Gender Pay Gap – Warum Unternehmen jetzt aktiv werden müssen

Gender Pay Gap – Warum Unternehmen jetzt aktiv werden müssen

1957 wurde die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, aus der später die EU hervorgehen sollte, gegründet. In ihren Gründungsdokumenten, den Römischen Verträgen, die von Deutschland, Frankreich, Italien und den Benelux-Staaten unterzeichnet wurden, ist der Grundsatz „gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit“ bereits fest verankert. Doch auch über 60 Jahre später werden Frauen immer noch schlechter bezahlt als Männer. In der EU erhalten sie durchschnittlich 13 % weniger, in Deutschland sind es sogar 18 %.

Eine Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung kam 2022 zu dem Ergebnis, dass in 45 von 46 Branchen in Deutschland Frauen weniger verdienen als Männer. Am gravierendsten ist der Unterschied in der Rechts- und Steuerberatung, wo der Gender Pay Gap 32 % beträgt. Einzig bei den Postdiensten verdienen Frauen etwas (2 %) mehr als Männer, wobei das Verdienstniveau dort im Vergleich zu anderen Branchen recht niedrig ist.

Die EU sah hier Handlungsbedarf und schuf im Juni 2023 neue Fakten.

Die EU-Richtlinie zur Entgelttransparenz und ihre Auswirkungen

Obwohl das Recht auf gleiches Entgelt schon lange gilt, hapert es an der Umsetzung bzw. Durchsetzung dieses Grundsatzes. Eines der Haupthindernisse zur Überwindung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles sieht die EU in der mangelnden Lohntransparenz. Denn ohne Lohntransparenz

  • könnten Bewerber:innen oft nicht feststellen, ob sie fair behandelt werden.
  • hätten Opfer von Lohndiskriminierung Schwierigkeiten, ihr Recht auf Lohngleichheit wahrzunehmen.
  • bliebe der Gender Bias im Lohnkontext bestehen.

Aus diesem Grund wurde Lohntransparenz als zentrale Priorität in die EU-Strategie für die Gleichstellung der Geschlechter 2020–2025 aufgenommen. Am 4. März 2021 veröffentlichte die EU-Kommission ihren Vorschlag für eine Richtlinie zur Entgelttransparenz, die nach den parlamentarischen Hürden schließlich im Juni 2023 in Kraft trat. Spätestens 2026 müssen nun die einzelnen Mitgliedsstaaten die Richtlinie in nationales Recht überführen. Auf die folgende Regelungen, die dann verpflichtend werden, müssen sich Arbeitgeber einstellen:

  • EU-Unternehmen ab 150 Beschäftigten müssen alle drei Jahre und ab 250 Beschäftigten jedes Jahr über das Ausmaß des geschlechtsspezifischen Lohngefälles berichten. Zwei Jahre nach Ablauf der Umsetzungsfrist werden auch Unternehmen mit mehr als 100 Beschäftigten in die Pflicht genommen, alle drei Jahre geschlechtsspezifische Lohninformationen zu melden.
  • Übersteigt das geschlechtsspezifische Lohngefälle 5 %, müssen EU-Unternehmen Maßnahmen ergreifen.
  • Arbeitnehmer:innen haben ein Auskunftsrecht über die durchschnittlichen Entgelthöhen, aufgeschlüsselt nach Geschlecht, von denjenigen, die gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichten.
  • Arbeitnehmer:innen muss Zugang zu Kriterien gewährt werden, die zur Bestimmung des Entgelts und der Laufbahnentwicklung herangezogen werden. Die Kriterien müssen objektiv und geschlechtsneutral sein.
  • Arbeitgeber müssen Arbeitnehmer:innen jährlich über ihr Auskunftsrecht informieren.
  • Arbeitnehmer:innen, die geschlechtsspezifische Lohndiskriminierung erfahren haben, können Schadenersatz erhalten. Dazu gehört auch die vollständige Nachzahlung entgangener Entgelte und damit verbundener Boni oder Sachleistungen.
  • Die Beweislast in Fällen der Lohndiskriminierung liegt beim Arbeitgeber. Dieser muss nachweisen, dass er nicht gegen die EU-Vorschriften über gleiches Entgelt und Lohntransparenz verstößt.

Gender Pay Gap – Warum Unternehmen jetzt aktiv werden müssen

Die Bedeutung der nächsten Gehaltsrunden

Voraussichtlich ab 2027 müssen Unternehmen ihren Gender Pay Gap mit den Gehaltszahlen von 2026 veröffentlichen. Dieser sollte nach Möglichkeit dann bereits unter 5 % liegen. Nicht nur, weil sonst Sanktionen drohen und Maßnahmen ergriffen werden müssen, sondern auch, weil insbesondere Bewerber:innen abgeschreckt werden könnten – und das kann sich bei dem anhaltenden Fachkräftemangel kaum ein Unternehmen leisten.

Wir empfehlen daher in den nächsten beiden Gehaltsrunden, 2024/2025 und 2025/2026, jeweils einen Teil des Budgets für die Verringerung bzw. Schließung der Entgeltlücke zu nutzen. Das ist eine strategische Empfehlung für Unternehmen, um proaktiv und schrittweise den Gender Pay Gap anzugehen. Dieser Ansatz ermöglicht es Unternehmen, über zwei anstehende Gehaltsrunden hinweg kontinuierliche und gezielte Anpassungen vorzunehmen, ohne dabei das Gesamtbudget zu überlasten oder die Gehaltsstruktur abrupt zu verändern. Durch die Aufteilung des Budgets kann ein ausgewogener Ansatz gefunden werden, der sowohl die Fairness und Gleichheit fördert als auch die Leistung und Motivation der Mitarbeiter anerkennt. Doch wie genau kann dies aussehen?

