Einblicke aus der HRSO-Studie 2024

HR: Guter Service zahlt sich aus

Lange galt der Service-Bereich von HR als Hygienefaktor. Während Business Partner und Centers of Competence als Berater und Innovatoren zum Erfolg des Personalwesens beitrugen, stand die dritte Säule des Dave-Ullrich-Modells im Schatten. Mit steigendem Konsolidierungsdruck rückt sie nun in den Fokus. In der HR-Strategie und Organisationsstudie von Kienbaum und SAP haben wir ihre künftige Rolle untersucht.

In HR-Organisationen, die nach dem Drei-Säulen-Modell von Dave Ullrich aufgebaut sind, befindet sich der Service-Bereich häufig in einem Spannungsfeld zwischen Effizienzsteigerung und Kundenzentrierung. Gleichzeitig fehlt ihm nicht selten das Know-how und die erforderliche IT-Infrastruktur, um beides leisten zu können. Die Ursachen dafür liegen in einer fehlenden Abgrenzung zu den beiden anderen Säulen, den Business Partner und den Centers of Competence sowie einem fehlenden Zielbild für die Servicefunktion. So läuft sie Gefahr, nicht angemessen zu operativer und Kundenexzellenz beitragen zu können. Das kann negative Abstrahleffekte auf alle relevanten Stakeholder zur Folge haben, was ein Risiko für die nachhaltige Transformation von HR birgt.

In einer gemeinsamen Untersuchung von Kienbaum und SAP zur HR-Strategie und -Organisation haben 386 Unternehmen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz unter anderem Einblicke in die derzeitige Aufstellung und das zukünftige Zielbild ihres HR-Service-Bereichs gewährt. Die größen- und branchenübergreifenden Ergebnisse zeichnen das Bild einer Service-Funktion in Bewegung.

Erkenntnisse der HRSO-Studie 2024

Reifegrad der HR-Funktion insgesamt: Von den 386 befragten Unternehmen nimmt rund ein Drittel (26 Prozent) seine HR-Funktion insgesamt als „Baustelle“ wahr und hat Schwierigkeiten, technologische Evolutionen, wie etwa Künstliche Intelligenz (KI), zur Stabilisierung und Weiterentwicklung insbesondere seiner administrativen Prozesse zu nutzen. So-mit ist die Realisierung operativer Exzellenz für einen nennenswerten Stichprobenanteil der präferierte Hebel zur Wertsteigerung der Personalarbeit.

Veränderungsrichtungen im HR Operating Model

In ihren aktuellen Veränderungsrichtungen zeichnen HR-Funktionen ein organisches Bild und entwickeln ihr Operating Model vorrangig in seiner Säulen-Struktur weiter. Die duale Aufmerksamkeit der HR-Funktion auf die Weiterentwicklung sowohl ihrer Business-Partner-Organisation (61 Prozent) als auch ihrer Service-Einheiten (49 Prozent) zeigt, wie stark die Bedürfnisse, Erwartungen und Erlebnisse jedes einzelnen Mitarbeiters im Fokus der Personalarbeit stehen, und unterstreicht die geteilte Verantwortung beider Strukturbausteine für eine engagierte und produktive Personalbetreuung.

Organisatorische Verankerung des HR-Service-Bereichs

Die große Mehrheit der Befragten gibt an, dass ihr HR-Service-Bereich innerhalb der HR-Funktion verortet sei (90 Prozent). Dagegen hat ein kompakter Kern von acht Prozent seinen HR-Service-Bereich außerhalb der HR-Funktion verankert, etwa in einer Multi-Service-Funktion oder innerhalb der Finance-Funktion. Nur wenige HR-Bereiche (2 Prozent) rekurrieren für einen wesentlichen Anteil ihrer Services ganz auf Outsourcing-Lösungen.

In der unternehmerischen Praxis beobachten wir aktuell einige HR-Funktionen, die ihre HR-Service-Prozesse aus ihrer direkten Ownership heraus in konsolidierte Strukturen mit Ende-zu-Ende-Verantwortung für alle Service-Prozesse im Unternehmen abgeben; hierfür bieten sich grundsätzlich Service-Prozesse im engeren Sinne wie Personaladministration, Payroll und Zeitwirtschaft, aber auch operative, repetitive und so-mit standardisierbare Kernprozesse wie Recruiting, Mobilitätsmanagement und Learning an. Während solche Bündelungen in Finance oder in Global Business Services zahlreiche Chancen mit Blick auf Prozessoptimierung, Service-Innovation, digitale Transformation und Kompetenzbündelung eröffnen, besteht die Herausforderung für die HR-Funktion weiterhin darin, im Rahmen ihrer Rechenschaftspflicht auch crossfunktional die Governance über die verlagerten Prozesse zu behalten.

