Wie der Fachkräftemangel zur Wachstumsbremse wird und was Firmen tun können

Wie der Fachkräftemangel zur Wachstumsbremse wird und was Firmen tun können

Deutschen Firmen droht nicht nur ein Mangel an hinreichend kompetenten Fach- und Führungskräften – er besteht praktisch längst. Das Problem ist nicht akut für den Geschäftserfolg im Hier und Heute, aber es müssen jetzt Maßnahmen ergriffen werden. Ein Beitrag zum Stand der Dinge in der deutschen Industrie.

Medien vermitteln dieser Tage ein Bild knapper Ressourcen. Der über Nacht prominent gewordene Sueskanal verschwand zwar genau so schlagartig aus den Schlagzeilen, wie er dort über Nacht aufgetaucht war. Geblieben ist allerdings die Einsicht, dass als zuvor sicher geglaubte, globalisierte Lieferketten wesentlich vulnerabler sind, als man sich dies vorab hätte ausmalen können.

In unangenehmer Regelmäßigkeit drängen sich derweil weitere unliebsame Probleme in die Berichterstattung – bedingt durch das schmerzliche Fehlen von Halbleitern, Rohstoffen oder aktuell verlässlichen Frühwarnsystemen. Und das längst nicht mehr auf Randspalten im Wirtschaftsteil, sondern vermehrt auch auf die Titelblätter. So musste BMW jüngst mehrere Produktionen stilllegen, da komplexe Bauteile trotz diversifizierter Beschaffungsprozesse nicht verfügbar waren. Es bedarf keiner empirischen Studie um nachvollzuziehen, wie bedrohlich die Nichtverfügbarkeit wichtiger Güter sein kann. Doch ist deren Abwesenheit die größte oder einzige spürbare Herausforderung für die deutsche Industrie?

Die Knappheit an Gütern ist nur eins von zwei großen Problemen

Mit Rückgang der Covid-19-Inzidenzen und gleichzeitigem Aufatmen der Wirtschaft, mehren sich in ähnlichem Maße auch Meldungen zu „Kapazitätsengpässen“ der Ressource Mensch. Zusätzlich zu nicht erwerbbaren Materialien, bewirkt auch die Suche nach guten Köpfen vermehrt Kopfschmerz in den Schaltzentralen der Unternehmen. In diesem Zusammenhang kehrt ebenso der augenscheinlich teils überstrapazierte Terminus des Fachkräftemangels zurück in das Bewusstsein der Allgemeinheit.

Die omnipräsent erscheinende Causa Corona mitsamt ihren wirtschaftlichen Implikationen, hat ihn offensichtlich nur temporär an Dringlichkeit und medialer Strahlkraft einbüßen lassen. Wesentliche Gründe werden anhand von demographischem Übergang, unzureichender Arbeitgeberattraktivität und gerne auch einer nicht zeitgemäßen Rekrutierungsstrategie festgemacht.

Ein ebenfalls nicht zu unterschätzender Faktor ist laut manch spitzer Zunge ebenfalls die erwähnenswerte Existenz asynchroner Gehaltsvorstellungen. Einen elektrifizierten Spitzensportwagen zum Spottpreis zu suchen und nicht fündig zu werden, beschreibt schließlich auch einen Mangel. Doch wird diese Analogie der Realität gerecht? Und wie stellt sich die Situation tatsächlich dar?

Kompetenzmangel ist mittelfristig bedrohlich

Im alltäglichen Austausch mit unseren Kund:innen wird deutlich, dass die Tragweite und praktische Relevanz des Führungs- und Fachkräftemangels deutlich spürbar, allerdings nicht unbedingt per se kurzfristig gefährlich ist. Die Grundfesten der Unternehmensexistenzen sind unserer Wahrnehmung nach nicht ad hoc so bedroht, wie es manch Wirtschaftsuntergangsprophet wiederkehrend vermeldet.

Sehr wohl können wir aber bestätigen, dass in vielen Fällen von einer mittel- und langfristigen, elementaren Bedrohlichkeit gesprochen werden kann. Dabei beobachten wir weniger einen flächendeckenden Effekt, sondern tendenziell eher einen Schmerz an besonders elementaren Positionen.

