Restrukturierungen – lassen sich harte Einschnitte „gut“ managen?
Restrukturierung, Arbeitsplatzabbau, Downsizing oder Rightsizing – egal, welche Überschrift der Prozess trägt, die Notwendigkeit dieser Veränderung sorgt auch bei den Verantwortlichen selten für Freude. Change-Prozesse, bei denen Mitarbeitende das Unternehmen verlassen müssen, gehören zu den größten Herausforderungen, die das Management haben kann – sowohl prozessual als auch kommunikativ und emotional. Und es ist neben wagnisfreudigen Investitionsentscheidungen eines der sensibelsten und risikoreichsten Vorhaben für Unternehmen. Wir beleuchten, was zu beachten ist, damit nachhaltige Veränderung stattfinden kann und Organisationen langfristig gestärkt aus herausfordernden Phasen hervorgehen.
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Restrukturierungen sind für alle Beteiligten prozessual wie emotional hochkomplexe Prozesse. Selten gleicht ein Prozess dem anderen, wenngleich in gewissen Branchen und einigen Unternehmen so etwas wie Routine einzukehren scheint. Eine erste Komplexitätsebene entsteht häufig dadurch, dass nicht immer glasklar ist, woher der eigentliche Grund und Bedarf des Downsizings herrührt: Stehen herausfordernde Marktbedingungen und der Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit im Vordergrund, folgt eine Verschlankung der Struktur der Strategie, z. B. bei der Einführung eines neuen Operating Models oder gilt es eine Krise zu managen (vgl. Cameron & Green, 2024)? Klarheit über die root causes ist der Startpunkt eines gut gesteuerten Veränderungsprozesses.
Und dies ist erst der Start der Komplexitätsbetrachtung, ist die Umstrukturierung doch selten der einzige Ball, der vom Top Management in der Luft gehalten werden muss (vgl. Rüegg-Sturm & Grand, Management in einer komplexen Welt). Die Gleichzeitigkeit und Mehrdeutigkeit der Dinge (Ambidextrie, Polykrisen, Ambiguität: Running while changing, Running and changing, exploit and explore, all at the same time) ist immanent. Einerseits ist es der Stellenabbau, der unvermeidbar scheint, andererseits muss eine zukunftsfähige Strategie implementiert werden. Karrieren werden unterbrochen, Bereiche aufgelöst, und gleichzeitig soll die verbleibende Belegschaft motiviert werden. In den wenigsten Fällen sind dies für Führungskräfte Aufgaben, die besondere Freude bereiten.
Auf langfristige Business-Auswirkungen blicken
Oftmals wird bei Entscheidungen dieser Art die kurzfristige Business-Sicht eingenommen. Personal- und Prozesskosten müssen eingespart, Kapitalbindung minimiert werden. Dabei kann ein nur mit kurzfristiger Perspektive gesteuerter Prozess langfristig negative Auswirkungen auf zentrale Erfolgs- und Ergebnisfaktoren des Unternehmens haben. Dazu zählen bei weitem nicht nur die offensichtlichen Konsequenzen wie schlecht durchdachte und nicht konsequent gesteuerte Umsetzung. Reputationsrisiken, Produktivitätsverluste durch Unruhe und ungewollte Fluktuation von Leistungsträgern sind nur ausgewählte Auswirkungen, die sich letztlich aufs Geschäft niederschlagen.
Daher muss jeder Restrukturierungsprozess detailliert geplant werden, gekoppelt an die Strategie, priorisiert und fokussiert auf die relevanten Themen. Erst dann kann und sollte kommuniziert werden – und zwar ebenfalls gut vorbereitet, einem guten Kommunikationsplan folgend.
Kommunikationsplanung, Platzierung, Umsetzung der Transformation
Steht ein Rightsizing- oder Downsizing-Prozess ins Haus, muss jeder Schritt, jede Entscheidung wohlüberlegt und strategisch geplant sein. Der Fokus liegt dabei zunächst auf der Struktur des Prozesses und – idealerweise bereits parallel dazu – dem passenden Kommunikationsplan. Oft wird jedoch vernachlässigt, dass am Ende trotz aller Planung nicht alles so laufen wird, wie gedacht. Daher ist es unabdingbar, sich hoch agil aufzustellen und in der heißen Phase bspw. mit täglichen Check-ins im Kernteam das Alignment sicherzustellen, damit die Verantwortlichen professionell auf Unvorhergesehenes reagieren können.
