“Leadership in der Verwaltung ist die anspruchsvollste Form von Führung“
Die Wirtschaft redet von Web3, Metaverse und ChatGPT – doch der öffentliche Sektor in Deutschland ist häufig immer noch analog unterwegs. Gründerin Katharina Jünger weiß, wie schwer es ist, in diesem Umfeld ein Digital-Unternehmen aufzubauen. Im Rahmen der People Convention Webinare diskutierte sie mit Kienbaum Executive Director René Ruschmeier darüber, warum es in der Verwaltung mehr Mut zum Handeln und mehr Führungsqualitäten erfordert.
Es gibt noch viel zu tun bei der Digitalisierung der deutschen Verwaltung: Im EU-weiten Vergleich belegt die Bundesrepublik Platz 21 und damit einen der hinteren Ränge. Katharina Jünger, CEO und Co-Gründerin des Healthcare-Startups TeleClinic, kann ein Lied davon singen, wie fehlende E-Governance Gründerinnen und Gründer behindern kann. Die mangelhafte digitale Funktionalität deutscher Amtsstuben liege nicht bei den handelnden Personen, betonte Jünger im Talk mit Kienbaums Executive Director René Ruschmeier, sondern an nutzerunfreundlichen Prozessen: „Die Prozesse sind wahnsinnig analog und sehr deutsch.“
Die Gründerin nannte Beispiele: So könnten ausländische Investoren nicht nachvollziehen, warum sie bei Beurkundungen persönlich beim Notar vorstellig werden müssten. Mitarbeiterverträge, die nicht digital unterschrieben werden dürften, seien nicht mehr zeitgemäß. Dazu kämen die Schattenseiten des Föderalismus, die einheitliche digitale Lösungen und damit Geschwindigkeit verhinderten. „Wir haben einen trägen, komplexen Apparat, der kaum in der Lage ist, schnell Entscheidungen zu treffen, bilanzierte die Vorsitzende des Beirates „Junge Digitale Wirtschaft“ beim Bundeswirtschaftsministerium. Dass es dennoch gelinge, digitale Unternehmensideen über analoge Verwaltungsstrukturen zu organisieren, sei häufig der Motivation einzelner Personen zu verdanken, berichtete Jünger von ihren persönlichen Erfahrungen.
“Niemand sollte seinen Impact unterschätzen.“
Der Anfang zur Digitalisierung von Verwaltungsprozessen ist zwar gemacht, etwa mit dem Onlinezugangsgesetz. Doch was kann die Verwaltung außerdem unternehmen, um in Sachen Digitalisierung mehr wie ein Unternehmen zu denken und zu handeln? Für Katharina Jünger beginnt der Change mit dem richtigen Mindset: „Jeder hat die Möglichkeit, in unserer Welt etwas zu verändern – auch der Beamte in seinem spezifischen Arbeitsbereich. Niemand sollte seinen Impact unterschätzen.“ Jünger plädierte für mehr Handeln und weniger Reden: „Ich möchte alle ermuntern, lieber aus der 100. Diskussionsrunde rauszugehen und die Zeit dafür zu nutzen, zu überlegen, wie man Lösungen konkret umsetzen kann.“
Nicht zu unterschätzen sei das Thema Leadership. Die Entrepreneurin ist überzeugt: Unterstützung muss von allen Führungsebenen von der Kommune bis zur Bundesregierung kommen. „Alle bis hin zum Bundeskanzler müssen die öffentlichen Verwaltungen ermuntern, Freiräume für neue Projekte schaffen und auch Fehler zulassen.“ Ob in einem Unternehmen oder auf Verwaltungsebene: Leader sein heiße, Visionär zu sein. „Man muss eine konkrete Vision entwickeln, diese artikulieren und jeden Trag dafür brennen“, betont Jünger.
Um die optimale Lösung zu finden, brauche es Hartnäckigkeit, Ausdauer und vor allem Empathie den Menschen gegenüber, sagt Jünger. Das sei alles andere als trivial, denn „Leadership in der Verwaltung ist eine der anspruchsvollsten Formen von Führung überhaupt!“ Hier setzt auch der Public Leadership Award von Kienbaum und Wegweiser Research an, der herausragende Fortschrittskulturen in deutschen Verwaltungseinheiten prämiert. Die Auszeichnung wird erstmalig Mitte Juni auf dem 9. Zukunftskongress Staat & Verwaltung in Berlin verliehen.
Schauen Sie sich hier den gesamten Talk als Aufzeichnung an: