4-Tage-Woche: Wunschvorstellung oder realistische Option?
Die 4-Tage-Woche ist ein heiß diskutiertes Thema: Während fast die Hälfte der Arbeitnehmenden dieses Modell von attraktiven Arbeitgebern erwartet, setzen nur wenige Unternehmen darauf. Doch ist die verkürzte Arbeitswoche wirklich ein Erfolgsmodell oder bleibt sie Wunschvorstellung? In diesem Beitrag beleuchten wir verschiedene Umsetzungsmodelle, analysieren Herausforderungen wie Produktivitätseinbußen und Kapazitätsengpässe und geben praxisnahe Empfehlungen für eine erfolgreiche Einführung.
Director | Compensation & Performance Management
Felix Nickel
Manager Client Development | Compensation & Performance Management
Executive Director | Compensation & Performance Management
Das Thema „4-Tage-Woche“ bewegt Arbeitnehmende und Unternehmen. Laut einer Kienbaum Umfrage unter 1.643 Arbeitnehmenden geben knapp die Hälfte der Arbeitnehmenden an, dass sie ein solches Angebot von einem attraktiven Arbeitgeber erwarten. 72% der befragten Arbeitnehmenden geben an, dass eine 4-Tage-Woche für sie persönlich attraktiv ist. Der zusätzliche freie Tag erhält große Zuneigung und landet unter den Top 20 der begehrtesten Benefits. In einer anderen Umfrage befragten wir über 600 Unternehmen zu ihrem Benefit-Portfolio. Hier antworteten nur 6%, dass sie bereits das Angebot einer 4-Tage Woche unterbreiten. Aus unseren Beratungsprojekten wissen wir: Während Arbeitnehmende von mehr Freizeit bei gleichem Gehalt träumen, stehen Unternehmen vor der Frage wie realistisch dieses Modell eigentlich ist, und was es für Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit bedeutet?
Zunächst einmal zeigt sich, dass die Vorstellungen zum Begriff „4-Tage-Woche“ teilweise weit auseinander gehen. Die 4-Tage-Woche beschreibt zwar grundsätzlich die Verkürzung der Arbeitszeit auf vier Tage. Jedoch kann die Ausgestaltung ganz unterschiedlich interpretiert werden.
Die eine Sichtweise bezieht sich auf „gleiches Gehalt bei reduzierter Arbeitszeit“. Mitarbeitende arbeiten weniger Stunden, ohne finanzielle Einbußen zu erleiden. Die andere Sichtweise spricht vom „gleichen Arbeitspensum an vier Tagen, bei gleichbleibender Vergütung“. Die gleiche Anzahl an Stunden wird auf weniger Tage verdichtet (z.B. vier Tage à zehn Stunden).
In unserer Befragung der 1.643 Arbeitnehmenden zeigte sich, dass unter den Arbeitnehmenden sehr unterschiedliche Vorstellungen vorherrschen. Auf unsere Frage „Auf wie viel Prozent ihres Gehaltes wären Sie zu Gunsten einer 4-Tage-Woche bereit zu verzichten?“ zeigten die Antworten eine erstaunliche Varianz. Während einige antworteten, dass sie bereits eine 80% Stelle und damit de facto eine 4-Tage-Woche innehätten, gaben andere an, dass sie für die gleiche Arbeit an weniger Tagen auf keinen Euro verzichten würden. Durchschnittlich gaben die Befragten an, dass sie auf ca. 8% ihrer Vergütung zugunsten einer 4-Tage Woche verzichten würden. Dies zeigt eindrücklich, dass kein einheitliches Verständnis zu bestehen scheint.
Herausforderungen für Unternehmen
Aus Sicht der Unternehmen generiert das Angebot einer 4-Tage-Woche Herausforderungen, welche es zu meistern gilt. Einige davon sind beispielsweise:
Produktivität und Effizienz
Ein zentrales Argument der Verfechter der 4-Tage-Woche lautet: Weniger Arbeitszeit fördert die Produktivität. Studien (bspw. aus Deutschland [1] oder Großbritannien [2]) zeigen, dass bei reduzierter Zeit effizienter gearbeitet wird. Doch für Arbeitgeber bleibt dies zunächst einmal eine Hoffnung – ohne aktive Maßnahmen riskieren sie Produktivitätseinbußen. Das bedeutet: Unternehmen müssen sicherstellen, dass Prozesse optimiert und Arbeitsabläufe effizienter gestaltet werden.