Allokation von HR-Service-Kapazitäten

Die allermeisten Unternehmen (79 Prozent) halten ihre HR-Service-Kapazitäten zentral bzw. am Headquarter vor. Jeweils über ein Drittel der Unternehmen hat darüber hinaus eigene HR-Service-Ressourcen lokal/auf Standortebene (34 Prozent) bzw. auf Länderebene (31 Prozent) allokiert. In 20 Prozent der befragten Unternehmen hat der HR-Service-Bereich feste Kapazitäten der Regionenebene zugeordnet.

Derzeitige und geplante Fertigungstiefe von HR Services Kienbaum

Derzeitige und geplante Fertigungstiefe von HR Services

Aus externer Perspektive betrachtet suggerieren die Ergebnisse also Bündelungspotenzial auf Standort- und Länder-ebene: Während uns eine übergeordnete Steuerung aller Service-Einheiten vom Headquarter aus/auf Corporate-Ebene sinnvoll erscheint, sollten Services für Länder oder Standorte aus regionalen Service-Centern kaskadiert und nicht mit eigenem Personal ausgestattet werden.

Steuerungsgrößen im HR-Service-Bereich

Headcount und Kosten-Benchmarks sind die dominanten Steuerungsgrößen im HR-Service-Bereich (54 Prozent). 18 Prozent der befragten Unternehmen geben an, ihre HR-Services nach Auftrags- und Mengengerüsten zu steuern, noch einmal 18 Prozent nach Kundenzufriedenheit. Service Level Agreements sind nur in zehn Prozent der Fälle geschlossen worden. Somit ist Effizienzsteigerung im Vergleich zur Kundenzentrierung aktuell der offensichtlich stärkere Treiber der Service-Funktion, was unsererseits Fragen hinsichtlich der digitalen People Experience für alle Ziel-gruppen der Service-Einheiten aufwirft. Dabei sollte berücksichtigt werden, dass Mitarbeiter im Privaten eine zum Teil hohe Professionalität speziell digitaler Services gewohnt sind (vgl. etwa Amazon) – eine Erfahrung, die sie bewusst oder unbewusst auf ihre Arbeitswelt übertragen und von den Self-Services im Personalbereich ebenfalls erwarten. Daher ist die Kundenzufriedenheit eine nicht zu vernachlässigende Steuerungsgröße im Sinne wahrgenommener Betreuungsqualität.

HR-Services kann das Image des „Underdog“ loswerden.

Zugangs- und Bearbeitungskanäle

Die Bevorzugung von Effizienzsteigerung gegenüber Kundenzufriedenheit im Steuerungsmechanismus des HR-Service-Bereichs steht in einem gewissen Widerspruch zu dem Befund, dass in mehr als der Hälfte der befragten Unternehmen Mitarbeiter (ohne Führungsverantwortung) Zugang zum Tier drei haben, das heißt individuelle Beratung eines Business-Partners in Anspruch nehmen können. Dieses direkte Betreuungsmodell sollte sich unter dem Effizienzparadigma eigentlich auf dem Rückzug befinden, erlebt aber in einigen Unternehmen im Zuge der wachsenden Mitarbeiterorientierung (Betonung des „People Touch“) ein Comeback: Indirekte Betreuungsmodelle, in denen nur Führungskräfte einen direkten Zugang zum HR Business Partner haben, werden teilweise zu hybriden Betreuungsmodellen umfunktioniert, in denen auch andere Zielgruppen (zum Beispiel Schlüsselpositionen) sich direkt, also ohne Vermittlung durch ihre Vorgesetzten, an den Business Partner wenden können.

Was aus interner Kundenperspektive betrachtet eine strategisch bewusste Entscheidung sein mag, hat Auswirkungen auf die Ressourcenausstattung der Business-Partner-Funktion, die im direkten Modell notwendigerweise großzügiger ausgestattet sein muss als im indirekten. Und auch das Mischverhältnis zur Service-Funktion ist durch die Wahl des Betreuungsmodells beeinflusst, weil davon auszugehen ist, dass im direkten Modell – gewollt oder ungewollt – aufgrund wachsender Komplexität und Kundenansprüche Reste von administrativem Support in der Business-Partner-Funktion verbleiben und den Service-Bereich gar nicht erst erreichen. Umso wichtiger wird die Regelung von Verantwortlichkeiten und Klärung von Schnittstellen innerhalb der geschnittenen Prozesse im Drei-Säulen-Modell.