Wichtige Aspekte im Rahmen der Vorbereitung einer Restrukturierung sind zudem, alle rechtlichen und prozessualen Themen zu klären, die sich beispielsweise mit einem auf Freiwilligkeit beruhenden oder ohne Freiwilligkeit abzubildenden Ansprache-Programm ergeben. Grundsatzentscheidungen sind hier zu treffen, in denen Arbeitsrechts- und Outplacement-Spezialist:innen ebenso zu Wort kommen müssen, wie ganz maßgeblich die Arbeitnehmervertretungen.
Wer darf was wann wissen? Kommunikation in Zeiten von Restrukturierungen
Natürlich gilt es zu beachten, welche Personen und Zielgruppen auf welchem Level welche Information zu welcher Zeit erhalten dürfen. Die Kommunikationsplanung hinsichtlich verschiedener Verantwortungs- und Vertraulichkeitsstufen ist zentral. Nicht nur unkontrollierte Informationslecks oder vorzeitige Bekanntmachungen können den gesamten Prozess gefährden und Unruhe auslösen. Auch eine Führungsmannschaft, die in Summe der Aufgabe nicht gewachsen ist, kann bewirken, dass die verbleibende Belegschaft nach dem Prozess unnötig lange verunsichert und unmotiviert bleibt.
Ist die Kommunikationskaskade inhaltlich anspruchsvoll und aufgeladen, wie es in Zeiten des Umbruchs häufig der Fall ist, sollten – bei Bedarf mit Hilfe externer Unterstützung – die Personalgespräche strukturell und inhaltlich sorgfältig vorbereitet werden. Gerade die involvierten Abteilungs- und Teamleiter:innen benötigen hier entsprechende Befähigung, um eine abgestimmte und einheitliche Vorgehensweise zu gewährleisten. An dieser Stelle kommt den HR-Spezialist:innen aus dem eigenen Haus eine verantwortungsvolle Schulungs- und Betreuungsaufgabe zu.
Kommunikation muss also von Anfang an geplant und vorbereitet sein – sowohl was die Reihenfolge der Adressaten angeht, als auch Inhalt und Form. Jede Maßnahme – sei es das persönliche Kündigungsgespräch, eine E-Mail (oder besser eine persönliche Ansprache) an die gesamte Belegschaft oder eine Pressemitteilung – sollte im Vorfeld abgestimmt und professionell aufbereitet werden. Nichts verunsichert eine Belegschaft mehr als widersprüchliche Botschaften ausgehend von der Führungsebene oder externer Kommunikation. Daher muss das Managementteam in der Kommunikation vollständig abgestimmt sein
Objektivierte Entscheidungen sorgen für Nachvollziehbarkeit und empfundene Fairness
Um einer Entscheidung nach Gutdünken entgegenzuwirken ist zudem geboten, die Entscheidungen über die Zukunft einzelner Personen, ja manchmal sogar ganzer Bereiche, kriterienbasiert und möglichst objektiviert zu treffen. Dies mag selbstverständlich und nur professionell klingen, ist aber in entsprechender Skalierung und Taktung für die beteiligten Führungskräfte in vielen Fällen nicht im ersten Fokus.
Eine Begleitung dieses Prozesses durch externe Unterstützung kann bei der Professionalisierung und reibungslosen Steuerung helfen, nicht zuletzt, um die Entscheidungskompetenz zu stärken, zu faktenbasierten, nachvollziehbaren Entscheidungen zu kommen und das sensible Thema der anschließenden schwierigen Personalgespräche vorzubereiten. Auf Basis eines Fahrplans und objektiver Kriterien lassen sich Veränderungs- und Trennungsgespräche mit Klarheit, eigener Sicherheit und Empathie führen, ohne dabei die unternehmerische Notwendigkeit aus den Augen zu verlieren.
