Zwischen Kontrollverlust und Chancenmut – Wie KI die Führung verändert
In einer weiteren Session der Kienbaum Brave Leadership Serie widmeten wir uns Ende September einem hochaktuellen Thema: Künstliche Intelligenz und ihre Wirkung auf Führung, Kultur und Organisation. Unter dem Titel „Zwischen Kontrollverlust und Chancenmut – Wie KI unser Führungsverständnis im digitalen Wandel verändert“ diskutierten Lars Riedel, CIO der DATEV, und Freya Oehle, Gründerin und Geschäftsführerin von Dreitausendsassa gemeinsam mit den Kienbaum Partnern Henning Böhne und Dr. Stefanie Plassmeier, über Chancen und Herausforderungen von KI und die Rolle mutiger Führung.
Kienbaum Redaktion
Sowohl Lars Riedel als auch Freya Oehle haben in ihren Rollen eine große Nähe zu Software und Softwareprodukten. Lars Riedel verantwortet als CIO von DATEV die Entwicklung von Tools und Dienstleistungen für Steuerberatungen, Wirtschaftsprüfungen und Rechtsanwaltskanzleien. Freya Oehle berät mit ihrem Team Unternehmen und entwickelt maßgeschneiderte IT-Lösungen. KI ist dabei im Arbeiten beider Gäste nicht mehr wegzudenken. Die Außen- und Innensicht von Lars Riedel und Freya Oehle auf den Einsatz von KI in Unternehmen und die Auswirkungen auf Mitarbeitende und Führungskräfte ergänzten sich im Zuge der Session perfekt – wobei in vielen Punkten ähnliche Erfahrungen und Einigkeit herrscht.
In seinem Impulsvortrag machte Lars Riedel klar: KI verändere die Softwareentwicklung radikal. Prozesse wie Requirements Engineering, Coding oder Testing würden sich verschieben – manche Rollen fallen weg, neue entstehen. Doch statt Kontrollverlust sieht er vor allem Effizienzgewinne: „Mitarbeitende werden nicht durch KI ersetzt, sondern durch Menschen, die KI nutzen können.“ Dieser neuen Realität müsse sich jede:r einzelne stellen – ob man möchte, oder nicht. Und zwar besser früher als später.
Mutige Führung interpretierte er vor diesem Hintergrund so: Eine klare Vision geben, Freiräume schaffen und Mitarbeitende aktiv einbinden. Pilotprojekte, die achtfache Geschwindigkeiten in der Code-Generierung erzielen, schafften Vertrauen und Energie. Leuchttürme wie diese seien entscheidend, um Orientierung zu geben und Lust auf Veränderung zu machen. Für Lars Riedel ist klar: Eine klare Strategie, gute Kommunikation und gelebtes Empowerment machen exzellentes Leadership aus – heute mehr denn je.
„Seien wir ehrlich“ – KI ist kein Wundermittel
In ihrem hanseatisch anekdotischen Impuls betonte Freya Oehle, in vielen Führungsetagen herrsche die Illusion, dass KI ein Allheilmittel oder gar Ersatz für Entwickler:innen sei. Tatsächlich aber zwinge die Technologie, ehrlich hinzusehen und mutig neu zu denken. Führungskräfte müssen wieder lernen zu sagen: „Ich weiß es nicht. Lasst es uns gemeinsam herausfinden.“
Ihr Ansatz ist pragmatisch: Statt komplexer Zukunftsszenarien sollten zunächst die störenden Alltagsprozesse adressiert werden – die „Liste der Dinge, die einem täglich auf die Nerven gehen“. Warum werden Dokumente noch manuell verschickt? Warum braucht es drei Umwege, bis ein Formular ankommt? Solche Fragen öffnen Räume für echte Verbesserungen. Die Botschaft: Wir wollen euch das Leben erleichtern – nicht euch ersetzen. Wer an solch einem Punkt die Mitarbeitenden ins Boot hole, bekomme ehrliches Feedback und baue gleichzeitig Bedenken gegenüber dem Einsatz von KI ab – eben weil es um echte Erleichterung im täglichen Arbeiten gehe.
