihrer Tariftreue einen stabilen und transparenten Rahmen, der aber oft nur begrenzt Spielraum für differenzierte Leistungsanreize oder marktgerechte Vergütungspakete bietet.
Um dennoch attraktiv zu bleiben, müssen alternative Wege gefunden werden – etwa über nicht-monetäre Anreize, gezielte Weiterentwicklungsprogramme oder eine modernere Gestaltung der Arbeitsbedingungen für sämtliche Berufszweige. Gerade hier kann die kommunale Energiewirtschaft als Enabler einer klimaneutralen Gesellschaft von morgen eine hohe Sinnstiftigkeit bieten – wenn sie denn glaubhaft und mit der Überzeugung aller getragen wird. Es gilt daher, die Transformation nicht nur von außen durch den Druck der Regulierung anzunehmen, sondern als Überzeugungstäter Treiber der Veränderung zu sein.
These 4: Klare strategische und kulturelle Ausrichtung schafft erst die nötige Umsetzungsdynamik im Wandel
Viele kommunale Unternehmen stecken im Hinblick auf große Investitionsmaßnahmen beim Umbau der Energiesysteme in einem Dilemma, da auch das klassische Commodity-Geschäft mit Strom- und Gasverkauf über die letzten Jahrzehnte hinweg margendefizitärer wurde.
Viele Organisationen scheitern dabei nicht an fehlenden Ideen, sondern an mangelnder strategischer Ausrichtung und inkonsistenten Zielen zwischen den Führungsebenen. Unterschiedliche Leistungskennzahlen und Zielsysteme führen dazu, dass transformative Vorhaben in klassischen Strukturen oft ausgebremst werden. Es braucht daher klare Zielbilder, effiziente Reportingstrukturen und pragmatische Steuerungsmodelle die bereichsübergreifend anschlussfähig sind – und eine Führung, die bereit ist, etablierte Prozesse und kulturelle Normen bewusst in Frage zu stellen.
HR kann in diesem Spannungsfeld als strategischer Partner agieren: durch die Entwicklung kohärenter Zielsysteme, durch die Verankerung von Transformationszielen in der Führungskräfteentwicklung und durch gezielte Impulse für eine lernorientierte Unternehmenskultur. Denn nur wenn Wandel auch in der Führung sichtbar gelebt wird, kann er in der Organisation Wurzeln schlagen.
Die Energiewende wird nicht ohne die Beschäftigten funktionieren, die den Weg ebnen und die Maßnahmen umsetzen – Unternehmen müssen sich zeitig vorbereiten, um handlungsfähig zu bleiben.
Die Umsetzung der Transformation wird wesentlich von den Bemühungen und der Geschwindigkeit abhängen, wie die relevanten Themen der betrieblichen Anpassung und Optimierung von Strukturen, der Fachkräfte- und Personalgewinnung, der Zusammenarbeit über Kooperationen oder auch der weitere Ausbau erneuerbarer Energien durch die beteiligten Akteure und Mitarbeitenden getragen und vorangetrieben werden. Entscheidend für das Gelingen der Transformation ist, daher wie Unternehmen ihre Mitarbeitenden mitnehmen, befähigen und binden. Es reicht nicht, neue Technologien einzuführen – es braucht parallel eine moderne Personalstrategie, die Kompetenzen gezielt entwickelt, Veränderung als Teil der Kultur verankert und Führung neu denkt.
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