
Warum Unternehmen nicht auf die Politik warten dürfen – und wie HR zum Katalysator für Zukunftsfähigkeit wird
Während Deutschland wirtschaftlich und gesellschaftlich auf der Stelle tritt, braucht es mehr als politische Reformen: Es braucht unternehmerischen Mut. Warum Unternehmen nicht länger auf die Politik warten dürfen, wie HR zur treibenden Kraft für Zukunftsfähigkeit wird – und welche Impulse aus der Praxis dabei wirklich zählen – lesen Sie mit Einblicken von Dr. Alexander von Preen, CEO Intersport, und zentralen Erkenntnissen der neuen Kienbaum Corporate-Governance-Studie 2025.
Dr. Hannes Döring
Consultant | Compensation & Performance Management
Managing Director / Partner | Compensation & Performance Management
Deutschland befindet sich trotz neuer Regierung weiterhin in einer schwierigen Lage: wirtschaftlich und gesellschaftlich. Unternehmensinvestitionen sind rückläufig, die Veränderungsbereitschaft ist begrenzt, das Vertrauen in die politische Gestaltungskraft verharrt auf einem niedrigen Niveau und die Polarisierung der Gesellschaft steigt. Immer mehr festigt sich die Überzeugung, dass Wachstum und eine höhere wirtschaftliche Dynamik dringend notwendig sind. Doch die Verantwortung dafür kann nicht allein bei der Politik liegen. Wir alle sind gefragt, einen Beitrag zu leisten!
Welche Verantwortung tragen Unternehmen – und insbesondere ihre Führungskräfte und HR-Funktionen – in dieser Situation?
Diese Frage haben wir gemeinsam mit Dr. Alexander von Preen (CEO von INTERSPORT Deutschland und Präsident des Handelsverbands Deutschland) im Rahmen der Kienbaum People Convention 2025 diskutiert. Eine zentrale Erkenntnis: Eigenverantwortung auf Seiten der Unternehmen und ihrer Führungskräfte gewinnt weiter an Bedeutung. Auch HR-Verantwortliche können eine aktive Rolle übernehmen und Veränderungsprozesse konsequent unterstützen.
„Wir müssen unserer Verantwortung nachkommen und wieder mit Energie, Kraft, Mut und Ideen nach vorne gehen.“ – Dr. Alexander von Preen
Warum der Stillstand nicht alternativlos ist
Unsere aktuelle Kienbaum Corporate-Governance-Studie 2025, bei der knapp 170 Vorstände und Aufsichtsräte befragt wurden, zeigt, dass viele Unternehmen in Deutschland durchaus Nachholbedarf in Sachen Mut und Risikobereitschaft haben:
- 72 % der Unternehmen setzen primär auf die Optimierung bestehender Produkte und Dienstleistungen in ihren aktuellen Märkten
- 70% der Unternehmen setzen auf evolutionäre Strategien, um nicht zu große Risiken einzugehen und um stabiles, profitables Wachstum zu gewährleisten
- 38% arbeiten gezielt an neuen Geschäftsmodellen, um neue Märkte zu erschließen
- 21% sind bereit auch größere Risiken einzugehen, um langfristiges Wachstum zu forcieren, auch wenn das kurzfristig zu volatileren Ergebnissen führt
Aus unserer Sicht lässt sich daraus ein klarer Befund ableiten: Die Mehrheit der Unternehmen erkennt zwar den Handlungsdruck, hält bei der strategischen Weiterentwicklung jedoch noch zu stark an Bestehendem fest. Dabei ist klar: Die Politik wird dieses Problem nicht lösen. Ihr Auftrag besteht nicht darin, unternehmerische Entscheidungen zu definieren, sondern darin, verlässliche Rahmenbedingungen zu schaffen. Entscheidend ist, dass Bürokratie und politische Detailsteuerung mutige unternehmerische Initiativen nicht ausbremsen.
„Die Politik muss das Spielfeld nur setzen und den Schiedsrichter draufsetzen – aber das Spiel den Unternehmern überlassen.“ – Alexander von Preen
Gerade in Zeiten des Umbruchs sind mutige – und mitunter auch riskante – Weichenstellungen in der strategischen, kulturellen und personellen Ausrichtung eines Unternehmens unerlässlich. Ein bloßes Verharren in der Beobachterrolle reicht nicht mehr aus. Wer allein auf politisches Handeln wartet oder sich auf ein vermeintliches Politikversagen beruft, läuft Gefahr, die eigenen Gestaltungsspielräume ungenutzt zu lassen.
