VSOP

Virtuelle Beteiligungsmodelle – ein strategisches Vergütungstool auch für Konzerne?

Virtuelle Kapitalbeteiligungen sind längst kein Privileg junger Start-ups mehr. Richtig konzipiert, können sie auch in Konzernstrukturen Innovationskraft fördern und Talente langfristig binden – vorausgesetzt, sie sind passgenau auf die spezifischen Rahmenbedingungen abgestimmt.

Angetrieben von externen Effekten – der rasanten Entwicklung im Bereich künstlicher Intelligenz, dem Fortschreiten des Klimawandels und weniger belastbaren globalen Lieferketten –, gründen (Groß-)Unternehmen zunehmend Ventures oder akquirieren bestehende Start-ups. Die Ziele, die sie damit verfolgen, sind vielfältig: Sie wollen das eigene Geschäftsmodell resilienter aufstellen, zukunftsfähige Geschäftsmodelle entwickeln oder die Innovationskraft abseits der etablierten Märkte und Produkte steigern.

Zur Incentivierung der Mitarbeitenden in den Start-ups nutzen sie dabei häufig auch die bewährten, konzernweit einheitlichen Vergütungsmodelle. Das führt in der Regel zu Herausforderungen dabei, die besten Köpfe für Start-ups zu gewinnen und zu binden, da die tradierten Vergütungssysteme nicht immer zu den Erwartungen der Kandidatinnen und Kandidaten passen.

Konzernunabhängige Start-ups arbeiten in der Regel mit Kapitalbeteiligungsmodellen. (Virtuelle) Kapitalbeteiligungen an den Ventures sind auch für Konzerne eine Möglichkeit, um ihre Attraktivität im Wettbewerb um Top-Talente in der Start-up-Welt zu erhöhen.

Im Folgenden beleuchten wir übliche Ausgestaltungsformen von Beteiligungsmodellen und die Besonderheiten, wenn Konzerne sie einführen.

Beteiligungsmodelle haben Vor- und Nachteile

Für Start-ups und Wachstumsunternehmen ist es essenziell, hoch qualifizierte und motivierte Top-Talente zu gewinnen, um erfolgreich zu wachsen. Allerdings verfügen diese Organisationen in der Regel nur über begrenzte finanzielle Mittel und können daher keine hohen Grundvergütungen zahlen. Aus diesem Grund setzen viele Start-ups auf Kapitalbeteiligungen, häufig in Form von Aktienoptionen (Employee Stock Option Plans, ESOPs) oder virtuellen Aktienoptionen (Virtual Stock Option Plans, VSOPs). Sie bieten den Mitarbeitenden eine Chance auf eine hohe Vergütungszahlung, die den intensiven Arbeitseinsatz honoriert und die geringe Grundvergütung und das erhöhte Jobrisiko kompensiert.

Aktienoptionen funktionieren folgendermaßen: Das Unternehmen gewährt Mitarbeitenden das Recht, in der Zukunft Aktien oder Anteile zu einem vorher festgelegten Preis – dem sogenannten Ausübungspreis – zu kaufen. Wenn der Unternehmenswert steigt und der aktuelle Marktpreis somit höher als der Ausübungspreis der Option ist, können die Mitarbeitenden die Aktien beziehungsweise die Anteile zu einem günstigeren Preis kaufen. Ist das Unternehmen börsennotiert, können die Aktien direkt mit Gewinn verkauft werden.

Aktienoptionen haben jedoch auch Nachteile im Start-up-Umfeld: Sofern die Mitarbeitenden die Optionen ausüben, müssen echte Aktien beziehungsweise Anteile übertragen werden, und die Mitarbeitenden werden zu Eigentümerinnen und Eigentümern. Neben administrativen Aufwänden, wie beispielsweise Notarkosten für jede Anteilsübertragung, sind die Mitarbeitenden ab dem Zeitpunkt der Übertragung bei jeder Gesellschafterversammlung stimmberechtigt. Das ist häufig nicht im Sinne der Gründer oder Early-Stage-Investoren.

In Konzernen sind die Vergütungsmodelle meist stärker auf Kontinuität ausgerichtet als in Startups: Hier dominieren häufig feste Vergütungsbestandteile das  Gesamtvergütungspaket.

Für die Mitarbeitenden kann es ebenfalls Nachteile geben: Da die Mitarbeitenden die Unternehmensanteile günstiger als zum aktuellen Verkehrswert erwerben, handelt es sich bei der Differenz zwischen Kaufpreis und aktuellem Verkehrswert um einen geldwerten Vorteil. Dieser ist zum Zeitpunkt der Optionsausübung zu versteuern. Da die erworbenen Start-up-Anteile, die meist nicht börsennotiert sind, in der Regel nicht sofort verkauft werden können, steht dem teils erheblichen Abfluss der liquiden Mittel kein Zufluss gegenüber. Diese Problematik wird als „Dry Income“ bezeichnet.