HR Operations in Bewegung

Verlagerungen sind vor allem in großen HR-Operations-Bereichen zu beobachten; während heute Eigenfertigungs- und Onshoring-Strategien einen kombinierten Anteil von 85 Prozent unserer Stichprobe verzeichnen, das heißt Service-Prozesse entweder am Stammsitz oder in Einheiten innerhalb des DACH-Raums gefertigt werden, werden Nearshoring, Offshoring und Outsourcing von HR-Operationsprozessen zunehmen, was insbesondere durch die zunehmende Relevanz des Faktors Labor Arbitrage getrieben sein dürfte.

Derzeitige geplante Fertigungstiefe von HR Services

Derzeitige und geplante Fertigungstiefe von HR-Services

Pläne für Budget und Kapazität

Nach ihren Plänen für Kapazitäten und Budget gefragt, berichten mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen von einer Stabilisierung ihres HR-Service-Bereichs (Budget: 58 Prozent; Kapazitäten: 55 Prozent). 19 (Budget) beziehungsweise 18 (Kapazitäten) Prozent gehen sogar von Ausbauszenarien für ihre Service-Ressourcen aus. Demnach scheinen größer angelegte Reduktionen in Service-Budget und -Kapazitäten flächendeckend keinen Trend abzubilden.

Im Übrigen erkennen die befragten Personaler in allen HR-Prozessen ein signifikantes Unterstützungs- oder Wertsteigerungspotenzial durch KI, speziell in Support-Prozessen selektiv sogar ein Substitutionspotenzial. Durch generative KI werden Service-Bereiche nicht nur effizienter bei der Service-Bereitstellung, sondern sie werden auch qualitativ hochwertige HR-Services liefern können (zum Beispiel Textgenerierung bei Zeugnissen). Erhebliches Potenzial hat sicherlich auch die sogenannte „Conversation AI“, durch die der Tier eins (in der Regel der HR Service Partner) sukzessive von Chatbots abgelöst werden könnte.

Wie sich KI-gestützte Personalarbeit auf die Budget- und Personalplanung im Service-Bereich auswirkt, lässt sich zum jetzigen Moment nur erahnen. Wirtschaftshistorisch gelesen hat noch keine Innovation die Wirtschaft so fundamental verändert, wie prophezeit wurde. So rangiert auch die HR-Service-Ratio (also das Verhältnis zwischen Vollzeitäquivalenten im Service-Bereich und betreuten Mitarbeitern in Köpfen), fast unbeeinflusst von gravierenden IT- und Digitalisierungsoffensiven, in den letzten fünf Jahren relativ stabil zwischen 1:400 und 1:500.

8 Thesen zur HR Service Delivery

Die wesentlichen Erkenntnisse zur HR Service Delivery im DACH-Raum lassen sich in acht Thesen zusammenfassen:

  1. Ein signifikanter Anteil der Unternehmen hat Schwierigkeiten, technologische Fortschritte zur Evolution ihrer HR-Prozesse auch im Sinne der Kundenzentrierung zu nutzen und fokussiert sich eher auf operative Exzellenz und damit grundsätzlich auf ein Upgrade des Service-Bereichs mit Fokus auf Standardisierung als Haupthebel zur Wertsteigerung in HR.
  2. HR-Funktionen entwickeln ihr Operating Model organisch weiter, wobei sie gleichermaßen die Business-Partner-Organisation als auch ihre Service-Einheiten stärken.
  3. Die Mehrheit der Unternehmen hat ihren HR-Service-Bereich innerhalb der HR-Funktion verankert, wobei Outsourcing-Lösungen nur von einer Minderheit genutzt werden und die Governance über ausgelagerte Prozesse (auch unternehmensintern innerhalb der Finance-Funktion oder globaler Business Services) eine zentrale Herausforderung bleibt.
  4. Innerhalb dieses HR-internen Setups bündeln die meisten Unternehmen ihre HR-Service-Kapazitäten im Headquarter/auf Corporate-Ebene, während auf Länder- und Standortebene noch deutliches Potenzial zur Effizienzsteigerung durch regionale Bündelungen besteht.
  5. Effizienzsteigerung, vor allem durch Headcount- und Kosten-Benchmarks, dominiert auch die Steuerungsmechanismen im HR-Service-Bereich, während Kundenzufriedenheit hier eine eher untergeordnete Rolle spielt.
  6. Trotz des Fokus auf Effizienzsteigerung bleibt in vielen Unternehmen der direkte Zugang zu Business-Partnern für Mitarbeiter auch ohne Führungsverantwortung erhalten, was hybride Betreuungsmodelle begünstigt und paradoxerweise in Ressourcenaufbau resultieren kann.
  7. Die meisten Unternehmen planen derzeit tatsächlich, ihre HR-Service-Budgets und -Kapazitäten zu stabilisieren oder sogar auszubauen, wobei KI ein erhebliches Potenzial zur Effizienzsteigerung bietet, aber bisher noch keine drastischen Veränderungen bewirkt hat.
  8. Mittelfristig ist eine zunehmende Verlagerung von HR-Operations-Prozessen in Nearshoring, Offshoring- und Outsourcing-Modelle zu erwarten.