Dr. Sebastian Pacher und Dr. Alexander v. Preen im Gespräch
Ein Appell zur Eigenverantwortung
Laut Roland Busch, CEO von Siemens, stehen wir vor einem echten „All-Hands-on-Deck-Moment“: Deutschlands „Betriebssystem“ – müsse neu geschrieben werden. Und zwar nicht irgendwann, sondern jetzt. Dieser Weckruf unterstreicht, dass politische Veränderungen allein nicht ausreichen werden. Wir sind alle gefordert!
„Germany’s operating system will not rewrite itself. It will require policymakers, workers, entrepreneurs, educators and the next generation’s digital natives to make it happen.“ – Roland Busch, CEO Siemens, The Economist, 31. März 2025
Unternehmerischer Erfolg in einem dynamischen Umfeld verlangt heute mehr denn je nach Eigeninitiative, Gestaltungswillen und dem Mut, auch unbequeme Entscheidungen zu treffen. Jetzt ist der Moment, aktiv zu werden – nicht trotz, sondern gerade wegen der Unsicherheiten. Denn Zukunft entsteht nicht durch Zögern, sondern durch entschlossenes Handeln.
Fünf Leitmotive für ein zukunftsfähiges HR
Genau an diesem Punkt kann HR wichtige Beiträge leisten. HR kann Voraussetzungen dafür schaffen, Innovationsfähigkeit, Geschwindigkeit und Veränderungsbereitschaft zu stärken. Die folgenden Leitfragen bieten Orientierung:
HR-Handlungsfeld | Leitfrage |
Ownership & Anreize | Wie gestaltet HR zukunftsorientierte Anreizsysteme, die langfristiges Denken belohnen und tiefgreifendes Ownership stärken? |
Kultur & Leadership | Wie kann HR unternehmerischen Mut fördern und eine lernorientierte Fehlerkultur verankern? |
Strategische Personalplanung & Talententwicklung | Wie antizipiert und entwickelt HR die benötigten Talente und Kompetenzen in einem dynamischen Marktumfeld und mit sich wandelnden Belegschaftsstrukturen? |
Transformatives HR-Operating Model | Wie entwickelt sich HR stärker zum datengetriebenen Wertschöpfer und Transformationsbeschleuniger? |
Drei Impulse aus der Praxis
Die zuvor skizzierten Leitfragen bieten einen strategischen Rahmen, um HR systematisch an der Zukunftsfähigkeit des Unternehmens auszurichten. Doch wie lassen sich diese Handlungsfelder konkret mit Leben füllen? Im Gespräch mit Dr. Alexander von Preen zeigen sich drei zentrale Erfolgsfaktoren. Sie machen deutlich, worauf es ankommt, wenn HR wirklich wirksam werden soll:
1. Mut braucht strukturelle Voraussetzungen.
„Fehlerkultur zulassen, Menschen nach vorne stellen, die auch mal etwas erreicht haben […] Und immer als Vorbild vorneweg gehen.“ – Alexander von Preen
2. Anreizsysteme müssen Innovation gezielt fördern.
„Vergütung sollte nicht nur Zielerreichung belohnen, sondern stärker unternehmerisches Denken und Innovationskraft fördern.“ – Alexander von Preen
3. HR sollte Transformation ganzheitlich begleiten.
„Ich habe HR und Strategie unter einer Leitung zusammengelegt, weil die gesamte Transformation mit HR-Instrumenten und Tools begleitet und unterstützt wurde.“ – Alexander von Preen
Verantwortung liegt auch in den Organisationen selbst
Deutschland verfügt über die Voraussetzungen, ein führender Wirtschaftsstandort zu bleiben. Dafür bedarf es jedoch aktiver Entscheidungen auf Ebene der Unternehmen. Die zentrale Frage lautet nicht: Wer ist schuld? sondern: Welche Beiträge leisten wir im Rahmen unserer Rollen und Funktionen, um Fortschritt zu ermöglichen? Veränderung beginnt nicht mit neuen Gesetzen, sondern mit einer veränderten Haltung.
Quellen:
1. Kienbaum Corporate Governance Studie 2025
2. Busch, R. (31. März 2025). The boss of Siemens on how to re-energise the German economy. The Economist.