Im Schnitt lässt sich festhalten: trotz ausgelasteter Produktionen und voller Auftragsbücher mehren sich vielerorts Sorgen, das Geschäft könne aufgrund einer oder beider Mängelfaktoren (materiell oder personell) langfristig nicht mehr allumfänglich erfolgreich betrieben werden. Besonders verstärkt wird die personelle Knappheit für viele mittelständische (Familien-)Unternehmen, die in aller Regel weniger in den hippen Zentren Berlins, Hamburg oder München sitzen, sondern eher auf der schwäbischen Alb, im Sauerland oder im Schwarzwald.

Das KfW-ifo-Fachkräftebarometer untermauert unsere subjektiven Beobachtungen: 23,7 % aller deutschen Unternehmen sahen sich im April 2021 durch akuten oder latenten Fachkräftemangel beeinträchtigt. Die Tendenz bleibt stark steigend: Im zweiten Quartal nahm der Fachkräftemangel weiter deutlich zu. Betroffen seien dabei vor allem kleinere mittelständische Unternehmen der produzierenden Industrie, noch vor den großen Konzernen. Da Kienbaum seine Aktivitäten seit jeher auch auf den Mittelstand fokussiert, nehmen wir seine Bedarfe sehr konkret wahr.

Unser Rat, um Fach- und Führungskräfte anzulocken: Mittelständler sollten offener in die Kommunikation gehen, also zeigen, was sie zu bieten haben. Flache Hierarchien locken viele Führungskräfte und andere Talente an. Andersherum schreckt die Multi-Matrix-Organisation der meisten Konzerne ab. Mittelständler bieten zudem in der Regel gute (und kurzfristige) Entwicklungsmöglichkeiten, sichere Jobs, geringere Immobilienkosten, bessere Kinderbetreuung und vieles mehr.

Aber seien wir ehrlich: Nicht alle nehmen die Bedarfe von neuen Mitarbeiter:innen auf: Da hat sich im Zuge der Corona-Pandemie einiges getan, Stichworte wären: Home Office, Work-Life-Balance, modernere Benefits wie Fitnessstudio-Mitgliedschaften, Dienstfahrräder, New-Work-Atmosphäre. Nicht zuletzt wirken moderne Führungskulturen anziehend. Die lassen sich bei einem wendigen Mittelständler in der Regel rascher implementieren als bei einem stark durchstrukturierten Konzern. Aber hier sei auch genannt: In einem solchen Text kann man nur generalisiert argumentieren – Lösungen und Argumente müssen Firmen stets individuell entwickeln.

Besetzung von wichtigen Stellen wird immer schwieriger

Durch zahlreiche Executive-Search-Mandate unserer auf den Industriebereich spezialisierten Berater:innen erleben wir aus erster Hand, an welchen Stellen die Herausforderungen unserer Auftraggeber am größten sind. Wir begleiten unsere Mandanten bei Suche nach strategisch agierenden IT-Führungskräften, die im Alleingang kein Selbstläufer wären. Auch Engineering- oder Operations-Rollen werden häufig nachgefragt, da sie, anders als „in der guten alten Zeit“, in Eigenregie nicht aus dem Stegreif besetzt werden können.

Weitere Besetzungsprozesse beispielsweise spezifischer Finance-Vakanzen führen ebenfalls unternehmensintern zu Problemen, ein branchenaffiner Vertriebsstratege findet sich nicht von selbst und auch für eine Geschäftsführerposition muss sich manch Unternehmen heutzutage spürbar strecken. Globaler betrachtet lassen sich für die Industrie-Unternehmen im Hinblick auf Fachkräftemangel zwei wesentliche Fakten festhalten:

  1. KMU sind mit 24,1% vor allem in der [produzierenden] Industrie häufiger betroffen als große Unternehmen mit 22,9%
  2. Deutschland braucht eine Strategie zur Fachkräftesicherung für die Zeit nach Covid-19, da Remote-Mitarbeitende zwar Spitzen kompensieren konnten, das Virus aber qualitativ hochwertige Zuwanderung unterbunden hat

Interessant wird ein detaillierter Blick auf spezifische Branchenbedarfe. Um auf die individuellen Besonderheiten unserer Kunden bestmöglich eingehen zu können, arbeiten wir in spezialisierten Segmenten für unsere Kunden aus der Industrie. Ein aufgrund der hervorragenden Marktentwicklung besonders prägnantes Beispiel soll im Folgenden beleuchtet werden: die technische Gebäudeausrüstung.

