Brave Leadership Session 3

Medienbranche unter Druck – Transformation zwischen Kultur, KI & Kostendruck

Die Medienbranche steht exemplarisch für den Druck zur Transformation – wirtschaftlich, kulturell, technologisch. In der dritten Ausgabe der Kienbaum Brave Leadership Sessions standen unter dem Titel „Medienbranche sichern - Wie HR als Schlüssel zur Innovationskultur beitragen kann“ Fragen nach entschlossener Führung und die sich radikal wandelnde Rolle von HR im Zentrum der Diskussion. Wir haben die zentralen Erkenntnisse zusammengefasst.

Mit Dr. Peter Mantsch (TX Group) und Stefan Wabel (CH Media) lieferten zwei Experten aus der Medienbranche tiefe Insights zum Wandel der Branche, sowie zur Rolle von HR und den komplexen Anforderungen an mutige Führungskräfte. Moderiert wurde die Session von Prof. Dr. Walter Jochmann, Managing Director und Partner bei Kienbaum, und Timon Forrer, Director bei Kienbaum Zürich.

Transformation: zwischen externem Druck und interner Haltung

In seiner Einführung macht Prof. Dr. Walter Jochmann bereits deutlich: Transformation ist mehr als Strukturveränderung. Es geht um radikale Umbrüche, massive Marktverschiebungen und eine Kulturfrage. Aktuelle Kienbaum-Erhebungen zeigen: Unternehmen transformieren sich vorrangig entlang des Geschäftsportfolios, durch Restrukturierungen und digitale Prozessoptimierungen – jedoch scheitern viele Veränderungen am fehlenden „Wie“. Transformation, so Jochmann, scheitere nicht an der inhaltlichen Ausrichtung, sondern am How – an mangelndem Commitment, fehlender Kompetenz und der nicht gelebten Kultur.

Medien im Wandel – eine Branche unter Druck

Stefan Wabel, COO von CH Media, liefert einen eindrucksvollen und faktenreichen Einblick in den tiefgreifenden Strukturwandel der Schweizer Medienlandschaft. Aus seiner Sicht steht die gesamte Branche exemplarisch für die Herausforderungen, denen viele klassische Geschäftsmodelle heute gegenüberstehen. Das Fundament – der Journalismus – sei nach wie vor systemrelevant, aber seine wirtschaftliche Basis sei enorm unter Druck. Der Wandel in der Mediennutzung – weg von Print und linearem TV hin zu digitalen, on-demand konsumierten Inhalten – hat massive Auswirkungen auf das Geschäftsmodell der Verlage.

„In den letzten 20 Jahren sind rund drei Viertel der Werbeeinnahmen im Print verloren gegangen“, Stefan Wabel.

Gleichzeitig wandert ein Großteil der digitalen Werbegelder zu internationalen Tech-Plattformen wie Google und Meta – und damit weg von den lokalen Medienhäusern. Der Effekt: Während die gesellschaftliche Bedeutung des Journalismus unverändert hoch ist, ist seine Refinanzierung zunehmend gefährdet. Allein 2023 wurden in der Schweiz rund 700 Stellen im Journalismus abgebaut – auch CH Media musste schmerzhafte Einschnitte vornehmen.

Doch statt zu kapitulieren, setzt CH Media auf mutige strategische Entscheidungen. Wabel beschreibt den Zusammenschluss der AZ Medien mit der NZZ-Mediengruppe zur heutigen CH Media als einen der mutigsten Schritte in der jüngeren Mediengeschichte. Das 2018 gegründete Joint Venture habe neue unternehmerische Spielräume geschaffen – nicht nur durch Effizienzgewinne, sondern auch durch die Diversifikation in neue Geschäftsbereiche wie nationale TV- und regionale Radiostationen.

Brave Leadership Wabel Forrer

Stefan Wabel und Timon Forrer im Gespräch

Der Stellenwert des Journalismus für die Demokratie ist für Wabel nicht zu überschätzen: Ohne Einordnung und Analyse, die der Journalismus liefert, könne sie nicht überdauern. Diese Überzeugung sei nicht nur ein Purpose-Statement, sondern auch der Antrieb, trotz aller wirtschaftlichen Widrigkeiten weiter mutig in journalistische Qualität und digitale Transformation zu investieren.

Kulturwandel durch HR – aus der Mitte der Organisation

Dr. Peter Mantsch, Chief People Management Officer der TX Group, beleuchtet in seinem Beitrag, welche Rolle HR in Transformationsprozessen einnehmen kann – und muss. Die TX Group (ehemals Tamedia) steht nicht nur als börsennotiertes Medienunternehmen mit Marken wie 20 Minuten, Tagesanzeiger und Goldbach für publizistische Vielfalt, sondern auch für tiefgreifende organisatorische Veränderung. Mantsch berichtete von einem radikalen Umbau des HR-Bereichs: Weg von zentralen Strukturen, hin zu dezentralisierten, vernetzten HR-Einheiten, die in den operativen Gesellschaften verankert sind – dort, wo Veränderung wirklich stattfindet.

