Die Analyse des Gender Pay Gaps

Die Analyse des Gender Pay Gaps

10. März 2021: Heute ist Equal Pay Day! Der Equal Pay Day symbolisiert den Vergütungsunterschied zwischen Männern und Frauen. Laut Statistischem Bundesamt verdienen Frauen rund 19 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. Rechnet man diesen Wert in Tage um, arbeiten Frauen 69 von 365 Tagen im Jahr unbezahlt, also vom 01. Januar bis zum 10. März.

Fiel der Equal Pay Day im Jahr 2019 noch auf den 17. März, so lässt sich erfreulicherweise feststellen, dass die Entgeltlücke in Deutschland in den letzten zwei Jahren um zwei Prozentpunkte geschrumpft ist.

Der sogenannte Gender Pay Gap, also der geschlechtsspezifische Unterschied des durchschnittlichen Bruttostundenverdienstes zwischen Frauen und Männern, beschäftigt schon seit einigen Jahren die Öffentlichkeit. Empirische Studien belegen, dass es sich hierbei nicht nur um eine „gefühlte“ Ungleichbehandlung handelt, sondern dass Frauen im Schnitt tatsächlich schlechter bezahlt werden als ihre männlichen Kollegen – dies gilt auch bei Ausübung vergleichbarer Tätigkeiten. Wie aber kommt dieser Unterschied tatsächlich zustande?

 

Gesetzliche Initiativen bislang ohne große Auswirkungen

Der Gesetzgeber hat auf die zunehmende Diskussion und Kritik an geschlechtsspezifischen Vergütungsunterschieden 2017 mit dem „Gesetz zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen (EntgTranspG 2017)“ reagiert. Das Gesetz hatte unter anderem das eigentliche Ziel, durch eine erhöhte Vergütungstransparenz den Gender Pay Gap zu schließen. Arbeitnehmenden wird der Anspruch eingeräumt, die Höhe des durchschnittlichen Entgelts einer Gruppe vergleichbarer Kolleg:innen des jeweils anderen Geschlechts zu erfahren. Allerdings gibt es inhaltliche Hürden: So gilt das EntgTranspG nur in Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten – tatsächlich angewendet werden darf der Gehaltsvergleich zudem ausschließlich, wenn mindestens sechs Mitarbeitende in einer Firma vergleichbare Tätigkeiten ausüben. So mag es nicht verwundern, dass nach einer Kienbaum Untersuchung im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend aus dem Jahr 2019 lediglich vier Prozent der insgesamt 2.085 befragten Beschäftigten in Unternehmen mit mehr als 200 Arbeitnehmenden die Anfragemöglichkeit zur Entlohnung vergleichbarer Tätigkeiten nutzen.

Auch auf den Gender Pay Gap hatte die Gesetzesinitiative bislang keinen starken Einfluss.  Bei der Entgeltlücke unterscheidet man zwischen dem unbereinigten und dem bereinigten Wert. Laut amtlicher Statistik erhielten weibliche Beschäftigte 2019 durchschnittlich 19 Prozent weniger Gehalt als männliche Beschäftigte. Hierbei wurde nicht zwischen Berufsgruppen, Hierarchiestufen oder Qualifikationen unterschieden; es handelt sich somit um die unbereinigte Entgeltlücke. Eine mögliche Erklärung für zumindest einen Teil des Lohnunterschieds zwischen Männern und Frauen stellen strukturelle Bedingungen dar. So befinden sich Frauen zum Beispiel häufiger in schlechter bezahlten Berufen als Männer. Vergleicht man durchschnittliche Bruttostundenlöhne von Männern und Frauen mit vergleichbaren Qualifikationen und Tätigkeiten, so ergibt sich eine Differenz von circa sechs Prozent in Deutschland. Hierbei handelt es sich um die so genannte bereinigte Entgeltlücke, da erklärende Faktoren mit einbezogen wurden.

 

Wie analysiert man den Gender Pay Gap?

Um die geschlechterspezifische Entgeltlücke im eigenen Unternehmen zu verkleinern oder gar zu beseitigen, bedarf es im ersten Schritt einer Standortbestimmung des eigenen Gender Pay Gaps. Hierzu werden mindestens die Vergütungsdaten und Angaben des Geschlechts aller Mitarbeitenden benötigt. Zusätzlich sind Information zum Beschäftigungsgrad, zum Alter, zur Betriebszugehörigkeit, zum Ausbildungslevel, zur Position (mind. zur hierarchischen Ebene) und zur Wertigkeit der Position (i.d.R. abgebildet durch ein Stellenbewertungsverfahren) sinnvoll, um die bereinigte Entgeltlücke zu identifizieren.