Technische Gebäudeausrüstung im Umbruch: Chancen und Herausforderungen

Deutschlands erstes im Druckverfahren gebautes Haus wurde kürzlich im beschaulichen Beckum von NRWs Bauministerin Ina Scharrenbach eingeweiht. Es steht sinnbildlich für die rasant fortschreitende Modernisierung der Branche. Neben dem offensichtlichen Novum des Bauverfahrens fallen auch gänzlich neuartige Einsatzmöglichkeiten für Hochtechnologien im und am Haus auf. Durch vollkommen andere Logiken in der Architektur, ergeben sich neue Möglichkeiten für den Verbau von allen Geräteklassen und damit Chancen für Verbesserungen.

Innovationen in der Konstruktion von Gebäudeheizungen, raumlufttechnischen Anlagen, Stromversorgungsystemen und auch Systemen für Solarthermie oder Photovoltaik werden das Wohnen künftig nachhaltiger und energieeffizienter machen. In Kombination mit dem nach wie vor ungebrochenen Boom von Smarthome-Lösungen ergeben sich für unsere Mandant:innen Herausforderungen besonders in der Entwicklung neuer Produkte, der Digitalisierung von Produktlinien und der Anpassung an kontinuierlich steigende Erwartungshaltungen der Kundengruppen.

Dies alles fällt in eine Zeit, in der ein nicht gänzlich neuer, aber präsenter werdender Trend an Bedeutung gewinnt: dem Einsatz von Low-Tech-Ansätzen in der Gebäudeplanung. Stark komprimiert wird bei dieser Herangehensweise auf technische Lösungen verzichtet, wenn wartungsfreie, bauliche Lösungen die gleichen Aufgaben übernehmen können.

Wie Firmen aufgestellt sein sollten

Für derartig multidimensionale und komplexe Herausforderungen bedarf es optimal zusammenarbeitende Unternehmensabteilungen. Von Forschung über Produktentwicklung bis hin zu IT und Produktion muss neben Kommunikationsstrukturen und effizienten Prozessen vor allem ein Faktor gegeben sein: das Rückgrat jeder Organisation, der Mensch als Mitarbeitender, sollte bestmöglich ausgebildet und kulturell passend sein.

Nicht zuletzt verstärken sich diese Entwicklungen in der Branche durch die anhaltend gute Konjunktur, die viele Unternehmen zu kontinuierlichen Rekordjahren führen; dies jedoch zum Preis von dauerhaften Kapazitätsengpässen, hohen Belastungen der Mitarbeitenden und teilweise weiteren Folgeproblemen wie schlechteren Lieferzeiten, Qualitätsproblemen oder auch personeller Fluktuation (durch vorherig erwähnte Überlastung).

Fazit: Aktuell trifft für uns spürbar an vielen Stellen der angesprochene „duale Mangel“ auf den dringenden Bedarf nach Innovation, Entwicklung und damit einhergehend die Herausforderung, sich neuen Marktbegebenheiten anzupassen. Prozessual, strategisch, wie auch mit Blick auf die richtigen Köpfe. Gerne unterstützen wir Sie dabei – in allen Fragestellungen entlang der Human Relations-Wertschöpfungskette.

Haben Sie Fragen? Sprechen Sie uns an!

Dr. Frederik Gottschalck | E-Mail: frederik.gottschalck@kienbaum.de | Tel.: +49 221 801 72-533

Michael Seitz | E-Mail: michael.seitz@kienbaum.de | Tel.: +49 211 96 59-195

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