Welche Auswirkungen haben die wirtschaftlichen Entwicklungen durch COVID auf Gehälter?

Welche Auswirkungen haben die wirtschaftlichen Entwicklungen durch COVID auf Gehälter?

Nahezu das gesamte Jahr 2020 war geprägt vom Einfluss der Pandemie auf Menschen und Wirtschaft. Gilt dasselbe auch für Gehälter und Boni? Welche Maßnahmen empfehlen unsere ExpertInnen aus der Vergütungsberatung ihren Kunden in Sachen Gehaltserhöhung und Bonifizierung? Und: womit müssen Arbeitnehmende in den kommenden Monaten rechnen?

Wir haben mit Timon Forrer, Senior Manager Compensation and Performance Management, darüber gesprochen, wie Unternehmen ebenso wie ArbeitnehmerInnen aktuell agieren können, wenn es um Vergütung geht.

 

Kerstin Wandt:
Timon, sieht Dein Team Veränderungen in Bezug auf die Vergütung aufgrund der Auswirkungen von COVID?

 

Timon Forrer:
Die sehen wir tatsächlich. Dabei sind die Veränderungen natürlich abhängig davon, wie stark die einzelnen Unternehmen betroffen sind. Ebenfalls gibt es unterschiedliche Tendenzen in Bezug auf variable Vergütung (bspw. Boni) und die Erhöhung der Zielvergütung bzw. der Grundvergütung.

 

Kerstin Wandt:
Es gibt ja auch Unternehmen, die wirtschaftlich gar nicht oder nicht stark betroffen sind. Ich nehme an, hier sind keine Effekte spürbar?

Timon Forrer:
Es kommt auf die Strategie an: Einige der moderat betroffenen Unternehmen fahren defensivere Vergütungserhöhungen. Einerseits aus Respekt vor noch ausstehenden gesamtwirtschaftlichen Effekten, andererseits hören wir auch immer wieder, dass man um die Reputation fürchtet.

Beispielsweise macht es sich als Unternehmen in der Öffentlichkeit nicht sonderlich gut, wenn bekannt wird, dass man in diesen Zeiten hohe Boni ausschüttet, während viele Kunden gleichzeitig von Kurzarbeit betroffen sind.

Umgekehrt kennen wir einzelne Unternehmen, welche gerade jetzt deutlich über dem Markt liegende Erhöhungen vornehmen. Damit senden sie klare Signale in Richtung der eigenen Organisation – und gleichzeitig natürlich in Richtung des Bewerbermarkts. Sie wollen die Krise also gezielt nutzen, um strategisch relevante Profile zu gewinnen und binden.

 

Kerstin Wandt:
Mit welchen Vergütungserhöhungen rechnest Du für das kommende Jahr?

Timon Forrer:
Aufgrund unserer jährlich durchgeführten Gehaltentwicklungsprognose, welche wir im Sommer/Herbst 2020 durchgeführt haben, gehen wir im Vergleich zum Vorjahr von niedrigeren Erhöhungen aus. Der Mittelwert der geplanten Erhöhung liegt von 0,5 Prozent (Schweiz) über 2,0 Prozent (Deutschland) hin zu 2,2 Prozent (Österreich).

Wie schon gesagt, sind dabei große Unterschiede zwischen den einzelnen Unternehmen festzustellen – viele Unternehmen planen offiziell gar keine Vergütungserhöhungen. Wenn wir dann etwas genauer nachfragen, stellen wir hingegen fest, dass auch diese Firmen kleine Sondertöpfe bereithalten. Damit wird sichergestellt, dass für High Performer oder High Potentials, deren aktuelle Vergütung nicht marktkonform ist, die notwendigen Gehaltsanpassungen vorgenommen werden können. Hier sieht man gut, dass der „war for talents“ auch in wirtschaftlich schwierigeren Zeiten nicht ausgesetzt wird.

 

Kerstin Wandt:
Und wie sieht es in Bezug auf die Ausschüttung von variabler Vergütung aus?

Timon Forrer:Fast alle, nämlich 92 Prozent der Unternehmen gaben in der Befragung im Sommer/Herbst 2020 an, auch für das Jahr 2020 eine variable Vergütung.

In dieser Gruppe befanden sich auch Unternehmen, deren Vergütungssystem aufgrund der festgelegten Systematik und des schlechten Geschäftsjahres eigentlich keine variable Vergütung vorsehen würden. Trotzdem werden Bonustöpfe gebildet, weil man Respekt davor hat, die Erwartungshaltung der Belegschaft nicht zu treffen, und so möglicherweise eine ungewollte Fluktuation auszulösen.

Dieses Verhalten der Unternehmen zeigt dabei auf, dass klassische Vergütungssysteme in Krisen an ihre Grenzen stoßen und effektiv nicht immer angemessen mit dem Geschäftserfolg atmen, wie man sich das eigentlich wünschen würde.

 

Kerstin Wandt:
Und wagst Du schon einen Blick in die nähere Zukunft?