Enable the Messenger – Führungskräfte im mittleren Management vorbereiten
In der Regel sind es nicht die Mitglieder der Geschäftsführung, die die schwierigen Einzelgespräche mit den betroffenen Mitarbeitenden führen, sondern die Führungskräfte im mittleren Management. Diese stehen vor der Herausforderung, Kündigungen zu kommunizieren, die Stimmung in den Teams zu halten und zugleich selbst mit Unsicherheit und Druck umzugehen. Diese Ambiguität erfordert hohes emotionales Einfühlungsvermögen und die Fähigkeit, unterschiedliche Bedürfnisse gleichzeitig zu managen.
Auf Vorbereitung folgt Priorisierung, folgt Umsetzung
Sobald der Prozess gestartet ist, darf es keine Unsicherheiten mehr geben. An einem festgelegten Punkt muss der Übergang von der Planung in die Ausführung erfolgen. Ab diesem Moment werden keine Diskussionen oder Änderungen mehr zugelassen. Die Prozesse müssen stringent und entschlossen umgesetzt werden.
Das bedeutet, dass jede Führungskraft wissen muss, was von ihr erwartet wird, und entsprechend handelt. Die klare Linie ist nun die Stärke, die das Unternehmen durch einen schwierigen Change-Prozess trägt.
Und bei allem Fokus, der auf die schwierige Trennungs- und Downsizing-Phase gelegt wird: für die Zukunft wichtiger sind diejenigen, die in bisherigen oder veränderten Rollen nach vorne blicken müssen. Ein gutes Veränderungsgespräch zur Motivation eines Leistungsträgers in einer herausfordernden Phase will folglich ebenso gelernt sein, wie ein Trennungsgespräch.
Key Learnings: Downsizing-Prozess
Umstrukturierungen sind einer der schwierigsten Change-Prozesse für ein Unternehmen – sowohl strategisch als auch emotional. Wer diesen Prozess erfolgreich managen will, braucht eine sorgfältige Vorbereitung, ein agiles Mindset, gute Prozesse, klare Kommunikation und vor allem die Fähigkeit, auch in schwierigen Momenten empathisch und gut abgestimmt zu agieren.
Aus zahlreichen begleiteten Transformationsprozessen sind unsere Key Learnings:
Gute Planung und intensive Diskussionen VOR der Umsetzung sind das A und O.
Ein Kommunikationsplan, der allen Beteiligten Klarheit darüber gibt, wer wann welche Information erhält.
Engmaschige Abstimmung in der entscheidenden Phase für ein Alignment und Nachsteuern.
Startet die Umsetzung, darf es kein Zaudern und keine Unentschlossenheit mehr geben.
Klarheit ohne Beschönigungen, Fingerspitzengefühl und Empathie sind Attribute von Führungskräften, die in Veränderungen hohe Glaubwürdigkeit besitzen.
Kienbaum C-Level Guide
CEO, CFO, CTO … Das C-Level im Unternehmen hat großen Gestaltungsspielraum und große Verantwortung. Für viele ist der Schritt dorthin ein Ziel. Die Realität konfrontiert viele Managerinnen und Manager jedoch mit immensen Herausforderungen und großen Fragen – heute vielleicht mehr als jemals zuvor.
Um Sie zu besseren Führungskräften zu machen, blicken wir im Kienbaum C-Level-Guide – einer Serie rund um das Thema Top-Leadership – zum einen auf die großen Herausforderungen, die Führungskräfte und auch -Teams meistern müssen und zum anderen auf die Journey angehender CEOs. Wie sieht eine gelungene Vorbereitung auf das C-Level aus? Was macht die ersten 100 Tage erfolgreich? Wie gelingt gute Führung auf Executive Ebene angesichts des rasanten technologischen Fortschritts und einer hohen Gleichzeitigkeit der Themen? Und wie meistert man harte Change-Prozesse ohne sinkende Motivation in der Belegschaft?