Sein Leitsatz: Innovation beginnt bei den Menschen – nicht in der Technik. Damit setzt Mantsch ein klares Statement gegen eine rein technologiegetriebene Veränderungslogik. Echte Innovation ist kein Zufallsprodukt, sondern „das Ergebnis einer Kultur, die Neugier erlaubt, Fehler verzeiht und Lernen fördert! Und genau hier liegt unser Hebel im HR. Wenn wir das mutig mitgestalten, dann sind wir als HR ein Schlüsselfaktor.“
Aus diesem Grund wurden HR-Business-Partner bei der TX-Group zu eigenverantwortlichen HR-Leiter:innen innerhalb der jeweiligen Unternehmen, mit deutlich erweitertem Mandat und Einfluss.

Inhaltlich verfolgt die TX Group drei zentrale Ziele:

  1. Relevanz durch Nähe: HR soll dort wirken, wo Innovation geschieht – in den Teams, in den täglichen Arbeitsprozessen, in der konkreten Projektarbeit.
  2. Schnelligkeit und Selbstverantwortung: Dezentrale HR-Teams agieren schneller, treffen Entscheidungen näher am Bedarf und können Innovationsprozesse aktiv begleiten.
  3. HR als Enabler: Statt sich auf klassische Administrationsaufgaben zu konzentrieren, versteht sich HR zunehmend als Coach, Sparringspartner und Kulturgestalter – auch in anspruchsvollen Veränderungssituationen.

Nicht jede Führungskraft kann und will diesen Wechsel mittragen

„Transformation bedeutet nicht einfach nur Change – es bedeutet einen Spielfeld und Spielregelwechsel. Die Frage ist also, wie gut kann ein Fußballspieler auch Handball spielen?“ – Peter Mantsch

Durch diese Art von Wandel ändert sich auch das Verständnis von Führung. Führungskräfte müssen heute Nahbarkeit zeigen, Storytelling beherrschen, Vertrauen aufbauen und mit Unsicherheit umgehen können. Mantsch betont, dass mutige Führungskräfte sich selbst zur Disposition stellen, bereit sind zu lernen und Raum für echte Beteiligung schaffen.

Auch die digitale Reife der HR-Funktion sei bei TX mittlerweile hoch: Prozesse sind digitalisiert, Echtzeitdaten verfügbar, KI-gestützte Tools wie Chatbots eingeführt – doch für Mantsch ist das nur die Grundlage. Entscheidend bleibt: Die Menschen in der Organisation müssen die Veränderung mittragen und mitgestalten können. Dafür braucht es Räume, Vertrauen – und eine HR, die mutig vorangeht.

Transformationale Führung in der Praxis

In der abschließenden Paneldiskussion wird die Führungskraft und der Mensch an sich als größte Herausforderung für Transformation herausgestellt. Laut Stefan Wabel gehe es immer in erster Linie darum, die Mannschaft auf die Reise mitzunehmen. Mutige Führung ist daher kein Ausnahmezustand – sie ist eine Haltung, die im Alltag Wirkung entfaltet. Es geht nicht um spektakuläre Entscheidungen, sondern um die konsequente Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, neue Wege zu gehen und auch unbequeme Wahrheiten auszusprechen. Es gehe aber auch darum, dies ergänzt Peter Mantsch, die Transformation sichtbar zu machen. Nur dadurch könne die Belegschaft den Veränderungsdruck verstehen und letztendlich freiwillig annehmen und mitgehen. Ein demokratischer Akt kann Transformation dennoch nicht sein, da die Verantwortung auf der obersten Eben bleibt.

Entsprechend relevant ist es, den Punkt zu finden, bis zu dem Partizipation sinnvoll und möglich ist. Ehrlich offen zu sein, Partizipation zu fördern aber eben auch Verantwortung zu übernehmen und einen klaren Rahmen abzustecken, der nicht verhandelbar, sondern nur erklärbar ist – auch das gehört, so Peter Mantsch, zur modernen Führung dazu.

Mutige Führung zeigt sich damit nicht zuletzt im Umgang mit Ambivalenzen: zwischen Stabilität und Veränderung, zwischen Kontrolle und Vertrauen, zwischen Strategie und Kultur. Damit das gelingt plädiert Walter Jochmann abschließend für psychologische Sicherheit und gezielte „Pitstops“, die Reflexion ermöglichen und Resilienz stärken. Für ihn ist klar: HR wird dann zum Game Changer, wenn es nicht verwaltet, sondern mit klarem Profil, digitaler Kompetenz und strategischem Weitblick gestaltet.

Fazit: Transformation braucht Mut – aber auch Klarheit

In disruptiven Märkten reicht Operational Excellence nicht mehr aus. Es braucht eine klar kommunizierte Strategie, eine starke Kultur des Miteinanders – und Führungskräfte, die nicht nur delegieren, sondern vorangehen. Die Medienbranche zeigt, wie eng Mut und Innovation miteinander verknüpft sind – und dass Transformation nicht allein durch Strukturreformen gelingt, sondern durch die Menschen, die sie gestalten.

 


Brave Leadership Serie

Die Kienbaum Veranstaltungsreihe Brave Leadership liefert regelmäßig Einblicke in werteorientierte Führung – mit Best Practices aus verschiedenen Branchen und konkreten Impulsen für Ihren Führungsalltag. Melden Sie sich kostenfrei für die Brave Leadership Serie an und seien Sie bei der nächsten Session live dabei.