Virtuelle Aktienoptionen als Alternative

Um die genannten Nachteile für Unternehmen und Mitarbeitende zu vermeiden, nutzen viele Start-ups statt ESOPs virtuelle Aktienoptionen. Dabei handelt es sich um eine vertragliche Vereinbarung, die es Mitarbeitenden ermöglicht, von einer positiven Unternehmensentwicklung zu profitieren, ohne dass das Unternehmen ihnen tatsächlich Anteile überträgt. Vielmehr erhalten die Mitarbeitenden einen Auszahlungsanspruch auf einen bestimmten Geldbetrag. Dessen Höhe hängt von der Entwicklung des Unternehmenswerts ab.

Aktienoptionspläne und virtuelle Aktienoptionspläne sind bei Start-ups in der Regel auf einen Exit – also einen Verkauf oder Börsengang – ausgelegt. Sollten Teile des Unternehmens an einen Investor verkauft werden oder sollte das Unternehmen an die Börse gehen, können die beteiligten Mitarbeitenden ihre (virtuellen) Optionen ausüben. Bei Optionen können sie Aktien oder Anteile vergünstigt kaufen, bei virtuellen Optionen erhalten sie eine Barauszahlung.

Kapitalbeteiligung in Form von VSOPs – auch für Konzerne relevant?

In Konzernen sind die Vergütungsmodelle üblicherweise stärker auf Kontinuität ausgerichtet als in Start-ups. So dominieren in Konzernen häufig feste Vergütungsbestandteile das Gesamtvergütungspaket. Komponenten mit hoher Volatilität, wie virtuelle Aktienoptionen, sind bei der Mehrheit der Mitarbeitenden kaum verbreitet. Stattdessen werden die variablen Vergütungsbestandteile klassischerweise von einjährigen Bonusmodellen mit klaren Zielsetzungen dominiert.

Bei Top-Führungskräften werden die einjährigen Zielbonusmodelle immer häufiger durch mehrjährige variable Vergütungskomponenten ergänzt, beispielsweise um VSOPs oder andere Formen wertbasierter Vergütung. Gleichzeitig besteht in einigen börsennotierten Unternehmen für die Mitarbeitenden die Möglichkeit, an Beteiligungsmodellen in Form von echten Aktien teilzunehmen (Employee Share Plan).

Sofern Konzerne, wie eingangs geschildert, gezielt Ventures gründen oder Start-ups akquirieren, werden in den Konzern-Start-ups dabei häufig auch die bewährten, konzernweit einheitlichen Vergütungsmodelle zur Incentivierung der Mitarbeitenden genutzt. Allerdings passen diese Konzernvergütungssysteme, die auf Kontinuität ausgelegt sind und klare Zielsetzungen beinhalten, häufig nicht zu den Vorstellungen der Start-up-Talente. Die Talente sind oftmals unternehmerische VSOP-Modelle mit ausgeprägtem Chancen-Risiko-Profil gewöhnt.

Diese Diskrepanz – zwischen dem Konzern-Vergütungsmodell und den Erwartungen der Start-up-Kandidatinnen und -Kandidaten – kann zu massiven Herausforderungen führen, wenn die Corporate Start-ups Top-Talente gewinnen und binden möchten. Für Konzerne ist es daher empfehlenswert, zumindest zu evaluieren, ob für den Teilbereich des Konzern-Start-ups ein VSOP-System etabliert werden soll, das vom Konzernvergütungssystem abweicht.

Besonderheiten, wenn Konzern-Start-ups VSOPs einführen

Aufgrund der unterschiedlichen Ausgangslagen im Konzern und im Start-up sollten bei der Einführung von virtuellen Beteiligungsmodellen in Konzern-Start-ups einige Punkte beachtet werden. Dies betrifft insbesondere die Vergütungssystematik, die Vergütungshöhe und die Kommunikation zu den virtuellen Beteiligungsmodellen.

Hinsichtlich der Vergütungssystematik sollten Konzerne vor allem die Laufzeit des Programms beachten. Üblicherweise sollen Konzern-Start-ups langfristig gehalten werden, ein Exit ist meist nicht das Primärziel bei der Gründung oder Akquisition.

Der VSOP muss daher so strukturiert werden, dass er den Mitarbeitenden auch ohne den Exit einen echten finanziellen Anreiz bietet. So kann der Plan auf einer festen, eventunabhängigen Laufzeit und dem Wertzuwachs des Unternehmens zu einem definierten Zeitpunkt basieren, gegebenenfalls ergänzt um Meilensteine, die das Start-up erreichen soll.

Das Zielbild sollte ein sequenzielles System sein, bei dem ein weiterer Plan startet, wenn einer ausläuft. So kann das Unternehmen weiterhin Top-Talente gewinnen und die Steuerungsfunktion des VSOP aufrechterhalten.

Ein weiterer Aspekt ist die Vergütungshöhe. Die Herausforderung bei der Einführung von VSOPs in Konzern-Ventures oder -Start-ups besteht darin, dass sich das Chancen-Risiko-Profil der virtuellen Beteiligungsmodelle häufig vom Chancen-Risiko-Profil der variablen Vergütung im Konzern unterscheidet. Die Vergütung der Gründerinnen und Gründer sowie Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer ist direkt an den Zuwachs des Unternehmenswerts gekoppelt. Wenn der Unternehmenswert kaum oder nicht ausreichend steigt, kann die variable Vergütung vollständig entfallen.

Das stellt für die Betroffenen ein ausgeprägtes Risiko dar, denn die Wahrscheinlichkeit, dass Start-ups scheitern, ist hoch. Um ein ausgeglichenes Chancen-Risiko-Profil zu erreichen, sollten dem Verlustrisiko ausgeprägte Verdienstmöglichkeiten („Upside“) gegenüberstehen. Dies können Startups beispielsweise erreichen, indem sie für das VSOP eine höhere Auszahlungsbegrenzung („Cap“) festlegen als für das konzernweite variable Vergütungssystem.

Wenn die Vergütungen der Start-up-Führungskräfte von denen der Konzern-Führungskräfte zu stark abweichen, können innerhalb des Konzerns Spannungen entstehen.

Die Festlegung des konkreten Chancen-Risiko-Profils benötigt Fingerspitzengefühl. Denn innerhalb des Konzerns können Spannungen entstehen, wenn sich die Vergütungen der Start-up-Managerinnen und -Manager zu stark von der Vergütung der Führungskräfte im Konzern lösen. Um solche Spannungen zu vermeiden, sollten Konzerne sorgfältig prüfen, inwieweit die finanziellen Chancen der virtuellen Beteiligung des Start-ups im Verhältnis zu den Vergütungskomponenten im Konzern stehen. Hierbei kann unter anderem ein Grading-System helfen, das die Wertigkeiten von Start-up- und Konzernfunktionen in ein Verhältnis setzt und somit für Transparenz und Fairness sorgt.

Ein weiterer Aspekt bei der Einführung von virtuellen Mitarbeiterbeteiligungsmodellen fällt der Kommunikation zu. Konzernmitarbeitende, die in ein Konzern-Start-up wechseln, sollten die Rahmenbedingungen der Vergütungssystematiken verstehen. Virtuelle Beteiligungen ohne explizite Zielsetzungen unterscheiden sich grundlegend von herkömmlichen Bonusvereinbarungen mit klarer Zielsetzung. Zudem weisen sie ein höheres Ausfallrisiko auf.

Aber auch für Mitarbeitende, die zuvor in Startups tätig waren, können die Besonderheiten von virtuellen Beteiligungsmodellen im Konzernkontext, wie beispielsweise die sequenzielle Ausgestaltung anstatt der Ausübung bei Exit, zu Verständnisschwierigkeiten führen. Daher ist es entscheidend, bei der Kommunikation und Einführung dieser Modelle die unternehmerische Bedeutung sowie die Leistungsbedingungen zu fokussieren.

Fazit

Virtuelle Kapitalbeteiligungsmodelle bieten Konzernen eine vielversprechende Möglichkeit, die Attraktivität von Konzern-Start-ups im Wettbewerb um Top-Talente zu erhöhen und die Bindung der Mitarbeitenden an das Start-up zu fördern. Dadurch stellen sie nicht nur für Start-ups, sondern auch für Konzerne selbst eine relevante und zukunftsweisende Vergütungsoption dar.

Die Einführung solcher Modelle in Konzern-Startups erfordert jedoch eine sorgfältige Anpassung an die spezifischen Rahmenbedingungen und Bedürfnisse beider Welten. Dies umfasst die Gestaltung der Vergütungssystematik, die Berücksichtigung eines ausgewogenen Chancen-Risiko-Profils und eine transparente Kommunikation der neuen Vergütungsmodelle.


Dieser Artikel ist ursprünglich erschienen in Comp&Ben Ausgabe 2 / Februar 2025: Zur aktuellen Ausgabe.