Viele Unternehmen, so Freya Oehle, seien gut beraten, KI nicht als Weltformel anzuhimmeln. KI sei vielmehr ein Weckruf, der zunächst einmal die digitale Rückständigkeit mancher Organisationen offenlege. Einige erkennen erst jetzt, dass die Lücke zwischen Faxgerät und KI endlich kleiner werden müsse. Bei Dreitausendsassa folgt daraus: Freiräume für Experimente – die „Daniel-Düsentrieb-Werkstatt“ – und gleichzeitig ein klarer moralischer Kompass. Sachlichkeit und Ehrlichkeit gegenüber der Technologie seien für das Hamburger Unternehmen unverhandelbar.
Hinterfragen als Schlüsselkompetenz
Beide Gäste unterstrichen: Wer nicht bereit sei, die eigenen Prozesse und Haltungen zu hinterfragen, verliere. Die Angst vor Kontrollverlust sei real – aber sie werde nur dann zum Problem, wenn man verharre.
Wer hingegen mit Neugier, Lust auf Lernen und Chancenmut agiere, gewinne die Kontrolle zurück. Führung heiße, kritische Fragen zu stellen: Brauchen wir diesen Prozess wirklich? Ist unsere Haltung gegenüber Technologie noch zeitgemäß? Müssen wir nicht mutiger sein und neu denken? Diese Haltung sei es, die Vertrauen schafft und Mitarbeitende aktiviere.
Kulturwandel beginnt mit Sprache und Beteiligung
Ein zentrales Hindernis für Freya Oehle sei die fehlende technische „Sprechfähigkeit“ in vielen Unternehmen. Zu oft werden Mitarbeitende mit Buzzwords konfrontiert, statt in einfacher Sprache abgeholt zu werden. Ihre Erfahrung: Wenn man mit echtem Interesse frage und Worte wähle, die bei einer technikfernen Zielgruppe ankommen, entstehe Dialog.
„Jeder in Deutschland kennt das Wort Muffe, aber die wenigsten wissen, was eine API ist.“ Freya Oehle
Lars Riedel ergänzt: Empowerment bedeute, Mitarbeitende experimentieren zu lassen, etwa mit ChatGPT-Enterprise-Lizenzen oder internen Prompt-Trainings. Einfache Angebote und verständliche Kommunikation seien entscheidend, um Neugier zu wecken und den Kulturwandel spürbar zu machen.
Zwischen Generationen und Gewohnheiten
KI verändere auch das Zusammenspiel der Generationen. Jüngere Mitarbeitende nutzen Tools spielerisch und schnell, Ältere bringen Stabilität und Erfahrung ein. Führung hieße, Brücken zu bauen: Weiterbildungen ermöglichen, Transparenz schaffen und den internen Austausch fördern.
Dabei seien auch Führungskräfte als Mitarbeitende wahrzunehmen, die gleichermaßen Lernangebote benötigen, um KI als Chance begreifen und vermitteln zu können. Wer als Vorbild vorangehe, baue Vertrauen auf.
Fazit: Brave Leadership im KI-Zeitalter
Zweifellos: KI fordert Führungskräfte heraus. Einerseits muss jede:r einzelne technologisch Schritt halten – was nicht bedeutet, jedes Tool oder jeden Anwendungsfalls selbst beherrschen zu müssen. Die Möglichkeiten zu (er)kennen, ist jedoch unabdingbar. Andererseits sind Bescheidenheit, kritisches Denken, Mut und gelebtes Empowerment Schlüssel, um Chancen zu nutzen und Ängste zu überwinden.
Brave Leadership bedeutet, Verantwortung zu übernehmen: für Technologie, für Kultur und für die Menschen im Unternehmen. Wer Prozesse und Haltungen hinterfragt, Mitarbeitende ehrlich beteiligt und Räume für Experimente schafft, gewinnt die Kontrolle zurück – und gestaltet Zukunft aktiv.
Brave Leadership Serie
Die Kienbaum Veranstaltungsreihe Brave Leadership liefert regelmäßig Einblicke in werteorientierte Führung – mit Best Practices aus verschiedenen Branchen und konkreten Impulsen für Ihren Führungsalltag.
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