Kapazitätsengpässe
Besonders in Bereichen, die kontinuierliche Präsenz erfordern – z.B. Verkauf, Produktion oder Service – wird die Umsetzung der 4-Tage-Woche komplex. Ein Beispiel: Ein Techniker, der täglich eine Maschine warten muss, kann nicht einfach an einem Tag fehlen. Hier erfordert eine 4-Tage-Woche eine personelle Aufstockung oder den Einsatz von Technologie.
Überstunden und Arbeitszeitkonten
Bereits heute berichten viele unserer Klienten, dass Mitarbeitende ihre reguläre Arbeitszeit überschreiten. Eine 4-Tage-Woche könnte zu noch mehr Überstunden führen, wenn die Arbeitslast nicht reduziert, sondern nur umverteilt wird. Unternehmen laufen Gefahr, Mehrarbeit in Form von Zeitkonten zu „verstecken“, was langfristig wieder zu anderen Problemen führt.
Empfehlungen für eine erfolgreiche Umsetzung
Aus unserer Sicht und gibt es einige Dinge, welche Unternehmen angehen sollten, wenn sie die Einführung einer 4-Tage-Woche planen. Dazu gehören u.a.:
- Klare Rahmenbedingungen
Obgleich viele Arbeitnehmende bei der 4-Tage-Woche das gleiche Gehalt erwarten, müssen Unternehmen realistische Konditionen festlegen. Dazu gehört ganz vorangestellt die Frage: Reduzieren wir Arbeitszeit und Gehalt proportional oder kompensieren wir Produktivitätseinbußen durch andere Maßnahmen? Es braucht eine gemeinsame Definition: Was ist unser Verständnis der 4-Tage-Woche? - Prüfung der Machbarkeit pro Jobprofil
Nicht alle Tätigkeiten lassen sich gleich gut auf vier Tage reduzieren. Unternehmen sollten prüfen, welche Rollen und Abteilungen von der 4-Tage-Woche profitieren könnten und wo alternative Modelle (z.B. flexible Arbeitszeiten) besser passen. - Technologische Unterstützung nutzen
Die Effizienzsteigerung durch Digitalisierung und KI kann dazu beitragen, gleiche Ergebnisse in weniger Zeit zu erreichen. Unternehmen sollten in Technologien investieren, die Prozesse automatisieren und Mitarbeitenden entlasten. - Pilotprojekte und Feedbackschleifen
Statt sofortiger flächendeckender Einführung empfiehlt es sich, die 4-Tage-Woche in einzelnen Teams zu testen. Dabei helfen regelmäßige Feedbackschleifen, um Effizienz und Zufriedenheit zu messen und das Modell gegebenenfalls anzupassen.
Fazit: Für die 4-Tage-Woche braucht es individuelle Lösungen
Die 4-Tage-Woche ist eine spannende Option, die sowohl Arbeitnehmenden als auch Arbeitgebern Vorteile bieten kann – vorausgesetzt, sie wird sinnvoll umgesetzt. Für Unternehmen bedeutet dies: Individuelle Lösungen statt pauschaler Ansätze. HR-Verantwortliche spielen hierbei eine Schlüsselrolle: Sie müssen flexibel denken und realistische Konditionen schaffen, um die Balance zwischen Mitarbeiterzufriedenheit und Unternehmenserfolg zu gewährleisten.
[1] https://www.intraprenoer.de/4tagewoche
[2] https://autonomy.work/wp-content/uploads/2023/02/The-results-are-in-The-UKs-four-day-week-pilot.pdf
Benefit Benchmarking
Gewinnen Sie Klarheit über die Attraktivität Ihrer Benefits. Mit dem Kienbaum Tool für Benefit Benchmarking finden Sie heraus, wie Ihre Benefits im Vergleich zu Unternehmen Ihrer Branche und Region abschneiden. Identifizieren Sie bevorzugte Benefits und erfahren Sie, welche Leistungen von Mitarbeitenden am meisten geschätzt werden.