Herausforderungen bei der Schließung des Gender Pay Gaps

Um das Budget sinnvoll zur Verringerung des Gender Pay Gaps einzusetzen, ist es unerlässlich, das eigentliche Ausmaß genau zu kennen. Wie groß ist die Lohnlücke? Wie ist diese entstanden? Nur wer die Antworten auf solche Fragen kennt, ist auch in der Lage zielgerichtet und effektiv zu handeln, um die Lohnlücke zu schließen. Der Gender Pay Gap bei Büro- und Hilfsarbeitskräften ist oftmals ein ganz anderer als bei Führungskräften. Die genauen Zahlen für das eigene Unternehmen zu eruieren, hilft bei der Priorisierung der Maßnahmen. So können zunächst gezielt die größten Hebel zur Verringerung der Lohnlücke bedient werden.

Wir unterstützen Sie bedarfsgerecht dabei, die Lohnlücken in Ihrem Unternehmen zu identifizieren und Entgeltgleichheit sicherzustellen. Dafür ermitteln wir Funktionen, die gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichten, quantifizieren ihre Lohnlücke und finden mögliche Ursachen. So können wir Sie dabei unterstützen, gezielt Maßnahmen für eine nachhaltige Schließung der Lohnlücke zu ergreifen. Entscheidend dabei ist dabei, ein Gleichgewicht zu finden zwischen der Förderung von Gleichheit und der Anerkennung individueller Leistungen.

Praktische Schritte zur Vorbereitung auf die Entgelttransparenz

Mit dem richtigen Ansatz können Sie die Ungleichheit bekämpfen und ein faires und leistungsorientiertes Vergütungssystem schaffen. Um sich auf die nächsten Gehaltsrunden mit Hinblick auf die Schließung der Entgeltlücke vorzubereiten, sind vorab einige Maßnahmen und Überlegungen erforderlich.

1. Analyse des Gender Pay Gaps:

Um den Gender Pay Gap Ihres Unternehmens zu ermitteln, müssen zunächst alle relevanten Daten gesammelt werden. Neben den Gehaltsdaten aller Mitarbeiter:innen nach Geschlecht gehören dazu auch Informationen, die sich zusätzlich auf das Gehalt auswirken, wie bspw. die Position, die Abteilung, die Berufserfahrung, die Jahre der Unternehmenszugehörigkeit, die Qualifikation, die Arbeitszeit, bestimmte Leistungsindikatoren usw.

Anhand dieser Daten können Sie sowohl den unbereinigten als auch den bereinigten Gender Pay Gap in ihrem Unternehmen ermitteln. Der unbereinigte Gender Pay Gap bezieht sich auf den durchschnittlichen Gehaltsunterschied von Männern und Frauen, ohne dabei weitere Faktoren zu berücksichtigen. Der bereinigte Gender Pay Gap berücksichtigt weitere Faktoren, die das Einkommen beeinflussen können.

 2. Entwicklung eines Aktionsplans:

Nachdem die Lücke erkannt wurde, sollte ein Aktionsplan aufgestellt werden, um diese zu schließen.

Hierzu gehören:

a) Überlegungen zur Budgetverteilung: Wie viel Budget soll zur Verringerung des Gender Pay Gaps verwendet werden? Welche Maßnahmen sollten damit priorisiert werden?
b) Konkrete Maßnahmen zur nachhaltigen Schließung des Gender Pay Gaps: Welche lohnbildenden Prozesse müssen angepasst werden, um ein erneutes Aufreißen des Gender Pay Gaps zu verhindern.
c) Eine Kommunikationsstrategie: Die Einbeziehung der Mitarbeiter:innen in den Prozess der Entgelttransparenz ist wichtig, um Akzeptanz und Vertrauen zu schaffen. Entwickeln Sie einen Plan zur transparenten und offenen Kommunikation der Maßnahmen und Ergebnisse an alle Mitarbeiter:innen, aber auch nach außen.

Beispiele für Maßnahmen zur nachhaltigen Schließung des Gender Pay Gaps sind z.B.:

  • Förderung von Frauen: gezielte Förderung von Frauen in unterrepräsentierten Bereichen und Führungspositionen.
  • Entwicklung von transparenten und fairen Vergütungssystemen.
  • Sensibilisierung: Schulungen und Workshops zur Sensibilisierung für mögliche Vorurteile im Bezahlprozess.

Schlussfolgerung

Die Uhr tickt. Spätestens 2026 wird aus der EU-Richtlinie ein deutscher Gesetzestext. Ab 2027 drohen Unternehmen mit einem Gender Pay Gap von mehr als 5 % Sanktionen. Möglicherweise noch schlimmer ist die Außenwahrnehmung ihres Unternehmens durch die Berichtspflicht zum Gender Pay Gap. Denn Unternehmen, die keine faire Bezahlung anbieten und Gleichstellung fördern, verlieren massiv an Attraktivität für Bewerber:innen und Stakeholder.

Daher empfehlen wir proaktiv zu handeln, um nicht als unfair und diskriminierend wahrgenommen zu werden. Unternehmen, die jetzt aktiv werden, um den Gender Pay Gap zu schließen, sind nicht nur rechtlich auf der sicheren Seite, sondern profitieren auch von einer motivierten und leistungsstarken Belegschaft.

Nutzen Sie die Gelegenheit. Schließen Sie den Gender Pay Gap. Und positionieren Sie sich als fairer und attraktiver Arbeitgeber.