Timon Forrer:
In Kürze werden wir eine weitere spezifische Kundenbefragung zum Thema „Boni  2021“ durchführen. Wir erwarten eine insgesamt niedrigere variable Vergütung, als dies in den vergangenen Jahren der Fall war. Wie die Unternehmen aber genau mit dieser Situation umgehen, und welches Verhalten sie von Arbeitnehmenden erwarten – und auch erwarten können – wollen wir in diesen dynamischen Zeiten noch einmal genauer beleuchten. Spannend ist beispielsweise, dass in mehreren Unternehmen das Topmanagement bereits aktuell freiwillig zumindest auf Teile der variablen Vergütung verzichtet hat.

 

Kerstin Wandt:
Was können Unternehmen in der aktuellen Lage mit Blick auf das Thema variable Vergütung aktiv tun?

Timon Forrer:
Es ist grundsätzlich aus unserer Sicht immer einfacher klar zu kommunizieren und die Erwartungshaltung entsprechend zu steuern. Gerade Systeme mit einer Verknüpfung von Geschäftserfolg und individueller Leistung sind da im Nachteil: „Sie haben super gearbeitet, erhalten aber wegen des Geschäftsergebnisses nur einen halben Bonus“, ist schwer zu kommunizieren. „Leider entfällt für dieses Jahr die Erfolgsbeteiligung. Dafür freut es mich, Ihnen mitteilen zu können, dass wir Ihnen aufgrund ihrer persönlichen Leistung 120 Prozent des Zielbonus ausschütten können“ wird beim Mitarbeitenden hingegen besser aufgefasst.
Sprich: eine sprachliche Trennung von der nicht beeinflussbaren Erfolgsbeteiligung und dem individuellen Bonus kann helfen.

Um wirklich Kosten einsparen zu können, haben viele Firmen durch eine offene Kommunikation positive Erfahrungen gemacht. – Ein Topmanagement, das seinen freiwilligen Boniverzicht öffentlich macht kann ein Motivator für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sein.

 

Kerstin Wandt:
Welche Veränderungen erwartet Ihr über die nächsten Jahre hinaus?

Timon Forrer:
Das hängt natürlich maßgeblich von der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung ab. Aktuell verändert sich der Arbeitsmarkt eher im mittleren Management und darunter. Hier bauen einige Unternehmen aktuell ab. Solange hingegen keine größeren Unternehmen Konkurs anmelden, wird sich wohl eher weniger an der Vergütung von gesuchten Führungskräften und Expertinnen und Experten ändern. Plakativ gesagt:

Auch wenn eine Organisation ein Fünftel der Belegschaft entlässt, benötigt sie immer noch einen CFO, einen Head of Sales, etc.

Es spricht nichts dafür, dass die Nachfrage nach gesuchten Profilen abnimmt beziehungsweise sich die marktübliche Vergütungshöhe anpassen sollte. Längerfristig könnte das also wieder zu einer Vergrößerung der Lohnschere führen. Aber offen gestanden ist dies aktuell noch schwierig abzuschätzen.

 

Kerstin Wandt:
Was rätst Du und Dein Team Unternehmen in der aktuellen Situation in Bezug auf das Thema Vergütung?

Timon Forrer:
Offen kommunizieren und mit den Mitarbeitenden in den Dialog treten. Ansonsten hilft das, was auch in normalen Zeiten hilft: Klare Compensation-Regeln, die Ressourcen gezielt steuern.

Aus konzeptioneller Sicht ist ein System mit stark ausgeprägten kollektiven variablen Vergütungselementen sicherlich von Vorteil. Aufgrund der hohen Transparenz wie auch der direkten Verknüpfung zum Geschäftserfolg helfen diese Systeme in der Krise natürlich, ein möglicherweise schlechter ausfallendes Geschäftsergebnis über tiefere Personalkosten abfedern zu können. Die Kollektivierung von Vergütung ist seit einigen Jahren unabhängig von Krisen bereits ein Trend, weil diese Art der Vergütung in vielen Fällen besser zur angestrebten Unternehmenskultur passt.

Darüber hinaus ist das Thema Führung in der Krise natürlich besonders wichtig. Gerade jetzt zeigt sich, dass neue Formate und Führungsansätze wie zum Beispiel OKR, contingent feedback, feedforward, etc. den klassischen starren MbO-Ansätzen überlegen sind. Letztere entfalten im Krisenfall weder eine motivierende noch steuernde Wirkung. Beispielsweise weil bereits nach wenigen Monaten klar wird, dass die Anfang des Jahres gesetzten Ziele nicht mehr realisierbar sind.

 

Kerstin Wandt:
Vielen Dank für das Gespräch, Timon.

 

Arbeitgeberbefragung & Webinar

Nachdem wir bereits gut 1400 Arbeitnehmende zu ihren Erwartungen hinsichtlich variabler Vergütung in Zeiten der Pandemie befragt haben, möchten wir nun herausfinden, wie Unternehmen mit dem Thema umgehen.

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Timon Forrer | E-Mail: Timon.Forrer@kienbaum.com | Tel.: +41 44 306 42 48