Fazit & Ausblick

Die Thesen zeichnen das Bild eines HR-Strukturbausteins, dessen Geschäftsmodell vor allem in der Optimierung von Prozessen besteht. Gleichwohl der Stellenwert von Qualitätssteigerung und Kundenerleben für den Service-Bereich nicht negiert wird, werden Effizienz, Konsistenz und Kosten präferiert, wobei künftige Entscheidungen über Fertigungstiefe und Kapazitätsbündelungen noch potenzielle Einsparungen zu bewerten und zu identifizieren haben werden.

In diesem Zusammenhang kann der Einsatz von Technologie und insbesondere KI-unterstützter Cloud HCM grundsätzlich dazu beitragen, Effizienz zu steigern, Fehler zu reduzieren und Ressourcen für wertschöpfende Tätigkeiten freizusetzen, die wiederum in die Personalbetreuung reinvestiert werden könnten. Für den Service-Bereich geht es darum, die optimale Strategie für die Bereitstellung von HR Services zu entwickeln. Die Abwägung von Effizienzsteigerung und Kundenzentrierung muss dabei jedes Unternehmen individuell treffen.

Abhängig von seinem zukünftigen Ambitionsniveau und ausgehend von einem soliden Grundmodell stehen einem Service-Bereich grundsätzlich drei distinkte Optimierungsrouten offen:

1. Operational Excellence Model mit einem stärkeren Fokus auf Effizienz, Geschwindigkeit und geringeren Kosten und Kapazitäten durch technologiegetriebene Standardisierung und Simplifizierung; die Implikationen sind initial Kapazitätsaufbau oder externer Support für Technologieeinführung und mittelfristig Kapazitätsabbau.

2. Continuous Improvement Model mit Optimierung bestehender Strukturen und Prozesse zur inkrementellen Verbesserung der Qualität, Schnelligkeit und Experience; die Implikationen sind initial Stabilisierung von Kapazitäten und mittelfristig eine leichte Service-Verbesserung durch Umschichtung aus anderen beiden Strukturbausteinen aufgrund von Ende-zu-Ende-Verantwortung für selektive HR-Kernprozesse.

3. People Experience Model mit einem stärkeren Fokus auf Kundenzentrierung, -erfolg und -erleben durch ein erweitertes Service-Portfolio, radikale Simplifizierung aus der Sicht der Service-Konsumenten, segmentierte Beratung und Qualitätsmanagement; die Service-Organisation versteht sich als HR-Geschäftsmodell und die Implikation ist eine Service-Verbesserung aufgrund einer Portfolioerweiterung durch zusätzliche Themen, begleitende Befähigung und erhöhten Service-Bedarf.

Auch wenn das Konzept in Form des Continuous-Improvement-Modells die Möglichkeit, beide Zielrichtungen – Effizienzsteigerung und Kundenzentrierung – zu verfolgen, vorsieht, hat doch erfahrungsgemäß jede HR-Transformation einen mehr oder weniger eher topline- oder bottomline-orientierten Anlass, weshalb wir empfehlen, die spezifischen Werthebel des Service-Bereichs nach Kritikalität für das Unternehmen zu bewerten und daraus eine zielgenaue Optimierungsroute abzuleiten.

Die Ergebnisse unserer HR-Strategie- und -Organisationsstudie 2024 zeigen, dass viele HR-Funktionen diese strategische Entscheidung noch nicht getroffen haben. Allein, angesichts des steigenden Konsolidierungsdrucks zum einen und der Bemühungen um attraktive Mitarbeiterkonditionen zum anderen, sind die Voraussetzungen des Service-Bereichs, sein Image als „Underdog“ loszuwerden, so günstig wie nie.

Dieser Artikel erschien ursprünglich als Gastbeitrag im Personalmagazin Ausgabe 10/2024


Laden Sie sich hier die gesamte Studie herunter

Cover HRSO 24