Was wir von Innovationsbarrieren lernen können
Innovationen scheitern selten an der Technik – sondern viel öfter an den Prozessen und der Kultur im Unternehmen. Warum trauen sich Mitarbeitende nicht, unfertige Ideen zu teilen? Was passiert, wenn Mut fehlt, Zuständigkeiten unklar sind oder Kund:innen nicht mit einbezogen werden? Und wie kann es gelingen, Innovationsbarrieren zu überwinden und aus einer guten Idee ein marktreifes Produkt zu machen? Die Autor:innen Dr. Stephanie Rabbe, Dr.-Ing. Carl Robert Brand und Prof. Dr. Sebastian Pioch regen mit zwei Beispielen dazu an, Innovationsbarrieren im eigenen Unternehmen zu erkennen.
Dr. Stephanie Rabbe
Senior Incubation Manager, Intrapreneurship, Miele New Growth Factory
Dr.-Ing. Carl Robert Brand
Mitgründer Ideenpilot
Prof. Dr. Sebastian Pioch
Professor für Innovationsmanagement, DBU
So enthusiastisch viele Innovationsverantwortliche und Intrapreneure bisweilen auch ans Werk gehen, irgendwann stoßen die meisten auf sie – Innovationsbarrieren.
- Interne Blockaden im Management: Manager blocken Ideen ab, aus Sorge, dass die Ansätze zu riskant sind und sie sie am Ende womöglich ihre Boni kosten.
- Bequemlichkeit durch Routine: Langjährige Mitarbeitende haben sich inzwischen so gemütlich eingerichtet, dass sie ihre Rente schon im Kalender sehen können und daher von Veränderungen nichts mehr wissen wollen.
- Fehlende Psychologische Sicherheit: Introvertierte Kolleginnen und Kollegen halten sich mit unkonventionellen Ideen zurück, da sie sich nicht blamieren wollen – die psychologische (Un-)Sicherheit lässt grüßen. Dann heißt es: „Ich hatte oft das Gefühl, dass ich mit meiner Idee erst ‚fertig‘ sein muss, bevor ich sie überhaupt zeigen darf – dabei entsteht das Beste doch im Dialog“.
- Ideen im Elfenbeinturm: Statt frühzeitig Feedback einzubinden, entstehen Ideen im stillen Kämmerlein – warum sollten wir mit den eigenen Kunden sprechen? Die fänden das bestimmt befremdlich, wenn wir sie nach ihrer Meinung fragen, immerhin sind wir doch die Experten und Expertinnen – oder?
Das Ergebnis: Es werden erneut Lösungen entwickelt, denen schlichtweg das Problem fehlt. Die KfW bestätigt im Innovationsbericht Mittelstand 2022, dass die Innovatorenquote im Mittelstand auf nur noch 40 % gesunken ist – gleichzeitig stagnierten die Innovationsausgaben bei 33,9 Mrd. Euro. Auffällig: Größere Unternehmen bleiben häufiger innovativ als kleinere (Quelle: IHK Hanau). Diese Herausforderungen sind nicht nur Einzelfälle, sondern spiegeln sich auch auf gesamtwirtschaftlicher Ebene wider: Im Innovationsindikator 2024 belegt Deutschland nur noch Rang 12 von 35 Volkswirtschaften – zwei Plätze schlechter als im Vorjahr – und liegt damit im globalen Mittelfeld (Quelle: BDI ).
Was lässt sich dagegen unternehmen? Wir skizzieren in diesem Artikel einen eher negativen und einen positiven Fall und möchten Sie am Ende dazu einladen, Ihre Erfahrungen im Rahmen eines Forschungsprojekts mit uns zu teilen.
Fall 1: Wie eine vielversprechende Idee einfach versandete
In einem Projektteam einer großen Versicherung entstand eine innovative Idee: Ein neues Produkt im Bereich der technischen Versicherung, speziell für hochpreisige Maschinen wie Mähdrescher, Erntemaschinen oder industrielle Großgeräte, die oft mehr als eine halbe Million Euro kosten. Die Idee war so einfach wie visionär: Statt erst im Schadensfall zu zahlen, sollte das Produkt um einen präventiven Baustein erweitert werden. Mithilfe von KI-gestützter Auswertung von Maschinendaten (z. B. per IoT-Sensoren) sollten technische Schäden frühzeitig erkannt und verhindert werden – noch bevor Kosten entstehen.