Zunächst sieht die wissenschaftlich und juristisch zertifizierte Kienbaum Analysemethode zur Ermittlung des Gender Pay Gaps ein Matching der Daten vor. In einem Matching-Verfahren werden „statistische Zwillinge“ gesucht. Dies bedeutet, dass ein Mann und eine Frau gesucht und „gematcht“ werden, welche in ihren beschreibenden Variablen (z.B. Position, Berufserfahrung oder Ausbildungslevel) ähnlich sind. So kann ein hohes Maß an Vergleichbarkeit sichergestellt werden.

Um die unbereinigte und die bereinigte Entgeltlücke zu überprüfen werden log-lineare Regressionsmodelle mit den logarithmierten Bruttostundenlöhnen (hochgerechnet auf 1 FTE) berechnet. Als unabhängige Variable wird in einem ersten Schritt lediglich eine Dummy-Variable für das Geschlecht des Vorstandsmitglieds in das Modell aufgenommen.
Das Ergebnis dieser Schätzung ist die unbereinigte Entgeltlücke:

 

log(Bruttostundenlöhne)i = 𝛽0 + 𝛽1* Weiblich

 

Nun werden Schritt für Schritt weitere unabhängige Variablen (wie bspw. Alter, Berufserfahrung, Ausbildung, Hierarchie, Funktion) in das Modell aufgenommen. Dadurch wird die bereinigte Entgeltlücke ermittelt:

 

log(Bruttostundenlöhne)i = 𝛽0 + 𝛽1* Weiblich𝑖  + 𝛽2* Alter𝑖   + 𝛽3* Berufserfahrung𝑖  +  𝛽4 * Ausbildung𝑖     + ….. + 𝑢𝑖

 

Erst wenn die eigene geschlechterspezifische Entgeltlücke ermittelt wurde, können Lösungen identifiziert werden.

 

Wie erklärt sich der Gender Pay-Gap?

Es mag auf den ersten Blick verwunderlich sein, dass die Entgeltlücke nach statistischer „Bereinigung“ von 19 Prozent auf durchschnittlich sechs Prozent in Deutschland fällt. Wie erklärt sich also ein Großteil der Entgeltlücke? Durch unsere langjährige Erfahrung im Bereich Vergütung und ganz spezifisch Gender Pay Gap Analysen konnten wir über verschiedene Kunden und Branchen hinweg beobachten, das strukturelle Unterschiede einen erheblichen erklärenden Faktor für Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen darstellen. In anderen Worten: ein großer Teil der unbereinigten Entgeltlücke wird dadurch erklärt, dass Frauen sich vermehrt in niedrigeren Positionen befinden, während Männer häufig höher in der Hierarchie stehen. Damit einher geht natürlich eine bessere Bezahlung. Dieses strukturelle Problem stellt jedoch kein direktes Vergütungsproblem dar, sondern knüpft an eine Vielzahl weiterer Themen, wie zum Beispiel fehlende Karriere- und Teilzeitmodelle für Frauen.

Die übrigen sechs Prozent lassen sich jedoch nicht auf beobachtbare strukturelle Unterschiede zurückführen. Das heißt, diese Lücke lässt sich weder durch Unterschiede in Alter, Berufserfahrung, Ausbildung, Funktion oder Hierarchielevel erklären.

 

Fazit

Fest steht: es besteht Handlungsbedarf, und zwar jetzt! Eine entsprechende Überprüfung mit Anpassung der Vergütungsstrukturen ist nicht nur aus rechtlichen Gründen geboten, sondern stellt für Unternehmen auf Talentsuche zudem ein starkes Argument speziell im Ringen um weibliche Führungs- und Fachkräfte am Arbeitsmarkt dar.

 

Wenn Sie Fragen zum Gender Pay Gap haben, sprechen Sie uns gern an. – Wir stehen Ihnen mit Rat und Tat zur Seite.

Dr. Michael Kind | E-Mail: Michael.Kind@kienbaum.de | Tel.: +49 211 96 59-143