Das Warten und die Hoffnung auf Orientierung
11. November 2025
|4 Minuten Lesezeit
Entgelttransparenz: Zwischen Kommissionsbericht und gesetzgeberischer Klarheit
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Am 7. November 2025 übergab die vom Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend eingesetzte Kommission zur „bürokratiearmen Umsetzung der Entgelttransparenzrichtlinie“ ihren lang erwarteten Abschlussbericht. Damit nimmt ein Prozess Fahrt auf, der für viele Unternehmen weitreichende Folgen haben wird. Denn bis zum 7. Juni 2026 muss Deutschland die EU-Richtlinie in nationales Recht überführen. Das Ministerium hat angekündigt, das Gesetzgebungsverfahren im Januar 2026 einzuleiten; unter Berücksichtigung des nun vorliegenden Abschlussberichtes und unter Verwendung des ursprünglichen Gesetzesentwurfs aus dem Oktober 2024.
Die Zeitachse ist ambitioniert. Spätestens ab dem 7. Juni 2026 sollen die ersten Pflichten für Unternehmen greifen, will das Bundesministerium doch mögliche Vertragsverletzungsverfahren vermeiden. Doch deren Erfüllung werfen weitreichende praktische und rechtliche Fragen auf. Genau diese sollten durch die Kommission adressiert werden.
Viele Perspektiven, wenig Klarheit
Der Abschlussbericht ist nicht das, was man als eindeutige Handlungsempfehlung bezeichnen würde. Vielmehr spiegelt er die unterschiedlichen Perspektiven der Beteiligten wider – Sozialpartner, Verbände und Rechtswissenschaft – und dokumentiert vor allem den Stand der Diskussion.
Aus unserer Sicht sind die drei wesentlichen Punkte:
- Erstens: Die Frist zur Einführung des Auskunftsrechts. Die EU-Richtlinie sieht eine Umsetzung bis Mitte 2026 vor. Die Mehrheit der Kommission plädiert hingegen für eine Verschiebung auf Juni 2027.
- Zweitens: Die Diskussion um tarifgebundene Unternehmen. Hier wurde über eine „Angemessenheitsvermutung“ diskutiert – also dass Tarifverträge grundsätzlich erst einmal als EU-konform gelten sollen – aber es blieb bei einer kontroversen Debatte ohne eindeutige Empfehlung.
- Und drittens: Der Entgeltbegriff. Exemplarisch ist die Diskussion zur Verwendung des Ist-Entgelts als Basis der Berichterstattung. Während dies die tatsächlich ausgezahlte Vergütung in den Blick nehmen würde, favorisiert eine Minderheit das Zielentgelt – ein Unterschied mit erheblichen Konsequenzen für die Datenaufbereitung und Aufwände in den Unternehmen.
Darüber hinaus liefert der Bericht jedoch auch ein paar ermutigende Ansätze, welche eine Idee davon geben, wie eine echte Erleichterung für die Unternehmen aussehen könnte. Hier sind bspw. die Abkehr von der Betrachtung einer hypothetischen Vergleichsperson zu nennen, wenn keine passende Referenz im Unternehmen vorliegt. Als weiteres Beispiel dient der Umgang mit den „weiteren Entgeltbestandteilen“ im Sinne der Richtlinie.
Mehrheitlich schlägt die Kommission hier eine Öffnungsklausel vor, d.h. Unternehmen dürfen selbst entscheiden, ob sie die ergänzenden und variablen Entgeltbestandteile als Summe oder einzeln darstellen und berichten wollen. Solche Vorschläge geben eine Idee davon, wie eine „bürokratiearme Umsetzung“ aussehen und wie genau den Unternehmen Erleichterung verschafft werden könnte. Wenngleich sich das Bundesministerium vergleichsweise klar positioniert und nicht von den Inhalten der Richtlinie abweichen will.
Was der Bericht wirklich liefert und was nicht
Wer klare Handlungsvorgaben für Unternehmen erwartet hat, dürfte enttäuscht sein. Der Bericht ist eher eine Beschreibung der Auseinandersetzung als ein Wegweiser für die Praxis. Und das ist keine Überraschung: Die Kommission war bewusst breit und heterogen besetzt. Unterschiedliche Sichtweisen saßen am Tisch – ein Konsens in allen Punkten war kaum möglich.
Für Unternehmen bedeutet das: Die Unsicherheit bleibt. Was genau auf sie zukommt, wie die Pflichten ausgestaltet werden, wie das Abhilfeverfahren ausgestaltet wird und ob Tarifbindung tatsächlich „schützt“, bleibt bis zur Veröffentlichung des Gesetzesentwurfs offen.
Diese Situation ist für HR-Verantwortliche alles andere als komfortabel. Jedoch gilt auch: Wer auf vollständige Klarheit durch das Gesetz hofft, wird vermutlich enttäuscht. Denn auch mit Inkrafttreten des nationalen Gesetzes wird es Spielräume für Interpretation geben.
Unser Appell: Bewegung statt Abwarten
Unternehmen sollten die aktuellen Monate nutzen, um sich auf die Pflichten vorzubereiten, Datenlücken zu identifizieren und erste Analysen durchzuführen. Wir wissen aus zahlreichen Projekten: Wer frühzeitig startet, behält die Kontrolle – und kann Transparenz nicht nur als gesetzliche Pflicht, sondern als Chance für Fairness, Glaubwürdigkeit und Arbeitgeberattraktivität nutzen.
Als Expert:innen im Compensation & Performance Management stehen wir bereit, um Unternehmen in dieser Phase zu begleiten – von der initialen Standortbestimmung über die Entwicklung fairer Vergütungsstrukturen bis hin zur rechtssicheren Berichterstattung. Denn eines ist klar: Die Unsicherheit wird bleiben. Wir unterstützen Sie gerne, sich möglichst sicher darin zu bewegen.
Wer jetzt handelt, gewinnt Handlungsspielraum und kann Entgelttransparenz nicht nur als Pflicht, sondern als Chance für Fairness, Glaubwürdigkeit und Arbeitgeberattraktivität begreifen. Wir unterstützen Sie dabei. Mit Erfahrung, Struktur und Klarheit.