Technologisch war dies bereits machbar und versprach enormes Potenzial. Obwohl der Prototyp stand und erste Konzepte ausgereift waren, verlor sich die Idee jedoch im Dickicht interner Prozesse. Es fehlte an klaren Zuständigkeiten, Entscheidungsfreude und dem Mut, eine innovative, aber unsichere Richtung einzuschlagen.
Die bittere Pointe: Ein halbes Jahr später brachte ein Wettbewerber genau dieses Konzept erfolgreich auf den Markt und etablierte sich damit als Innovationsführer. Dem ursprünglichen Unternehmen blieb nur die Erkenntnis über eine verpasste Chance.
Fall 2: SneakerWash – Wie aus einem Problem eine erfolgreiche Innovation wurde
Was haben schmutzige Sneaker mit Waschmaschinen zu tun? Eine ganze Menge – wenn man Innovation anders denkt.
In einem Ideen-Workshop der Business Unit Laundry bei Miele entstand die Idee für den SneakerWash Bag inklusive spezieller Reinigungstabs. Ein Zubehör, das es im Bereich Wäschepflege bislang nicht gab und das die Reinigung verschmutzter Turnschuhe sowohl schuh- als auch maschinenschonend ermöglicht. Statt klassische, langwierige Entwicklungsprozesse zu durchlaufen, entschied sich das Team bewusst für eine kreative Fast Lane – ein Ansatz, der nicht nur projektbezogen ist, sondern im Unternehmen als eigenständiger Talentpfad im Bereich People & Culture verankert wurde: das Intrapreneurship-Programm „Miele Pioneers Camp“ – inklusive Zugang zum unternehmenseigenen Inkubator.
Innerhalb weniger Monate wurde aus der Idee ein marktreifes Produkt, das sorgfältig und kundenzentriert validiert wurde. Nach Klärung aller offenen Fragen zu Funktion, Marktpotenzial und Nutzerbedürfnissen befindet sich das Projekt nun in der finalen Phase der Integration ins Kerngeschäft.
Darüber hinaus setzt Miele mit dem Intrapreneurship-Programm auf gezielte Strukturen, die Innovationsprozesse systematisch unterstützen und beschleunigen. Neben klassischen Karrierewegen haben Mitarbeitende nun die Möglichkeit, gezielt die Rolle eines Intrapreneurs zu übernehmen. Teilnehmende des Programms erhalten rund 100 Stunden Coaching im Verlauf des gesamten Prozesses – eine intensive Weiterbildung, die am Ende auch offiziell zertifiziert wird.
SneakerWash zeigt: Innovation gelingt oft gerade dann, wenn man eingefahrene Wege verlässt und Neues bewusst zulässt.
Fazit: Innovationsbarrieren überwinden – gemeinsam lernen
Diese beiden Beispiele verdeutlichen, wie unterschiedlich Unternehmen mit Innovationsbarrieren umgehen – und welche Folgen dies hat. Entscheidend ist, dass Unternehmen frühzeitig Maßnahmen ergreifen, um diese Barrieren aktiv abzubauen. Der Wille zur Innovation in der Bevölkerung durchaus vorhanden: Laut einer VDI-Studie sehen 97,8 % der Deutschen technische Innovationen als entscheidend für den wirtschaftlichen Erfolg an. Zugleich wird zunehmend hinterfragt, ob der Standort Deutschland im internationalen Wettbewerb noch ausreichend gut positioniert ist. Die Kritik an der sinkende Wettbewerbsfähigkeit deutet darauf hin, dass der Bedarf an Veränderungen erkannt wird, die bisher ergriffenen Maßnahmen jedoch noch nicht in vollem Umfang greifen (Quelle: VDI).
Wie ist das in Ihrem Unternehmen? Jetzt an Umfrage teilnehmen
Teilen Sie bitte Ihre Erfahrungen mit uns! Wir möchten Ihre Perspektive auf Innovationsbarrieren besser verstehen und laden Sie herzlich ein, an unserer kurzen Umfrage teilzunehmen. Wir untersuchen, welche Faktoren Innovationen im Mittelstand blockieren und was es braucht, um echte Veränderungen anzustoßen. Jede Antwort hilft uns, Innovationen im Mittelstand besser zu verstehen und konkrete Lösungsansätze zu entwickeln.
Die Teilnahme dauert nur 3 Minuten. Zur Umfrage gelangen Sie hier: Umfrage Innovationsblockaden