New HR Operating Model: Was daran eigentlich neu ist

New HR Operating Model: Was daran eigentlich neu ist

Ich freue mich, dass mich der selbstständige HR-Berater Martin Claßen für seinen Newsletter gefragt hat, Vertiefendes zu unserem HR-Steuerungs- und Organisationsmodell beizusteuern. Diesen Beitrag nehme ich auch gerne in den Kienbaum-Blog auf, wo die Beschreibung unseres neuen HR-Modells natürlich auch gut aufgehoben ist.

Dave Ulrich weiterentwickelt

Das vorgestellte Kienbaum-Modell ist über eine mehr als zehnjährige intensive Beratungstätigkeit in großen und mittleren Unternehmungen entstanden und knüpft an die vielerorts vorzufindende Unzufriedenheit mit dem weltweiten Standardmodell von Dave Ulrich an – mit den drei Kernrollen Business Partner, Centers of Competence/Excellence und Shared Services. Uns war anfangs nicht klar, was die Ursachen dieser oft hinter vorgehaltener Hand geäußerten Kritik sind. Eigentlich besticht doch insbesondere die Etablierung einer HR-Star-Rolle mit dem HR Business Partner, der als Teil des Managementteams und als umfassender Ansprechpartner der Führungsebenen für alle Personalthemen etabliert wird. Aber scheinbar tat oder tut sich gerade die zentraleuropäische HR-Community schwer mit einem angelsächsischen Ansatz, der für diese Region typische Rahmenbedingungen impliziert.

New HR Operating Model

Hinzu kommt, dass die HR-Leiter sogenannte Bypässe legen – wegen der Konsequenzen, die sich aus der Teilung der Verantwortung auf die drei Säulen ergeben. Das führt in europäisch dominierten Konzernen zur Dominanz einer sogenannten Drei-Säulen-Plus-Organisation. Das lässt bei den kleineren, mittelständisch geprägten Unternehmen noch heute die Mehrheit dieser Gruppe in der klassischen Funktionalorganisation verbleiben: nach Kompetenzen und Prozessen – mit entsprechend wenigen Prozess-Schnitten und vielen Ansprechpartnern für die Kunden.

Studie zeigt Realitäten

Unsere neue Studie zu HR-Strategie- und Organisation (kommt in Kürze) zeigt aber auch, dass zwei Drittel der Personalbereiche im moderaten oder radikalen Anpassungsprozess ihrer Strukturen begriffen sind: Die klassischen Vertreter intendieren das Ulrich-Modell (sowohl „scharf“ als auch rollenflexibler), die Ulrich-Vertreter machen sich auf den Weg in innovative Strukturen.

Als Rahmen für wirkliche Modellalternativen gibt es in den IT-Bereichen einerseits die „Plan-Build-Run“-Logik, andererseits die „Run & Change“-Differenzierung. Und in der HR-Fachliteratur findet sich bei Ram Charan ebenfalls die „Run & Change“-Logik, deren Vor- und Nachteile auch direkt mit Dave Ulrich diskutiert wurden. Wirkliche Alternativen hierzu werden nicht wirklich breit diskutiert: In unserer Studie gibt es auch Sympathien für eine hochverdichtete Experten- und Beraterfunktion nach dem Vorbild der Funktion Unternehmensentwicklung oder für eine vollständige Virtualisierung; d.h. eine Verteilung der HR-Prozesse auf Linie, Finanzen und Outsourcing.

Run & Change unter einem Dach

Unser Modell vereint die „Run & Change“-Strukturdimension mit einer für professionelle Dienstleistungsorganisationen wichtigen Differenzierung nach marktnahen Funktionen (Kunden- und Geschäftskontakt) und unterstützenden Marktfolge-Funktionen. Das resultierende Gitter bestätigt teilweise die Dave-Ulrich-Jobrollen – etwa für HR-Experten in den Centers of Competence oder eine Shared-Services-Produktionseinheit, die nach Lean-Prinzipien funktioniert. Es teilt aber auch die Business-Partner-Rolle in realistische Portionen auf:

  • in eine dedizierte HR-Partner-/Personalberater-Rolle mit Fokus auf Führungskräfte-Beratung und -Coaching in allen People-Themen ihres Verantwortungsbereichs, auf die Anwendung der unternehmensweiten HR-Kernprozesse (Talent-Konferenz, Bonusrunde u.a.) und auf die Betreuung der lokalen betrieblichen Mitbestimmung.
  • in eine klar auf die Geschäftsfelder, auf übergreifende Konzernprojekte und Transformationen ausgerichtete strategische Beraterrolle, die eine starke Nähe zu Ulrichs HR-Business-Partner-Rolle aufweist: Beraten wird das treibende Management von Bestands- und Neugeschäften sowie großen Projekttypologien in allen strategischen People-Prämissen und -Folgerungen. Dabei geht es um Personalplanung, notwendige Skill-Profile, Change-Management-Architekturen, Personalkosten u.a. Diese strategischen Partner bewegen sich somit im engen interdisziplinären Austausch mit Markt- und Technologie-/Produktexperten, mit Unternehmensstrategen, Kommunikatoren und Controllern. Sie ticken eher als Managementberater im Projekttypus und sind somit natürlich auch in die allerorts stattfindenden großen Digitalprojekte der Unternehmen maßgeblich eingebunden.

Was ist der Vorteil gegenüber der klassischen Ulrich-Rollen-Segmentierung?

Die Business-Partner-Rolle ist mit diesem Kompetenz- und Zeitanspruch in strategischen Projekten häufig überfordert. Oft muss sie sich mit administrativen Restarbeiten und der Kompensation von Schwächen der IT-/Servicestrukturen herumschlagen. Und die Expertenrolle aus einem Center of Competence Personalentwicklung, Talent, Vergütung o.a. ist nicht wirklich projekt- und geschäftsnah, ist oft getrieben von tiefer inhaltlicher Konzept- und Prozessexpertise der HR-Welt. Nicht zuletzt: Ulrichs Modell hat keinen Platz für wirkliche, für disruptive Innovationen, wie sie mit HR Big Data, künstlicher Intelligenz, digitalen HR-Produktwelten zunehmend Einzug halten. Analog zu Start-up-Strukturen brauchen diese „Musterbrecher“ Freiraum und sind deshalb in klassischen Expertenbereichen selten erfolgreich. Nur in Konzernen finden sich (wenn überhaupt) HR-Labs und digitale HR-Jobrollen. Dabei gehört ihnen ein Stück der Zukunft, denn sie gestalten letztlich eine innovative HR-Funktion.

Ambidextrie für HR

Die HR-Funktion von morgen muss die sogenannte Beidhändigkeit ihrer Unternehmen auch selber abbilden: also die Strukturierung eines schlank und sehr geordnet gemanagten Bestandsgeschäfts und einer agilen und hoch flexiblen Innovationsorganisation (das sind hybride oder gänzlich neue Geschäftsmodelle, Start-ups als Inkubator oder Accelerator sowie innovative Akquisitionen). Diese Ambidextrie-Anforderung, die wir vereinfacht farblich in unserem Modell abbilden, ist neben aller Rollenabgrenzung die eigentliche Herausforderung der eigenen Transformation. Und sie findet sich eben nicht in den klassischen Ulrich-Rollen, sondern in der Trennung der Perspektiven Run & Change – auch wenn in der Realität nicht immer klare Schnitte, sondern Übergänge und Lerneffekte gewollt sind. Deshalb betrachten wir unsere HR-Organisationslogik bei aller Bescheidenheit als recht innovativ und singulär: Für unsere Kunden ist es der Einstieg in eine strukturierte Organisationsdiskussion, die natürlich die jeweilige Verteilung der Ist-Ressourcen und die Geschäfts- und Transformationsmodelle auf der Unternehmensebene berücksichtigen muss.